Leserbrief

04.03.1998

Offener Brief in ComputerPartner Nr. 5/98, Seite 5Mit Ihrem Offenen Brief haben sie mir - als Privatmann wie auch als Marketingmensch - aus der Seele gesprochen. Und als Privatmann möchte ich Ihnen mal ein paar Zeilen dazu schreiben. Das Problem des "am Kopf stinkenden Fisches" ist nach meiner Erfahrung eine der Hauptursachen für die oft und gerne angesprochene Schwäche des Wirtschaftsstandortes Deutschland (nicht alles ist Herrn Waigels Schuld). Wir haben leider zuwenig Unternehmer im klassischen Sinne in Spitzenpositionen. Ich meine damit den Unternehmer, der "mit Kopf und Kragen" auf Gedeih und Verderb mit seinem Unternehmen verbunden ist. Die Spitzenpositionen sind von Managern besetzt, leider allzuoft von den Schönwetterkapitänen. Bei schönem Wetter kann jeder segeln, die Qualität des Managers erweist sich erst bei Sturm und Wind.

Aus eigener Erfahrung "durfte" ich miterleben, wie ein Manager an der Spitze eines Konzerns durch selbstherrliche und völlig unverständliche Maßnahmen innerhalb von nur zwei Jahren zum einen das Produkt ruinierte und zum anderen die deutsche Dependance eines internationalen Konzerns von einer führenden Rolle in die Bedeutungslosigkeit steuerte. Mit der fatalen Konsequenz drastischen Personalabbaus. (Wer, wie ich, als Rufer in der Wüste zu einem anderen Kurs mahnte, wurde als Querkopf und Störenfried gebrandmarkt.) Inzwischen soll dem Vernehmen nach der Niedergang dieser Marke an einigen Hochschulen den BWL-Studenten beispielhaft für miserables Produktmarketing und schlechte Unternehmensführung präsentiert werden. Wahrlich, ich neige nicht zu kommunistischem Gedankengut, aber solange nur Shareholder-Value zählt, solange es den Spitzen-managern in diesem unserem Lande eigentlich egal sein kann und teilweise auch ist, was mit "ihrer" Company passiert (finden sie doch immer wieder einen gut - zu gut? - dotierten Job, auch wenn sie das Schiff gerade mal auf Grund gesetzt haben), solange "Sanierung" zumeist gleichgesetzt wird mit Personalabbau, solange die Herren Spitzenmanager nicht mehr Kompetenz durch Qualifikation beweisen und auch mal gegen die Muttergesellschaften und die Shareholder-Interessen, aber für das Unternehmen handeln, solange nicht eingesehen wird, daß die Mitarbeiter das wichtigste Kapital eines Unternehmens sind - solange wird vermutlich das Gejammere über den Wirtschaftsstandort Deutschland anhalten. Und es wird weiter nach allen möglichen Ursachen gesucht, warum es nicht funktioniert hat. Mal die eigene Unzulänglichkeit ins Kalkül zu ziehen, kommt den deutschen Spitzenmanagern leider nur selten in den Sinn. Dabei läßt sich leicht Beweis führen, daß auch in schwierigen Märkten und Branchen Erfolg erzielt werden kann: mit einem qualifizierten Management, das in der Lage ist, das Unternehmensschiff samt Ladung und Besatzung durch Stürme und Untiefen sicher zu steuern. Eigentlich ist das keine große Kunst, sie ist erlernbar, erfordert wenig Kapitaleinsatz und Zeitaufwand. Allerdings wäre eine gehörige Portion Selbstkritik und Einsicht vonnöten - daran scheint es allzuoft zu mangeln. Wer zur Quelle will, muß gegen den Strom schwimmen. Anders gewendet: Nur tote Fische schwimmen mit dem Strom. Ich wünsche den deutschen Spitzenmanagern ein wenig mehr Mut zur Selbstkritik - wenn man's einmal getan hat, stellt man fest, daß es gar nicht so schwer ist.

*Wolfgang Baumann, Marketingleiter der Sysdat GmbH in Köln.

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