Leserbriefe

03.07.1997
Artikel "Networld + Interop '97 findet nicht statt" in ComputerPartner 3/97 , S. 14Es gibt Probleme im Leben, die lösen sich von selbst. Der viel zu volle Messekalender der IT-Manager und EDV-Cracks hat unvermittelt eine willkommene Lücke erhalten: Die Interop ist tot. Damit ist eingetreten, was in der Branche bereits als offenes Geheimnis galt: Es gibt zu viele Messen, die sich vom Konzept her nicht stark unterscheiden und dadurch einem gnadenlosen Verdrängungswettbewerb ausgesetzt sind. Und statt sich zu differenzieren, orientierten sich die Messeveranstalter am Mainstream und ziehen wie die Lemminge auf die Klippen zu. Leider war die Interop in diesem Jahr zufällig am

Artikel "Networld + Interop '97 findet nicht statt" in ComputerPartner 3/97 , S. 14Es gibt Probleme im Leben, die lösen sich von selbst. Der viel zu volle Messekalender der IT-Manager und EDV-Cracks hat unvermittelt eine willkommene Lücke erhalten: Die Interop ist tot. Damit ist eingetreten, was in der Branche bereits als offenes Geheimnis galt: Es gibt zu viele Messen, die sich vom Konzept her nicht stark unterscheiden und dadurch einem gnadenlosen Verdrängungswettbewerb ausgesetzt sind. Und statt sich zu differenzieren, orientierten sich die Messeveranstalter am Mainstream und ziehen wie die Lemminge auf die Klippen zu. Leider war die Interop in diesem Jahr zufällig am

Anfang des Zuges. Eine EDV-/Netzwerkmesse, die sechs Wochen nach der CeBIT stattfindet, hält selbst der gutmütigste und willigste Besucher beziehungsweise Hersteller nicht aus.

Messen leben bekanntlich davon, daß sich der Besucher über die Neuigkeiten auf dem Markt orientieren kann. Aber wer den deutschen Messekalender genauer betrachtet, wird feststellen, daß auch im High-Tech- und High-Speed-Zeitalter Sensationen oder zumindest Neuigkeiten nicht alltäglich sind. Neue Hardware-Generationen benötigen bekanntlich 18 Monate, bis sie von der Idee zur Marktreife entwickelt worden sind. Und daher ist nicht zu erwarten, daß auf einer Messe, die bereits sechs Wochen nach der CeBIT stattfindet, neue Produkte präsentiert werden können. Zwangsläufig sind Veranstaltungen, die ähnliche Zielgruppen ansprechen, daher auf lange (oder in diesem Fall auch kurze) Sicht zum Scheitern verurteilt.

Okay, die Interop ist tot, aber manche andere in Deutschland stattfindende Messe ist auch nicht viel lebendiger. Dabei hätten wir eine Interop in ihrem ursprünglichen Konzept bitter nötig. Erinnern wir uns: Die Interop war eine Veranstaltung von Technikern für Techniker. Hier ging es um Interoperabilität und um die Realisation von Funktionen in einem heterogenen Umfeld. Mit diesem Konzept ist die Interop groß und weltbekannt geworden. Vor allen Dingen gab es noch ein gemeinsames Thema, welches von den Ausstellern auf dem messeweiten InteropNet realisiert wurde. Als Besucher konnte man über neue Möglichkeiten staunen oder sich über aktuelle Funktionen und Techniken im Detail schlau machen. Auf jedem Stand war mindestens ein Ingenieur zu finden, der auch den Fachleuten noch etwas Wissenswertes mitteilen konnte. Mit anderen Worten: Die Aussteller zeigten Kompetenz und erlaubten sich den Luxus, ihre Gurus für einige Tage abzustellen, um das Wissen der Besucher zu mehren.

Als die US-Interop nach Europa kam, brachten die Veranstalter sogar das Kunststück fertig, große Namen der Internet-Community auf den Kontinent zu bringen. Ich erinnere mich noch an hervorragende Vorträge von Robert Medcalf oder Marshall T. Rose. Auch die Interop-begleitenden Seminare und Showcases verfügten über hochqualifizierte Sprecher und fachlich fundierte Inhalte, welche sich vom täglichen Einheitsbrei, vom üblichen "schneller, besser, bunter und billiger" positiv abhoben.

Doch als die Networld mit der Interop zusammengelegt wurde, entwickelte sich diese außergewöhnliche Messe zu einem reinen Vertriebs-/Marketing-Vergnügen. Die Kompetenz der Aussteller ließ vielfach nach, und ein technisch interessierter Besucher irrte hilflos auf dem Messegelände umher und suchte vergebens nach Know-how. Nicht, daß diese Veränderung etwas schlechtes wäre, aber rein vertriebsorientierte Messen haben wir beispielsweise mit der CeBIT, der Systems und einigen weiteren Veranstaltungen schon mehr als genug.

Die Messeveranstalter der Interop haben uns weismachen wollen, daß die Besucherzahlen von Jahr zu Jahr gestiegen wären. Aber jeder, der die Grundrechenarten nur halbwegs beherrscht, konnte mit Leichtigkeit feststellen, daß Doppelzählungen beispielsweise nach dem Besuch der Toilette auf der Tagesordnung standen und dadurch mit einem repräsentativen Ergebnis nicht zu rechnen war. Die fantastischen Zahlen und die immer höheren Stand- beziehungsweise Eintrittspreise führten zwangsläufig zum Unmut sowohl auf Aussteller- als auch auf Besucherseite. Die horrenden Standgebühren für Aussteller, die im übrigen die Quadratmeter-Preise der Innenstadt von Tokio bei weitem überschritten, führten relativ schnell zu einer gewissen Interop-Verdrossenheit. Hinzu kam, daß im letzten Jahr aufgrund eines technischen Versehens die Klimaanlage nicht aktiviert werden konnte (böse Zungen behaupten ja, der Grund hierfür hätte in kurzfristig anberaumten Sparmaßnahmen gelegen).

Es wurden viele Fehler gemacht. Seis drum. Manchmal müssen Fehler gemacht werden, damit daraus gelernt werden kann. Vielleicht hilft das Scheitern der Interop dem ein oder anderen Messeveranstalter, sich auf eine Differenzierung seines Ausstellungskonzeptes zurückzubesinnen, anstatt nur eine Mainstream-Veranstaltung ohne individuelle Aussage durchzuführen. Die europäische Interop war aufgrund des Zusammenschlusses mit der Networld mehr oder weniger schon seit einigen Jahren tot. Jetzt haben wir sie nur noch zu Grabe getragen. Bleibt zu hoffen, daß sie irgendwann wieder als besucherorientierte, kompetente Veranstaltung in der deutschen Messelandschaft zum Leben erweckt wird.

Mathias Hein, Marketing Manager der Bay Networks Deutschland GmbH

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