Letzte Chance für den angeschlagenen Chiphersteller

29.07.1999

MÜNCHEN: "Ab Mitte August ist der Pentium III nur noch Mittelklasse", rührt Joachim Hofmannn, Produktmanager bei Advanced Micro Devices, kräftig die Werbetrommel. Mit dem Pentium-III-Konkurrenten Athlon, der am 16 August vorgestellt werden soll, will AMD das Ruder herumreißen und wieder in die Gewinnzone steuern."Der Athlon ist die letzte Chance für AMD im x86-Markt noch eine entscheidende Rolle mitzuspielen", sind sich fast alle Analysten einig. Einen spektakulären und endlich gewinnbringenden Erfolg hat AMD bitter nötig. Nach rund dreijährigen Verlusten steht dem einzig verbliebenen Konkurrenten des Chipgiganten Intel das Wasser bis zu Hals (siehe Kasten).

Der ursprünglich als K7 firmierende neue Prozessor soll laut AMD technisch besser sein als Intels Pentium III und außerdem günstiger angeboten werden. Doch drei Wochen vor der Auslieferung ist AMD noch immer damit beschäftigt, Motherboard-Hersteller und Distributoren von den Vorzügen seines neuen Flaggschiffes zu überzeugen.

Die Fakten sprechen für sich

Für den Athlon spricht laut ersten inoffiziellen Benchmarkergebnissen im Internet, daß er bei bestimmten Anwendungen bis zu 30 Prozent schneller arbeitet als ein gleich getakteter Pentium III. Außerdem will ihn AMD billiger als den Pentium III anbieten (699 Dollar bei 1.000 Stück). Soweit die Vorteile.

Doch gegen den Athlon sprechen folgende Fakten:

- Fakt 1:

Der Prozessor braucht ein neues Motherboard mit dem Slot-A-Sockel und einem neuen Chipsatz (Alpha-Chipset von AMD). Diese Boards sind wesentlich teurer. Der Einkaufspreis wird laut Brancheninsidern bis zu 70 Dollar über dem vergleichbarer Boards für Pentium-III-Prozessoren liegen.

- Fakt 2:

Der Athlon erzeugt, je nach Taktfrequenz, fast doppelt soviel Verlustleistung wie ein Pentium III, also bis zu 60 Watt gegenüber 30 Watt. Das bedeutet: Er braucht einen speziellen Kühlkörper. PIII-Kühlkörper können nicht eingesetzt werden!

- Fakt 3:

Aufgrund der hohen Stromaufnahme des Prozessors empfiehlt AMD PC-Netzteile mit einer Leistung von 300 Watt.

- Fakt 4:

Bedingt durch die hohe Verlustleistung des Prozessors kann zudem auch der Einsatz eines Gehäuselüfters fällig werden.

AMD, konfrontiert mit diesen Fakten, bestätigte diese Probleme, wollte sie aber nicht als gravierend bewerten. "Bei einer neuen Prozessorgeneration ist mit solchen Problemen zu rechnen", wiegelt Hofmann ab.

Ohne Basis kein Produkt

Doch damit nicht genug. Noch ist AMD auf der Suche nach genügend Motherboard-Herstellern. Die Suche nach diesen gestaltet sich etwas schwieriger, als es AMD lieb ist. Ohne passende Motherboards ist aber auch der schnellste Athlon nichts weiter als ein teures Stück Silizium. Der Athlon braucht deshalb schnellstens eine solide Basis, um zu einem gefragten Massenprodukt zu werden. Doch daran hapert es noch. Die meisten Motherboardhersteller halten sich zur Zeit noch bedeckt. Viele wollen abwarten, wie sich die Nachfrage nach dem Athlon entwickelt. Doch genau das kann AMD im Moment gar nicht brauchen. Erst fünf Hersteller haben derzeit mit der Produktion solcher Boards begonnen. Auf Nachfrage von ComputerPartner werden erst jetzt die ersten Muster an die großen OEMs ausgeliefert.

Aber der Erfolg des Prozessors steht und fällt mit der Einsatzfähigkeit des neuen Produkts. Lag es früher an den zu geringen Stückzahlen von AMD, fehlen nun offensichtlich Motherboards, um den Athlon als Massenprodukt einzuführen. Und die Zeiten, da AMD auf eine Fülle von Intel-Boards zurückgreifen konnte, sind mit dem Athlon endgültig vorbei.

Teure Wärmeprobleme

Obwohl der Athlon die gleichen mechanischen Abmessungen wie der Pentium-III-Prozessor besitzt, läßt sich dessen Kühlkörper nicht einfach übernehmen. So muß eine Spezialanfertigung für hohe Leistungen eingesetzt werden. In Deutschland fertigt allein die Leutkirchener Firma EKL solche speziellen Kühlsysteme. Aber auch ihr sind die ersten Samples erst jetzt zu den OEMs unterwegs. So steht jetzt schon fest: Aufgrund der geringen Stückzahlen und der höheren geforderten Kühlleistung werden auch diese Kühlkörper ein wenig teurer als üblich ausfallen.

Die anfallende Wärme wird vom Kühlkörper aber nur ins Gehäuseinnere transportiert. Für einen Hochleistungs-Chip wie den Athlon sind ebenfalls nur teure und stark wärmeproduzierende weitere Komponenten nötig. Dazu gehören Hochleistungs-Grafikkarten und sehr schnelle Festplatten. Alle zusammen produzieren noch einmal eine erkleckliche Abwärme. Deshalb wird in solchen PCs wahrscheinlich ein zusätzlicher Gehäuselüfter Pflicht werden.

Damit aber nicht genug: AMD empfiehlt ein 300-Watt-Netzteil für Athlon-PCs. In den meisten PCs sitzen aber nur Netzteile mit 200 bis maximal 250 Watt Leistung. Deshalb kommen auch hier wieder nur Sonderanfertigungen in Betracht, die den Preis abermals in die Höhe treiben. Rechnet man also alle zusätzlichen Kosten für einen PC mit Athlon-Prozessor zusammen, ist der angebliche Preisvorteil der CPU wieder weggewischt. Das Motherboard schlägt mit rund 30 bis 70 Dollar Mehrkosten zu Buche. Dazu kommen der stärkere Prozessorkühler und das teurere Netzteil. Wird auch noch ein zusätzlicher Gehäuselüfter notwendig, ist der Preisvorteil des Prozessors mit Sicherheit aufgezehrt. Daher wird wahrscheinlich der Verkaufspreis eines Athlon-PCs sogar über dem eines vergleichbaren Pentium-III-Rechners liegen.

Marktchancen

Zu all dem hält sich AMD sehr bedeckt. Keinerlei technische Informationen vor dem 16. August herausrücken heißt die Devise. Fest steht für den Prozessorbauer nur: Am Stichtag 16. August, also in knapp drei Wochen, will AMD den Athlon flächendeckend in Deutschland anbieten. Wie die OEM-Hersteller in so kurzer Zeit so viele PCs fertigen wollen, bleibt rätselhaft.

Ob der Athlon dem Pentium III wirklich weit überlegen ist, wird sich auch erst im August herausstellen. Denn es gibt keine offiziellen Benchmarkergebnisse, nur die bereits erwähnten inoffiziellen. Ob davon die ersten Käufer angelockt werden, darf bezweifelt werden. Bei den Distributoren jedenfalls ist die Nachfrage, wenn überhaupt vorhanden, nur schleppend. Einige Distributoren äußerten gegenüber ComputerPartner sogar: "Das größte Problem des Athlon ist: Da steht AMD drauf."

Fazit

Nicht immer muß das laut AMD bessere Produkt sich auch besser verkaufen lassen. So folgt: Diesmal hat sich AMD weit aus dem Fenster gelehnt. Mit der Einführung dieser neuen Prozessorgeneration kann sich der Chiphersteller nicht auf ein vorhandenes Polster stützen, sondern er muß selbst eine neue Basis schaffen. Erstmalig ist es nicht damit getan, genügend Prozessoren zum Stichtermin vorrätig zu haben. Auch die Peripherie muß schnellstmöglich lieferbar sein. Nur dann hat AMD noch eine Chance, dem schier übermächtigen Goliath Intel Paroli zu bieten. Und ob er dazu die Macht und Möglichkeiten hat, werden die nächsten Wochen zeigen. (jh/wl)

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