Lewis Platt: vom IT-Spitzenmanager zum Weinbauern

12.02.1999
FRAMINGHAM: Nach 33 Jahren bei Hewlett-Packard - und davon sieben zuletzt als CEO (Chief Executive Officer) - gab Lewis Platt kürzlich bekannt, er werde die Leitung des kalifornischen Weinunternehmens Kendall-Jackson übernehmen. Im Interview mit unserer Schwesterzeitschrift "Computerworld" plaudert Lewis über seine Tage bei HP, Fehler die gemacht wurden - und seinen Eindruck über die IT-Industrie.

Warum zu Kendall-Jackson?

PLATT: Hinausspazieren und CEO eines Weinbauern zu werden war sicherlich nicht das, was ich mir vorgestellt hatte. Wahrscheinlich wäre es eleganter, Ihnen zu erzählen, das sei Teil eines großen Planes gewesen - das war es aber nicht. Aber es ergab sich so. Ich interessiere mich sehr für Weine, ich bin ein Sammler, ich interessiere mich für das Business, es hat mich von jeher fasziniert.

Was würden Sie als die Höhepunkte Ihrer Karriere bei HP bezeichnen?

PLATT: Da müßte ich sicherlich mit den letzten sieben Jahren als CEO beginnen. Wir hatten in diesen sieben Jahren viel Erfolg, und wir hatten unsere Höhen und Tiefen. Die Tiefen leider im zweiten Halbjahr 1997 und 1998, aber 1999 haben wir uns zurückgemeldet. Ganz sicher hatten wir in 1994, 1995 und 1996 einige spektakuläre Jahre. Wenn ich es mir recht überlege, hatten wir in diesen sieben Jahren eine Umsatzverdreifachung und eine Verfünffachung des Gewinnwachstums. Darauf bin ich ziemlich stolz, wir haben das nämlich in einem ziemlich rauhen Umfeld und zu einer Zeit erreicht, in der eine Menge Unternehmen offen gesagt Orientierungsprobleme hatten und nach Wegen suchten, um erfolgreich zu sein.

Was ist denn in den Jahren 1997 und 1998 nun eigentlich schiefgelaufen?

PLATT: Zu dem Zeitpunkt ist einiges passiert. Zum einen haben wir, denke ich, das Internet verpaßt. Ich glaube, wir haben damals sehr wohl die Bedeutung von dem verstanden, was da vorging und haben sehr wohl auch aktiv mitgespielt und die Entwicklungen unterstützt. Aber da wir uns bei unseren Kunden nicht als Internet-Player bekannt gemacht haben und unsere Fähigkeiten nicht gerade gut vermarktet haben, sind wir aus der Spitzengruppe herausgefallen. In dem Sinne, daß man uns nicht als einen Marktführer einschätzte. Man hielt uns eher für eine Schlafmütze, und andere gewannen die Aufmerksamkeit der Kunden im Ansehen als Marktführer. Was wir versäumt haben, war, uns korrekt zu positionieren. Und gleichzeitig haben uns die Finanzkrise und der Kollaps des asiatischen Marktes niedergeprügelt. Denn: Wir haben wirklich einen so guten Job in diesen Märkten gemacht ... und wir waren weitaus abhängiger von diesen Märkten als viele unserer Wettbewerber. Und als dann der Ärger losging, haben wir natürlich viel mehr abbekommen als unser Wettbewerb.

Glauben Sie, daß es nochmal irgendeinem Unternehmen gelingt, den Markt so zu dominieren wie es einstmals IBM oder Microsoft fast die ganzen 90er Jahre lang taten?

PLATT: Ehrlich gesagt nein. Aber so etwas weiß man nie genau. Ich war mir einmal ziemlich sicher, daß, als IBMs Vorherrschaft im Markt endete, kein anderer mehr so dominieren würde. Aber Microsoft kam da schon ganz nahe dran. Wir arbeiten in einer Industrie, die nun sehr viel fragmentierter ist als sie mal war. In einer Industrie, in der Alternativen jetzt auch sehr viel schneller auf den Markt kommen als früher - und dadurch wird es auch sehr, sehr schwierig, diese Industrie zu dominieren.

Ist der PC tot?

PLATT: Ich habe diesen Satz schon gehört und muß ehrlich sagen, daß ich das für Unsinn halte. Tatsächlich glaube ich, daß der PC-Markt wächst und wahrscheinlich noch eine ganze Weile weiterwachsen wird. Es wird andere Wege geben, wie man auf das Netz zugreift und es wird Alternativen zum PC geben ... aber es ist einfach dumm zu sagen, das sei das Ende der PC-Ära. (IBM-CEO) Lou Gerstner war einer der ersten, die das gesagt haben. Ende der 80er hätte man das vielleicht sagen können, das war das Ende der Mainframe-Ära - aber ist es nicht erstaunlich, wie sich Mainframes weiterhin verkaufen und daß die letzten Jahre einige der besseren für IBM waren? Solche Technologien können unvorstellbar lange überleben. Ich gehe ganz sicher davon aus daß, wenn ich zu Grabe getragen werde, PCs noch immer ein sehr wichtiges Arbeits- und Internet-Werkzeug sind.

Zur Startseite