Linux-Anwendungen bei Banken und Energielieferanten

15.11.2001
Linux als einziges geschäftliches Standbein kann ein Unternehmen nicht tragen. Diese Erfahrung machten in den vergangenen zwölf Monaten nicht nur einige kleinere Dienstleister, sondern auch der LinuxDistrubutor Suse AG. Doch gemeinsam mit einem anderen Schwerpunkt, sei es Netzwerkaufbau oder Implementierung von ERP-Software, kann auch eine für Open-Source-Projekte offene Firma gute Umsätze machen. Diese Botschaft nahmen die Teilnehmer der diesjährigen Linuxworld Conference & Expo in Frankfurt mit nach Hause.

Im Vergleich zum Vorjahr hat die Ausstellungsfläche der nach dem Linux-Tag zweitgrößten Linux-Veranstaltung zwar nicht zugenommen, dafür aber die Zahl der Besucher (siehe Kasten auf Seite 80: Linuxworld auf einen Blick). Sie konnten etwa 100 Anbieter von Linux-Produkten und -Dienstleis-tungen kontaktieren.

Die Stände der großen Linux-Distributoren wie Suse, Red Hat oder Caldera sahen diesmal wesentlich bescheidener aus als bei der Premiere 2000. Dafür trumpfte IBM umso mehr auf. Dieses Unternehmen mausert sich verstärkt zum Vorreiter in Sachen Linux. So hat Big Blue alleine in diesem Jahr eine Milliarde Dollar für Marketingmaßnahmen in Sachen Linux ausgegeben, und dieses Engagement soll auch in Zukunft fortgeführt werden.

Mainframe als Zugpferd

So verwundert es nicht, dass sich mit IBM verbandelte Unternehmen mit dem Messeverlauf zufrieden zeigten # beispielsweise die Millenux GmbH, die sich auf die Portierung der IBM-Mainframes auf die Linux-Plattform spezialisiert hat. Geschäftsführer Paukstadt berichtete von einem derartigen Projekt bei den Neckarwerken Stuttgart. Bei der Portierung der Red-Hat-7.1-Distributionen musste das Stuttgarter Systemhaus lediglich geringfügige Kernel-Anpassungen vornehmen. Die dabei gesammelten Erfahrungen flossen direkt in das IBM-Linux-Lab in Böblingen ein, dort sind derzeit zwei Millenux-Mitarbeiter permanent beschäftigt.

Als äußerst befriedigend empfand den Besucherzuspruch Oliver Korff, Berater bei der Creativ GmbH: "Die Kontakte hier sind Gold wert." Bei dem badischen Dienstleister spielen Open-Source-Projekte aber (noch) eine eher untergeordnete Rolle, der Hauptschwerpunkt seiner Tätigkeit liegt in der Qualitätssicherung von Software. Experten von Creativ testen bei Herstellern neu entwickelte Computerprogramme und prüfen sie auf Anwendbarkeit. Auch die Verwaltung von Kundennetzwerken obliegt dem Jülicher Systemhaus.

Ziemlich schlecht aufgelegt war hingegen Rudi Latuske, Geschäftsführer der Montavista Software GmbH. Der Spezialist für Embedded Linux präsentierte in Frank-furt einige grafische Anwendun-gen seiner Hard-Hat-Linux-Distri- bution in Maschinensteuerungselementen. "Das weckt zwar In- teresse vornehmlich beim jugendlichen Publikum, aber worüber soll ich mit denen reden?", so Latuske. "Dass wir an der nächsten Linux-world teilnehmen werden, ist relativ unwahrscheinlich."

Dass man Linux auch in geschäftskritischen Bereichen nutzen kann, beweist das Beispiel der Oldenburgischen Landesbank. Dort laufen nicht nur Web- und File-Server unter dem Open-Source-Betriebssys-tem, sondern auch die HBCI-ba-sierende Home-Banking-Anwen- dung, das interne Datenbanksys-tem von Oracle und die Kassenterminals.

Suse probt den Turnaround

Suse nutzte die Messe zur Bekanntgabe seiner Partnerschaft mit IBM. Ab sofort fungieren nämlich die Nürnberger als Big Blues Vertriebspartner für Linux-basierende Datenbanksysteme (DB2), Groupware (Lotus), Applikationsserver (Websphere) und System-Management-Software (Tivoli). Zwar hieß es in Frankfurt weiter, Suse sei IBMs Hauptdistributor in Sachen Linux in Europa, doch planen die Nürnberger keinesfalls, nur Fachhändler zu bedienen. "Natürlich werden wir Corporate User selbst mit Services versorgen", so Johannes Nussbickel, Suses neuer CEO, gegenüber ComputerPartner. Dieser Bereich - Geschäft mit Konzernen und Großunternehmen - macht bei den Mittelfranken derzeit 20 Prozent des Umsatzes aus, im nächsten Jahr sollen es 30 Prozent werden.

VARs können nur bei solchen Kunden zum Zuge kommen, die Suse als "Business User" bezeichnet. Darunter versteht der Distributor mittelständische und kleine Firmen. Auch dieser Business-Sektor soll bei Suse überproportional anwachsen - anteilig von derzeit 20 auf 25 Prozent. "Wir werden aber nicht jeden Lead an Partner weitergeben", betont Suse-Vertriebsleiter Michael Kummer. "Wenn wir keinen passenden VAR für einen Kunden finden, machen wir dieses Geschäft eben selber."

Derzeit hat Suse in Deutschland mehr als 50 VARs zertifiziert. Mit Hilfe des gerade verabschiedeten neuen Partnerprogramms sollen es im Laufe des nächsten Jahres 100 werden. "Dann werden wir das SMB-Geschäft (Small and Medium Business) ausschließlich über den Channel abwickeln", so Kummer. Weiterhin wird Suse "Qualified User", also ambitionierte Privatkunden mit den neuesten Linux-Distributionen versorgen. Doch hier ist mit Preiserhöhungen zu rechnen, um in diesem verlustträchtigen Geschäftsbereich ein wenig an Boden zu gewinnen. Außerdem soll der von dieser Klientel stammende Umsatzanteil von derzeit 35 auf 20 Prozent im nächsten Jahr sinken.

Das restliche Umsatzviertel möchte Nussbickel in Kooperationen mit Technologieanbietern wie IBM, SAP, Intel oder AMD sowie mit neuen Kunden aus den Bereichen öffentlicher Dienst und Behörden erzielen.

IBM setzt auf Partner

Auf eine stattliche Zahl an Business-Partnern im Open-Source-Umfeld kann IBM zurückblicken. "Derzeit gibt es etwas mehr als 1.000 Unternehmen in 18 Ländern, die mit uns Linux-Lösungen vertreiben", verkündet Udo Hertz, Leiter der Linux-Initiative bei IBM Emea. Rund ein Viertel von ihnen arbeitet in Deutschland - hier ist laut IBM der Linux-Markt am weitesten entwickelt. Etwa 400 VARs insgesamt beschäftigen sich hierzulande mehr oder weniger intensiv mit Linux. Die Zahl der dazugehörigen, kommerziell nutzbaren Applikationen hat bereits die 2.500er-Marke überschritten.

"Hier ist weiterhin ein Wachstum von 30 Prozent jährlich zu erwarten", so Hertz weiter. An Argumenten für Linux führt er das bekannte Repertoire ins Feld: billig, zuverlässig und flexibel.

www.creativ.de

www.ibm.com/linux

www.linuxworldexpo.de

www.millenux.de; www.mvista.com

www.suse.e/de/partner

ComputerPartner-Meinung:

Warum müssen innerhalb eines Jahres in Deutschland zwei Linux-Messen stattfinden? Neben der oben erwähnten Linuxworld gibt es noch den Linuxtag, der in Wirklichkeit drei Tage dauert. Zwar versuchten die Messeorganisatoren, beide Veranstaltungen unter einen Hut zu bringen, doch bisher erfolglos. Die Vorbehalte der Teilnehmer und Veranstalter kann man sich leicht ausmalen: "Linuxworld ist eine Business-Messe und der Linux-Tag etwas für die Freaks", doch können beide Aspekte leicht auf einer einzigen Konferenz und Ausstellung in gebührender Breite und Tiefe behandelt werden.

Hierzu müsste der Veranstalter nur das Kongressprogramm geringfügig ausdehnen, neben einem "Business-Track" noch eine "Technik-Schiene" verlegen, und die Ausstellung, die ohnehin nicht so groß ist, etwas strukturieren. Als Örtlichkeit böte sich Frankfurt an - ein Zugeständnis an die Linuxworld. Die Bankenmetropole liegt zentral und ist besser erreichbar als Kaiserslautern, Stuttgart oder Karlsruhe, wohin Gerüchten zufolge der Linux-Tag nächstes Jahr umziehen soll. Dessen Termin mitten im Sommer liegt hingegen günstiger als das Oktoberende - so knapp nach der Systems. Dann bekämen nämlich die Aussteller die Chance, ihre Linux-basierenden Produkte und Dienstleistungen auch zwischen den zwei IT-Leitmessen einem breiteren Publikum zu präsentieren. (rw)

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