Linux: Das Ende eines Geschäftsmodells

16.08.2001

Mit der Innominate AG hat es ein weiteres IT-Unternehmen erwischt, die Berliner stehen vor der Insolvenz (siehe auch Artikel auf Seite 13). Eine Hiobsbotschaft unter vielen? Vielleicht, aber hier trifft es einen der letzten unabhängigen Vorkämpfer aus der Linux-Szene. Von dieser bleibt in Deutschland eigentlich nur noch die Suse AG übrig, die aber derzeit ebenfalls mit massiven Problemen zu kämpfen hat. So hat der Nürnberger Distributor mit Johannes Nussbickel einen erfahrenen Finanzexperten als neuen Chef inthronisiert und die junge Garde der Firmengründer abgelöst. Der frisch gebackene CEO trat auch sogleich auf die Kostenbremse und entließ 50 der etwa 500 Mitarbeiter.

Auch die Innominate AG trennte sich Ende des vergangenen Jahres von einem Zehntel ihrer Belegschaft, berief einen neuen Vorstand und krempelte ihr Produktportfolio völlig um. So rettete sich die Linux-Firma zwar noch über das Jahr hinaus, aber es reichte nicht. Die Investoren honorierten den Schwenk des Dienstleisters zum Hardwarehersteller nicht und drehten den Geldhahn zu.

Was sollte Suse daraus lernen? Der Linux-Distributor sollte sich nun endgültig entscheiden, ob er als reiner Softwareanbieter am Markt auftreten will, oder doch nur die dazugehörigen Dienstleis- tungen anbieten möchte. Das "Sowohl-als-auch" kommt am Markt schlecht an, es verschärft vielmehr die bereits bestehenden Channel-Konflikte. Daran wird auch das gerade verabschiedete Partnerprogramm der Nürnberger nichts ändern. Und mit Paketen à la "Linux-Distribution die 7.5te" allein ist ein Geschäftsmodell jedenfalls nicht überlebensfähig. Aber auch Hardware mit vorkonfigurierter Linux-Software sichert noch kein Auskommen, siehe Innominate. Erst wenn man dem Kunden ein Gesamtkonzept präsentiert, etwa in der Art: "Ich installiere Dir einen Lotus-Notes-Server unter Linux, darüber kannst Du dann Deinen gesamten E-Mail- und Web-Verkehr abwickeln", ja erst dann wird es für einen potenziellen Klienten interessant.

Den bisher im Linux-Umfeld tätigen Firmen bleibt also nichts anderes übrig, als sich schleunigst eines weiteren Kompetenzbereichs zu bemächtigen, die Kenntnis eines einzigen Betriebssys-tems genügt in der heutigen Geschäftswelt schon lange nicht. Welches Know-how sich die Linux-Experten nun aneignen sollten, ist sicherlich schwer vorherzusagen. Aber warum könnten sie nicht etwa auch Exchange installieren helfen? Eine Microsoft-Phobie wirkt einfach unprofessionell, albern und gar unsozial, wenn man es sich dadurch mit seinen Auftraggebern verscherzt und die eigenen Arbeitsplätze gefährdet. Die IT- Landschaft ist nun mal komplizierter und heterogener geworden, da muss man eben auf mehreren Hochzeiten tanzen, auch wenn einem das Brautpaar unsympathisch ist.

Dr. Ronald Wiltscheck

rwiltscheck@computerpartner.de

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