Linux dringt in Unternehmen ein

18.01.2001
Anfang des Jahres gab der Linux-"Erfinder" Linus Torvalds den Kernel 2.4 frei. Für Microsoft stellt das Open-Source-Betriebssystem eine ernste Bedrohung dar, glaubt der dortige Chef Steve Ballmer.

Unter dem Druck der Medien und Analysten, aber auch angesichts der hohen Erwartungen aus der Entwicklerszene, entschloss sich der Linux-"Vater", Linus Torvalds, die finale Fassung des Kernels 2.4 Anfang Januar frei zu geben.

Ende des Jahres sah es aber noch gar nicht danach aus: Lediglich ein sogenanntes Pre-Release wurde veröffentlicht. Bis zur endgültigen Freigabe sollten noch die so-genannten "dirty page lists" abgearbeitet werden - dort geht es darum, wie Dateien im Arbeitsspeicher abgelegt werden. Doch offenbar hatte Torvalds die "Faxen dicke" und wollte den endlosen Tests ein Ende setzen: "Genug ist genug!", lautete seine Entscheidung, die er in einer formlosen E-Mail am 5. Januar der Linux-Community mitteilte. Von weiteren Verbesserungsvorschlägen wollte er erstmals verschont werden.

Der derzeitige Funktionsumfang und die Leistungsfähigkeit des neuen Linux-Kerns können sich durchaus sehen lassen: Er unterstützt Prozessoren mit Taktraten von bis zu 2,4 GHz, ist höher skalierbar als die Vorgängerversion 2.2 und stößt beim symmetrischen Multiprocessing in Bereiche jenseits der bisherigen Vier-Prozessor-Maschinen vor - maximal 16 Prozessoren sind im SMP-Modus ansprechbar.

So verwundert es nicht, dass die Großen der Branche - mit einer Ausnahme natürlich - vom neuen Kernel hellauf begeistert sind. IBM werde beispielsweise alle auf Linux portierten Anwendungen so bald wie möglich in einer Kernel-2.4-Umgebung testen, sicherte Daniel Frye, dortiger Leiter des Linux Technology Centers, zu.

Bruce Perens, Hewlett-Packards frisch gekürter Linux-Guru, erhofft sich vom neuesten Release den endgültigen Zutritt zum Enterprise-Markt für das Betriebssystem. Vor allem Datenbank-Anbieter werden seiner Meinung nach von der Kernel-Version 2.2 auf 2.4 umsteigen, verspricht doch letztere einen weit schnelleren Datenzugriff. Dazu passt auch die neueste Meldung aus dem Hause Oracle: Der Datenbankriese will ebenfalls sein gesamtes Software-Portfolio für das 2.4 fit machen.

Herzlich begrüßt wurde der neue Linux-"Kern" selbstverständlich auch von Red Hat, Suse und Turbolinux, haben doch diese Unternehmen damit einen weiteren Vorwand erhalten, eine neue Distribution auf den Markt zu werfen. Vor allem deren dann erhöhte Multiprozessor-Fähigkeit und erweiterte Netzwerk-Funktionalität werden schon für einen guten Absatz zumindest bei Unternehmenskunden führen.

Aber auch Privatanwender profitieren vom neuen Kernel: Dieser unterstützt nun außer USB auch noch die Firewire-Schnittstelle. Damit können Plug-and-Play-Geräte leichter an Linux-Maschinen installiert werden.

Wohl nicht zuletzt deshalb hat Microsoft dieses Jahr Linux zu seinem Hauptfeind erkoren - noch vor Sun und Oracle. AOL, die Hauptbedrohung aus dem Vorjahr, ist für den CEO Steve Ballmer dieses Jahr keine mehr. Linux hingegen wildert anscheinend erfolgreich in den angestammten Win-dows-Revieren - hier wird Microsoft Einhalt gebieten wollen.

Darauf zieht einerseits die Dot-Net-Initiative und andererseits der wahrscheinliche Rückzug von Corel aus dem Linux-Markt. Denn immerhin hält Microsoft ein Viertel an Anteilen des vormaligen Grafikspezialisten in seinen Händen und so ist wohl zu erwarten, dass sich Corel von nun an auf die Dot-Net-Plattform konzentrieren und dort die Nachfolgemodelle der GrafikSoftware Corel Draw und des Textverarbeitungsprogramms Word Perfect präsentieren wird. Linux-Versionen dürfte es in absehbarer Zeit keine mehr geben. (rw)

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