Was der Tarifwechselmakler niemals verrät und selten weiß

Lobbyarbeit, Unkenntnis oder Absicht?



Renate Oettinger war Diplom-Kauffrau Dr. rer. pol. und arbeitete als freiberufliche Autorin, Lektorin und Textchefin in München. Ihre Fachbereiche waren Wirtschaft, Recht und IT. Zu ihren Kunden zählten neben den IDG-Redaktionen CIO, Computerwoche, TecChannel und ChannelPartner auch Siemens, Daimler und HypoVereinsbank sowie die Verlage Campus, Springer und Wolters Kluwer. Am 29. Januar 2021 ist Renate Oettinger verstorben.
Dr. Johannes Fiala und Dipl.-Math. Peter A. Schramm befassen sich mit den Chancen für Beitragssenkungen beziehungsweise mit der Rückkehr in die gesetzliche Krankenversicherung.
Wie können sich Selbstständige am besten versichern?
Wie können sich Selbstständige am besten versichern?
Foto: Production Perig - shutterstock.com

Die aktuelle Studie einer Lobbyorganisation schlägt vor, die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) für geringer verdienende Selbständige attraktiver zu machen, wie eine Zeitung aus Süddeutschland berichtet. Für Selbständige gäbe es einen Mindestbeitrag von 342 Euro pro Monat. Erstaunlich ist, was Journalisten ungeprüft übernehmen, etwa wenn die Irreführung auf die Spitze getrieben wird, indem der Journalist sich der Forderung nach einer Gesetzesänderung anschließt, nach der Selbständige nach dem Einkommen verbeitragt werden. Dies führt zur Frage, wie es dazu kommt. Nur pure Lobbyarbeit der GKV, Unkenntnis oder Absicht?

GKV-Versicherte können auch weniger als den Mindestbeitrag zahlen - auf Antrag

Keine GKV weist freiwillig darauf hin, dass Selbständige auch beantragen können, bei geringerem Einkommen einen geringeren Beitrag als den sogenannten Mindestbeitrag zur GKV zu bezahlen. Man muss schon selbst darauf kommen. Oder sich beispielsweise von der GKV beraten lassen, und bei lückenhafter Beratung später eine Amtshaftungsklage auf Schadensersatz gegen die GKV führen.

Der rechtliche "Trick" besteht darin, der Beitragseinstufung mit dem Mindestbeitrag zu widersprechen - und sich die Begründung durch später nachzureichenden Einkommensnachweis, etwa den Steuerbescheid, offen zu halten. Einige unfreundliche Sachbearbeiter bei der GKV bringen keine "Vorbehalte" an, provozieren also unnötig ein Widerspruchsverfahren, und nehmen es in Kauf, daß naive Selbständige mit etwa 342 Euro Monatsgewinn dieses Geld eins zu eins an die GKV durchreichen dürfen. Solche Gemeinheiten lernt Otto der Normalverbraucher nicht in der Schule.

Die Bezeichnung "Mindestbeitrag" bedeutet indes nicht, dass dies der mindeste Beitrag ist, den der Selbständige wirklich zahlen muss.

Genau wie die Mindeststrafe laut StGB nochmal wegen § 49 StGB niedriger ausfallen kann, mal abgesehen davon, dass nachträglich eine vorzeitige Entlassung möglich ist, oder eine Begnadigung durch den Bundespräsidenten z.B. angesichts des Gewinns der Fußball-Europameisterschaft.

Das umgekehrte kam früher vor, die Umwandlung einer Kerkerstrafe in eine Todesstrafe (Rädern, Vierteilen und Aufhängen zwischen den Torpfosten), um Platz zu schaffen im Kerker für die Verlierermannschaft, bis auf den Tormann, der vom Elfmeterpunkt aus erschossen wurde.

Laufende Falschberatung durch Versicherungsmakler

Von den rund 9 Mio. voll in der Privaten Krankenversicherung (PKV) Versicherten sind nur rund 1,4 Mio. Selbständige zuzüglich ca. 400.000 Familienangehörigen. Die Lobbyorganisation, eine ordentliche Stiftung leistet durch Verbreitung von Halbwissen auch Vorschub für den unnötigen Abschied von der GKV, und spätere Altersarmut Selbständiger durch dann hohe PKV-Beiträge.

Jedoch kann auch der Verbleib in der PKV nicht selten vorteilhafter sein - eine Prüfung im Einzelfall ist daher stets anzuraten.

Wenn denn die Möglichkeit geringerer Verbeitragung für Selbständige auf Antrag auch den Versicherungsmaklern kaum bekannt ist, und die Selbständigen deshalb zur (scheinbaren) Beitragsersparnis in die PKV umgedeckt werden, liegt Falschberatung vor, und der Selbständige kann Schadenersatz in Höhe der in der PKV zu zahlenden Prämie abzüglich der auf Antrag nach Einkommen in der GKV zu zahlenden verlangen: Außerdem die Kosten für Leistungen, die die PKV nicht zahlt, aber die GKV übernommen hätte. Gerichtlich setzt man dies durch, erstmal als Feststellungsklage, dann als Klage auf Zahlung - die Schadenhöhe wird ein versicherungsmathematisches Sachverständigengutachten darlegen und beziffern können.

Günstigerer GKV-Beitrag durch Gründung einer kleinen GmbH

Tatsächlich liegt der Mindestbeitrag für Selbständige 2016 bei 137,57 Euro plus kassenindividueller Zusatzbeitrag plus Pflegeversicherung. Und wem dies immer noch zu teuer ist, der kann sein Unternehmen auch verkaufen, verpachten, vermieten, oder über eine vorweggenommene Erbfolge der nächsten Generation überlassen - oder einem guten Freund. Wer als ehemaliger Selbständiger dann dort nur noch Arbeitnehmer ist, zahlt gegebenenfalls noch weniger - und dies ganz legal, wenn alles korrekt gestaltet und faktisch so auch durchgeführt wird, also nicht nur zum Schein.

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