Lobster erhofft sich vom Börsengang wieder viele schwarze Zahlen

28.05.1998

BERLIN: Nach dem Börsengang Anfang Mai will die Lobster Technology Holding AG spätestens im Geschäftsjahr 1998/99 wieder in die Gewinnzone hinein. Das nächstes Ziel der optimistischen Berliner: die New Yorker Nasdaq. Vorerst heißt es aber, die beiden Tochtergesellschaften in Sachen Vertrieb auf Vordermann zu bringen.Alexander von Troschke, Vorstandsvorsitzender der Lobster Technology Holding AG, verfolgt dieser Tage gespannt die Kursentwicklung seiner neu emittierten Aktie. "Wir sind nach dem Börsengang sehr kapitalstark. Rund zehn Millionen Mark fließen in die Unternehmenskasse", freute sich der Firmenchef schon vor Wochen. Im Zuge des Börsengangs wurde das Grundkapital von fünf auf 7,5 Millionen Mark aufgestockt. Laut Vorstand waren bereits vor der Erstnotierung alle Anteile verkauft, die 50fach überzeichneten Aktien lagen somit im obersten Range des Bookbuilding (16 bis 20 Mark). Am 12. Mai notierte die Lobster-Aktie erstmals mit 39,40 Mark.

Nicht den derzeit boomenden Frankfurter Neuen Markt wählte der Vorstand für das going public, sondern der Berliner Freiverkehr erhielt den Zuschlag. Viele der momentan auf dem Frankfurter Börsenparkett gehandelten Werte hält der Unternehmenschef für zu hoch bewertet. "Kleine Unternehmen könnten dadurch leicht unter Druck geraten", begründet er seine ablehnende Haltung. Und genau das kann sich die erst Ende November gegründete Holding im Moment überhaupt nicht leisten. In den Kassen der Berliner Company herrscht nämlich Ebbe. Für das noch laufende Geschäftsjahr 1997/98, das am 30. Juni endet, wurde schon jetzt ein Minus von 1,5 Millionen Mark ausgemacht.

Eine solide Wachstumsbasis schaffen

Bislang fehlte auch das nötige Kapital, um die beiden Tochter-gesellschaften, die Lobster Concept Computer GmbH und die erst vor wenigen Monaten gegründete Mention Software GmbH, auf eine solide Wachstumsbasis zu stellen. "Der Börsengang hat überwiegend mit der Gründung von Mention zu tun. Ein Produkt auf den Markt zu bringen kostet erst einmal Geld", erklärt von Troschke. Mehr als 1,7 Millionen Mark hat die Holding bislang in die Entwicklung des Warenwirtschaftssystems "Mention Mangagement Environment" gesteckt.

Marktführerschaft in der Nische ist das Ziel

Für das Rumpfgeschäftsjahr 1997/98 rechnet Finanzchef Matthias Woppmann für das Start-up-Unternehmen mit einem Umsatz von knapp zwei Millionen Mark, neun Millionen sollen es 1998/99 sein. Von Troschke ist sich sicher, mit der Software einen "echten Treffer" gelandet zu haben. Die Ziele sind folglich auch sehr hoch gesteckt: Bis zum Jahr 2000 will der Börsen-Newcomer neben SAP und Navision zu den führenden Anbietern von Warenwirtschaftssystemen gehören.

Fest auf zwei Umsatzbeinen steht dagegen die zweite Tochter, die 1990 gegründete Lobster Computer Concept GmbH. Das Unternehmen agiert als Nischenanbieter mit zwei Produktschwerpunkten. Rund 50 Prozent des Business entfallen auf die Exklusivdistribution datensicherer Raid-Server-Systeme der kalifornischen Mylex. Der Vertrieb umfaßt dabei einen Katalog an Dienstleistungen: Die Berliner autorisieren nicht nur Distributoren und Systemintegratoren, ins Aufgabenspektrum gehört auch die Schulung von Mylex-Technologie-Partnern. Darüber hinaus übernimmt Lobster das gesamte Marketing, leistet technischen Support und ist zudem für den zentralen Reparatur- und Austausch-Service zuständig. Zweiter Fokus ist die Entwicklung von PCs für den High-end-Markt. Lobster fertigt daneben aber auch redundante File-Server-Systeme, die wie die 19-Zoll-Geräte unter eigenem Namen vermarktet werden.

Lag der Umsatz des Stammhauses 1996/97 bei etwas über zwölf Millionen Mark, sind für das laufende Geschäftsjahr 16 Millionen anvisiert. 25 Millionen Mark sollen es 1998/99 sein. Von Troschke rechnet auch nach dem Börsengang nicht mit einem Quantensprung auf 50 Millionen: "Ich habe überhaupt keine Chance gegen Tech Data oder CHS. Das einzige, was Sinn macht, ist, sich eine gewisse Exklusivität zu wahren, ohne zu sehr von einem Hersteller abhängig zu sein. Marktführer in einer Nische zu werden, nur das ist interessant." Bislang einziger deutscher Wettbewerber im Raid-Server-Segment ist denn auch ICP-Vortex.

Ausbau der indirekten Vertriebskanäle

Diese Marktposition weiter auszubauen, vor allem aber das 45 Mitarbeiter zählende Unternehmen wieder in die schwarzen Zahlen zu führen, soll nun im Anschluß an den Börsengang oberste Priorität haben. Vorrangige Aufgabe ist zunächst der weitere Ausbau des indirekten Vertriebskanals. Der Vertrieb von Komplettlösungen läuft bei Lobster Computer Concept schon jetzt ausschließlich via Fachhandel, beispielsweise über die Berliner Firmen Völker Informatik und Micado. Von Troschke beklagt allerdings, daß sich die Verkäufe noch zu sehr auf Berlin konzentrieren. Der Aufbau einer deutschlandweiten Vertriebsorganisation für Mention steht dagegen kurz vor dem Abschluß. Zusätzlich zum Direktvertrieb wurden Standorte in Hamburg, Düsseldorf, Köln, Frankfurt, Stuttgart und München eingerichtet. Handicap dabei: Auf dem leergefegten DV-Stellenmarkt sind im Moment Vertriebskräfte mit betriebswirtschaftlichem und technischem Know-how kaum zu finden. In der zweiten Jahreshälfte soll außerdem der Startschuß für den ausländischen Vertrieb fallen. England und Frankreich sind die ersten.

Berlin ist ein schwieriges IT-Pflaster

Mehr als unzufrieden zeigt sich der Firmenchef auch über die Entwicklung des Geschäfts in Ostdeutschland: "In unseren Umsätzen existiert Rostock einfach nicht. Uns im High-end-Bereich trifft es aber noch einmal ganz speziell." Und: "Ich weiß nicht, was die kaufen; ich weiß nicht, wo die kaufen. Das Geschäft im Osten läuft unglaublich zäh." Doch auch in Berlin fliegen die gebratenen Tauben nicht so einfach ins Maul: "Wir verstehen uns nicht als lokale Größe. Berlin ist nach wie vor ein schwieriger IT-Standort", resümiert der gebürtige Münchner. (god)

Postmodernes Gebäude-Karree des Stararchitekten Aldo Rossi in

Berlin Mitte - in Kürze auch neues Lobster-Domizil.

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