Lösungen jenseits von IBM und Bea

12.07.2001
Wie bereits in der ComputerPartner-Ausgabe 24/01 (Seite 24) berichtet, wird der Markt für Web-Anwendungsserver (Application-Server) derzeitige ganz klar von IBM und Bea beherrscht. Doch es tummeln sich auch kleinere Anbieter auf diesem Gebiet, etwa Silverstream und Iona.

Xtend" nennt sich die Produktfamilie der Silverstream Software Inc., und es handelt sich dabei um eine Infrastruktur, die den Unternehmen serviceorientierte und Web-basierende Anwendungen bereitstellen soll. Das Ganze könnte man auch als Applikations-Server bezeichnen, und damit stünde Xtend in einer Reihe mit IBMs "Websphere" und Beas "Weblogic".

Zwar geben die zwei letztgenannten Anbieter mit europaweiten Anteilen von 20,1 beziehungsweise 23,5 Prozent im Application-Server-Markt klar den Ton an, aber dass auch ein Softwarehersteller wie Silverstream dort nicht gleich auf verlorenem Posten steht, belegt dessen Referenzkundenliste. Immerhin wurden bereits mehrere Unternehmen für die Xtend-Plattform gewonnen, darunter etwa die Schweizer Post und die Zürich Versicherung.

Nachdem Silverstrem sich bis dato vorwiegend selbst um seine Kunden bemühte, will man nun vom Direktgeschäft abkommen und sucht nach geeigneten IT-Dienstleistern. "Bei einem größeren Projekt können unsere Partner auch schon mal einen Dienstleistungsumsatz von 500.000 Mark und mehr erwirtschaften", gibt Rudolf Geiger, Geschäftsführer der Silverstream Soft- ware GmbH, Systemintegratoren die Marschrichtung vor. Damit über- steigen die Ausgaben des Kunden für Service die reinen Lizenzkos-ten um fast das Doppelte.

Doch laut Geiger lohnt sich diese Investition für den Kunden - er erhalte ja mit Xtend Framework die Möglichkeit, eine vollständig vernetzte Geschäftsumgebung bei sich zu realisieren. Das ginge dann vom Beschaffungsvorgang über die Steuerung aller Produktionsprozesse bis zur Auslieferung des fertigen Produkts - alles könnte man dann vom Web-Browser aus machen. Möglich machen soll dies Silverstreams strikte Ausrichtung auf Industriestandards wie Java und XML.

So ist die Integrationslösung des Anbieters eigenen Angaben zufolge jederzeit mit den bei Kunden gewachsenen Strukturen und Technologien kombinierbar. Vorausge- setzt natürlich, all die bereits vorhandenen Lösungen gehorchen offenen Standards wie UDDI (Universal Description, Discovery and Integration), Soap (Simple Object Process Protocol) oder EBXML (Electronic Business Extensible Markup Language).

Doch bis dato verfügen mehr als 80 Prozent der unternehmenskritischen Anwendungen über keine derartige Schnittstelle zum Internet. Erst wenn diese vorhanden ist, kommen so genannte Web-Services ins Spiel. Silverstream definiert diese als zentrale XML-basierende Schaltstellen zwischen den unterschiedlichen firmeninternen Anwendungen (siehe Abbildung: Definition eines Web-Services). Dann kann der Anwender theoretisch über alle möglichen Zugangsarten wie Web-Browser am PC, Handy oder Organizer auf alle Daten und Anwendungen in der Unternehmenszentrale zugreifen.

Branchenorientierung unabdingbar

Was die Lösung von Silverstream besonders sympathisch macht, ist die Tatsache, dass der Kunde keinesfalls das komplette Produktportfolio erwerben muss, er kann weiterhin seinen J2EE-basierenden (Java 2 Enterprise Edition) Application-Server von IBM (Websphere) oder Bea (Weblogic) nutzen. Und genau hier kommt nun der Systemintegrator ins Spiel. Zwar gestaltet sich die technische Anbindung mit Hilfe des Java-Standards relativ einfach, doch zuvor müssen beim Kunden die gesamten Workflow-Prozesse definiert werden.

Deshalb sollten potenzielle Partner über die vom Softwarehersteller angepeilten Branchen schon Bescheid wissen. Folgende Bereiche zählen bis dato zu den Zielmärkten von Silverstream: Versicherungen, Banken, Telekommunikationsunternehmen, Energieversorger und die Pharmaindustrie.

Vor allem in der letztgenannten Branchen hat sich Xtend Framework bereits gut etablieren können. So ist das Pforzheimer Sys-temhaus Inovex seit zwei Jahren bei der Münchener Bristol-Myers-Squibb-Niederlassung zugange und führt dort ein größeres Projekt durch: "Wir sind dort so erfolgreich, dass Silverstreams Plattform wahrscheinlich auch auf die anderen Zweigstellen des Pharmariesen ausgedehnt wird", prognostiziert Inovex-Geschäftsführer Stefan Müller.

Für ihn ist Xtend Framework den Applikationsservern von IBM und Bea insoweit überlegen, als die Silverstream-Lösung wie aus einem Guss wirkt: "Websphere und Weblogic wurden hingegen nach und nach entwickelt und erst nachher zu einem Produkt zusammengefasst."

Außerdem hat es Müller die modulare Bauweise von Xtend angetan: "Damit können wir Kundenwünsche nach neuen Funktionen auch bei laufendem Betrieb erfüllen. Durch Silverstreams 100-prozentige Ausrichtung auf die Java-Technologie ist ferner der Integrationsaufwand wesentlich geringer als bei IBM oder Bea", wirbt der Inovex-Geschäftsführer weiter für Xtend als Application-Server-Plattform. Und: "Das Customizing geht wesentlich leichter von Hand als bei den Konkurrenzprodukten."

Eher als Anbieter von EAI-Lösungen (Enterprise Application Integ-ration) denn als Hersteller von Applikationsservern sieht sich die irische Iona Technologies. Nichtsdestotrotz konkurriert sie natürlich auf diesem Feld mit IBM und Bea, behauptet aber, noch vor diesen Mitspielern eine Lösung entwickelt zu haben, die eine "komplette und umfassende Integration aller E-Business-Anwendungen auf einer Plattform" gewährleistet.

Die Iona-Lösung, vom Hersteller selbst als "Plattform zur totalen Business-Integration" benannt, besteht ähnlich wie bei Silverstream aus mehreren Komponenten. Auf der diesjährigen Java-One-Konferenz gab nun Iona die Verfügbarkeit einer neuen Version des "Enterprise Integrators" bekannt, einer vollständig auf den Standards J2EE und XML beruhende EAI-Lösung.

Mit dieser soll der Kunde in die Lage versetzt werden, seine Standardanwendungen aus dem ERP- und CRM-Bereich, etwa von SAP, Siebel oder Peoplesoft, mit Spezialapplikationen zu integrieren. Aber auch völlig neue Geschäftsprozesse wie elektronische Marktplätze, Lieferketten-Automatisierung (Supply Chain Automation) oder heute noch unbekannte Web-Services sollen sich dann unter diesem Dach vereinigen können.

Dabei kombiniert der Enterprise-Integrator eine skalierbare Java-Message-Services (JMS)-Infrastruk- tur mit einer grafischen Bedienoberfläche, ferner mit einer Routine zur Automatisierung von Geschäftsprozessen sowie mit einem XML-Integrations-Broker. Nebenbei enthält die Software Schnittstellen zu den gängigsten Anwendungen, Datenbanken und Techno- logiestandards.

Das Kernstück der Iona-Plattform bildet der "Iportal" genannte Application-Server. Mittlerweile bei der Versionsnummer 3.0 angelangt, basiert dieser ebenfalls auf dem J2EE-Standard. Gegenüber dem Vorgängermodell zeichnet sich der Iportal 3.0 durch Unterstützung von zusätzlichen Standards und Technologien aus. Alle internen und externen, auf dem Datenaustauschfor- mat XML beruhenden Web-Services lassen sich nun von Ionas Applikationsserver ansprechen.

Aber auch alle bestehenden, in C++, Java, C#, Cobol und PL/1 für Windows, Unix oder Mainframe-Plattformen geschriebenen Anwendungen können mit Applikationen auf der J2E-Plattform zusammenarbeiten. Softwareingenieuren bietet Iona seine "Forte for Java" genannte Entwicklungsumgebung an. Hiermit lassen sich auch die neu entworfenen Web-Services ausführlich testen.

Als einziger Applikationsserver unterstützt der Iportal auch noch IBMs Großrechnerfamilie OS/390. Hierfür steht ein spezielles Modul mitsamt den notwendigen Schnittstellen parat. Sowohl Iportal als auch der Enterprise Integrator arbeiten auf den Windows-Server-Plattformen NT und 2000 sowie unter HP-UX, Sun Solaris, IBM AIX und Compaqs Tru64.

Eine Vollversion des Applikationsservers schlägt mit 2.500 Dollar pro CPU zu Buche, Entwickler müssen nur 1.500 Dollar bezahlen, und ISVs (Independent Software- Vendors) erhalten eine Runtime-Version sogar frei Haus. Wer sich die Software lediglich mieten möchte, kommt mit monatlichen Abogebühren von knapp 500 Dollar aus. (rw)

www.iona.com

www.silverstream.com

www.ebxml.org

www.develop.com/soap

www.uddi.org

ComputerPartner-Meinung:

Es muss nicht immer Websphere oder Weblogic sein, auch jenseits der marktführenden Applikationsserver von IBM und Bea gibt es Lösungen, die erstens bezahlbar sind und zweitens von Systemintegratoren in einem überschaubaren Zeitrahmen beim Kunden installiert werden können. Hierbei gilt es, vor allem die Systeme von Silverstream und Iona hervorzuheben - umso mehr, als beide Anbieter nun verstärkt auf den indirekten Vertrieb setzen. (rw)

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