Loyalitätsverlust, Monti und Boykott: die wahren Gründe für den Preisverfall

24.07.2003
Die Druckerhersteller schlachten ihre heilige Kuh: HP, Lexmark, Brother & Co. wetteifern derzeit, wer Tinte, Toner und Zubehör am billigsten anbieten kann. Begründet wird der Preisverfall mit dem starken Euro. Tatsächlich steckt noch mehr dahinter: Der Kunde will die teuren Patronen nicht mehr bezahlen, der Fachhändler sie nicht mehr verkaufen, und EU-Kommissar Monti arbeitet an einer Öffnung des Marktes für Refill-Anbieter.

Die Entwicklung begann schleichend, inzwischen ist sie nicht mehr aufzuhalten: Immer mehr Druckerhersteller senken ihre Verbrauchsmaterialpreise. Vorreiter im deutschen Markt war Brother: Der Hersteller verkündete bereits im Mai, dass seine Kunden künftig bis zu zwölf Prozent weniger für Tinte, Toner und Trommeln bezahlen müssen. Begründung: Man wolle den Kunden durch die Preissenkung animieren, wieder mehr Originalzubehör zu kaufen. Man sei sich sicher, dass es sich bei den neuen, niedrigeren Preisen nicht mehr lohnt, "seine verlängerte Garantie durch den Einsatz von Billigkopien zu gefährden".

Konkurrent Lexmark geht sogar juristisch gegen einen der so genannten Refill-Anbieter vor: Anfang 2003 reichte das Unternehmen in den USA Klage gegen die Firma Static Control ein. Die vertreibt neben wiederaufbereiteten Tonerkartuschen auch einen Chip, der Kontrollsysteme bei Lexmark-Druckern umgeht und so erst die Nutzung der Billigprodukte ermöglicht. Das Urteil steht noch aus, man erwartet aber in jedem Fall massive Auswirkungen auf die gesamte Druckerindustrie.

Weitreichende Folgen dürfte auch eine laufende Untersuchung der EU haben. EU-Wettbewerbskommissar Mario Monti prüft seit 2002 das Preisgebaren der Druckerhersteller und meldet die "kartellrechtlichen Bedenken" nicht nur wegen der beherrschenden Stellung einiger Unternehmen an, sondern auch wegen der technischen Tricks, mit denen die Markenhersteller die Benutzung von Billigpatronen verhindern wollen. Wenn es nach ihm geht, haben die Refill-Anbieter bald freie Fahrt.

Die Druckerhersteller reagieren äußerst nervös auf die neue Bedrohung. Denn die Refill-Anbieter haben sich in den letzten Jahren - trotz aller Gegenmaßnahmen - zu einem echten Problem für die Markenhersteller entwickelt. Vor allem im Tintenstrahlersegment greifen die Verbraucher völlig unbeeindruckt von angeblichen Qualitätsmängeln immer öfter zu den günstigen Patronen. Denn die Schreckensszenarien haben längst ihre Wirkung verloren: Wer interessiert sich denn noch für mögliche Reparaturkosten, solange zwei Original-Druckerpatronen genauso viel kosten wie ein neuer Drucker?

Preisverfall zum Wohl des Händlers?

Selbst der Fachhandel wird langsam bockig, die Partner stellen die Loyalität gegenüber ihrem Hersteller auf den Prüfstand: "An der Hardware ist kaum noch etwas zu verdienen, das Verbrauchsmaterial wird vor allem über Retail-Märkte verkauft. Die großen Gewinne streicht der Hersteller ein, doch der Kunde steht im Zweifelsfall bei mir im Laden und meckert", so das frustrierte Fazit. Die aufgestaute Wut über "eine nicht nachvollziehbare Preispolitik" wirkt sich auf das Geschäft aus. Und weil viele No-Names auch noch besser sind als ihr Ruf - wie ihnen die Stiftung Warentest bescheinigt -, empfiehlt sogar der Fachmann hinter vorgehaltener Hand immer öfter die billige Alternative.

Die schwindende Loyalität der Partner ist den Herstellern nicht entgangen. Und so betonen die meisten bei dem aktuellen Preiskampf nicht nur den Nutzen für den Kunden, sondern auch die angeblichen Vorteile für den Channel. So bietet Lexmark die Verbrauchsmaterialien für die neue Z- und X-Tintenstrahldruckerserie um durchschnittlich zehn Prozent, die für Fotodrucker der neuen P-Serie sogar um bis zu 46 Prozent billiger an. Allerdings nicht auf Kosten der Partner, wie Matthias Militzer, Leiter der Consumer Printing Division, vorausschickt: "Die Marge für den Fachhandel bleibt." Und: "Wir bieten unseren Händlern unverändert gute Konditionen an, mit denen sie auch im Vergleich zum Retail wettbewerbsfähig sind."

Auch bei Xerox hat man das Wohl der eigenen Händler im Sinn. Hier purzeln die Preise für Supplies wie Toner, Festtinte und Farbdruckpapier um durchschnittlich 15 Prozent, und zwar nicht nur in Deutschland, sondern europaweit. Begründung: Zum einen gebe man Vorteile aus der Kursschwankung zwischen Euro und Dollar weiter, zum anderen wolle man den Fachhandel wirkungsvoll vor Grauimporten aus dem nichteuropäischen Ausland schützen: "Durch die Preisreduzierung schützt Xerox das Umsatzpotenzial seiner Fachhändler. Sie können diesen Vorteil direkt an ihre Kunden weitergeben", betont Stephen Flint, European Consumables Marketing-Manager bei Xerox.

Es gibt keinen Weg zurück

Marktführer HP begründet seine Preissenkung (bis zu 8,5 Prozent) eher pragmatisch: Grund für die Reduzierung ist laut Ralf Groh, Direktor Zubehör HP Deutschland, ausschließlich der starke Euro. Wie Groh betont, habe man schon in den vergangenen zwölf Monaten drei entsprechende Preissenkungen umgesetzt und das Plus aus der Euro-Entwicklung an die Kunden weitergegeben. "Das heißt allerdings auch, dass wir eine eventuelle Negativentwicklung mit einer Preiserhöhung auffangen müssten", so der Manager.

Wie auch immer die Hersteller die Initiative begründen, der Schritt zurück dürfte allen sehr schwer fallen: Trotz aller Trends und Designspielchen sind echte technische Innovationen, mit denen man den Kunden zum Kauf eines neuen Druckers verleiten könnte, nicht in Sicht. An der Hardware-Preisspirale kann in den meisten Segmenten auch nicht mehr gedreht werden, ohne den Markt vollständig zu ruinieren. Es kann nur gewinnen, wer dauerhaft ein vernünftiges Preis-Leistungs-Verhältnis bei Tinte & Co bietet.

Zumal sich jetzt auch noch der Widerstand gegen die bisherigen Wucherpreise organisiert: In den Niederlanden hat eine 620.000 Mitglieder starke Verbraucherorganisation zum Boykott von Epson aufgerufen. Nach einem Bericht des "Spiegel" wollen die Mitglieder von "Consumentenbond" die Produkte des Herstellers meiden. Stein des Anstoßes ist der "Intel-lidge"-Chip, der laut Epson den Druckerkopf vor dem Austrocknen bewahrt und den Drucker allerdings auch lahm legt, wenn das Tintenreservoir knapp wird. Verbraucherschützer wollen nun herausgefunden haben, dass die Technologie vor allem eins bewirkt: Der Drucker verlangt bereits nach neuen Patronen, obwohl die alten noch ausreichend gefüllt sind.

www.hewlett-packard.de

www.lexmark.de

www.xerox.de

www.epson.de

www.brother.de

ComputerPartner-Meinung

Gelogen hat keiner der Druckerhersteller bei seiner Begründung: Sie geben das Euro-Plus weiter, verbessern das Preis-Leistungs-Verhältnis und geben dem Handel einen Vorteil in die Hand. Die Frage, die unbeantwortet bleibt, ist: Warum tun die Hersteller das? Sie tun es, weil der Kunde das Spiel durchschaut hat, der Handel keine Lust auf Loyalität hat, die nichts bringt, und Mario Monti den Markt noch schlimmer aufmischen dürfte, als es Dell vermutlich tun wird. Insofern kann man auch davon ausgehen, dass der aktuelle Zubehör-Preisverfall erst der Anfang einer Entwicklung ist, wie man sie im Hardwarebereich bereits erlebt hat. (mf)

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