LTO- oder DLT-Laufwerke - wer macht das Rennen?

30.11.2000
Jahrelang hat Quantum den Midrange-Bandspeichermarkt dominiert. Nach Vorstellung von IBM, Hewlett-Packard und Seagate soll sich das jedoch ändern. Die von ihnen entwickelten LTO-Bandlaufwerke sind jetzt verfügbar.

Nach zuletzt deutlichen Umsatzrückgängen steigt die Nachfrage im Bandspeichermarkt seit Mitte dieses Jahres wieder deutlich an. Ein Wachstum von knapp 20 Prozent bei den Stückzahlen und sogar fast 25 Prozent beim Umsatz prognostizieren die IDC-Marktforscher für das Jahr 2000 - Tendenz steigend. Dennoch - trotz vielversprechender Aussichten herrscht bei den Laufwerksherstellern zurzeit alles andere als "business as usual". Dramatischen Umsatzrückgängen bei Laufwerken für das klassische Desktop-Segment stehen kräftige Zuwachsraten im Bereich von PC-Servern und Workstations sowie im Library-Umfeld gegenüber.

LTO bringt Leistungsexplosion

Zum bevorzugten Tummelplatz der Laufwerksanbieter hat sich das vielversprechende Midrange-Segment entwickelt. Im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit steht das von IBM, Hewlett-Packard und Seagate gemeinsam entwickelte neue Bandaufzeichnungsformat "Linear Tape Open" (LTO). Nach Ansicht vieler Marktbeobachter hat die LTO-Technologie die besten Chancen, Quantums Dominanz mit der Digital-Linear-Tape-Technologie (DLT) zu gefährden. Die hohen Erwartungen basieren auf zwei Faktoren:

Bei LTO handelt es sich um einen "offenen" Standard, das heißt jedes interessierte Unternehmen kann gegen Zahlung einer Lizenzgebühr LTO-kompatible Laufwerke und Medien produzieren.

Die Leistungswerte von LTO-Ultrium-Laufwerken übertreffen mit einer Kapazität von 100 GB (unkomprimiert) und einer Transferrate von bis zu 15 MB/s die Leistungswerte gegenwärtiger DLT-8000-Laufwerke (40 GB, 6 MB/s ) um das 2,5-fache.

Viel mehr Speicher für etwas mehr Geld

Eine mehr als verdoppelte Speicherkapazität und Backup-Leistung zu einem Preis, der gerade einmal um etwa 30 Prozent über dem von aktuellen DLT-Laufwerken liegt. Ein preisaggressives Angebot, das nach Ansicht von Dietmar Wendt, Vice President Storage Systems EMEA bei IBM, insbesondere Kunden wie Medien- und E-Business-Unternehmen überzeugen wird. "Medienkonzerne benötigen beispielsweise qualifizierte Methoden, um ihr Filmmaterial zu archivieren und ihre Videoarchive zu digitalisieren. LTO automatisiert die Suche und das Abrufen von Video- und Filminhalten."

Besonders geeignet sind LTO-Produkte deshalb für den Gebrauch in automatisierten Bandspeicher-Bibliotheken, sogenannten Tape Libraries. Angesichts der steigenden Nachfrage nach Libraries kann sich die Eignung für den Robotereinsatz zu einem Schlüsselfaktor entwickeln. Entsprechend massiv werden die führenden Library-Hersteller StorageTek, ADIC, Overland Data und ATL von den Bandlaufwerksherstellern umworben. Bisher ohne durchschlagenden Erfolg, denn diese möchten ihr Schicksal verständlicherweise nicht fest mit einer der konkurrierenden Bandtechnologien verknüpfen. In einer Zwickmühle befindet sich LTO-Mitinitiator Hewlett-Packard, inzwischen selbst ein führender Library-Hersteller. Vorsichtshalber setzt man auch hier auf die Marktmechanismen von Angebot und Nachfrage. "Neben LTO-Libraries werden wir wie in der Vergangenheit auch zukünftig Bandbibliotheken mit DLT-Laufwerken anbieten", hält sich Stephan Kugele, zuständiger Produkt-Manager bei Hewlett-Packard, alle Türen offen.

Quantums Geheimwaffe heißt "Super DLT"

Völlig kampflos möchte Quantum seine Spitzenposition im Midrange-Segment verständlicherweise nicht abgeben. Unter dem Motto "Standard-Erneuerung statt neuer Standard" steht die Anzeigenkampagne, mit der der Marktführer derzeit um das Vertrauen potentieller Kunden wirbt. Ganz offensichtlich im Zeitverzug gegenüber der LTO-Allianz kündigt Quantum darin für Anfang Dezember die offizielle Produktvorstellung des DLT-8000-Nachfolgemodells mit dem Namen "Super DLT" an. Versehen mit ähnlichen Leistungsdaten wie LTO soll Super DLT nach Vorstellung der Quantum-Verantwortlichen die Tradition der DLT-Technologie als de-facto-Standard kontinuierlich fortführen.

Während über den Zeitpunkt der Verfügbarkeit der Super-DLT-Laufwerke noch spekuliert wird, durften führende Library-Hersteller die Geheimwaffe zumindest schon einmal testen. Mit erfolgreichem Resultat, wenn man Steve Richardson, Vice President Marketing bei Overland Data, glauben darf. "Wir waren seit Beginn der Entwicklungsphase an Produkttests beteiligt. Wir kennen die zukünftige Super DLT-Generation und wissen, dass sie sich bestens in unsere Automatisierungslösungen einfügen wird."

Viele Anzeichen deuten darauf hin, dass im Midrange-Bandspeichermarkt ein Kampf mit harten Bandagen bevorsteht: Die Antwort auf die Frage, welches Kriterium bei dann annähernd gleicher Leistung von LTO und Super DLT für die Kaufentscheidung des Kunden letztendlich entscheidend sein wird, ist ungewiss: der offene Multivendor-Standard von LTO mit seiner hohen Investitionssicherheit, oder die Abwärtskompatibilität von Super DLT zu den bei vielen Kunden bereits vorhandenen DLT-Bandarchiven. (sd)

www.hewlett-packard.de

www.ibm.de

www.seagate.com

www.lto-technology.com www.quantum.com

www.dlttape.com

Hintergrundinformationen

Linear Tape Open

Um den speziellen, teilweise sogar konträren Anforderungen der Anwender gerecht zu werden, beinhaltet der LTO-Standard die zwei unterschiedlichen Formate "Ultrium" und "Accelis".

Das LTO-Ultrium-Format mit hoher Speicherkapazität basiert auf einer Einzelspule und wurde für die Sicherung, Wiederherstellung und Archivierung von umfangreichen Datenbeständen entwickelt. Das Halb-Zoll-Ultrium-Format erlaubt die Entwicklung von Produkten mit einer Kapazität von bis zu 100 GB (unkomprimiert) und ermöglicht Transferraten von 15 bis 30 MB/s.

Beim LTO-Accelis-Format steht die schnelle Zugriffszeit im Vordergrund. Das Format benutzt zweispulige Bänder und soll zunächst eine Speicherkapazität von 50 GB (komprimiert) bei Transferraten zwischen 20 und 40 MB/s bieten. Angestrebt wird eine Suchzeit von weniger als zehn Sekunden. Der Bandmechanismus und die Cartridge-Spezifikation für beide Formate können von interessierten Firmen lizenziert werden. Nach Angaben des zuständigen LTO-Forums haben mittlerweile rund 30 Unternehmen Lizenzverträge unterzeichnet.

Während das Ultrium-Format in der Industrie auf großes Interesse stößt, findet das Accelis-Format bisher wenig Resonanz. Hewlett-Packard und Seagate planen nach eigenen Angaben derzeit keine Accelis-Aktivitäten. Einzig bei IBM denkt man darüber nach, im Enterprise-Bereich seine aktuellen Magstar-Laufwerke schrittweise durch Accelis-Produkte zu ersetzen. Erste Accelis-Laufwerke werden nach Einschätzung von Marktbeobachtern allerdings frühestens parallel zur zweiten Generation von Ultrium-Laufwerken verfügbar sein. (sd)

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