Luftblase Dotcom?

31.05.2001
Warum der Niedergang so offensichtlich scheint

Als wenn die Computerwelt darauf gewartet hätte, outete sich Bill Gates wieder einmal als Prophet der Neuzeit. Nicht der IT-Boom ist am Ende angelangt, sondern die so genannte New Economy. So ähnlich soll es der Meister des Neukapitalismus beschrieben haben. Tatsächlich, eine Dotcom-Krise herrscht nur bei den Unternehmen, die dachten, eine Homepage mit E-Mail-Adresse macht jeden binnen Jahresfrist zum Multimilliardär. Solche Nebensächlichkeiten wie Angebot und Nachfrage, Haushaltseinkommen und Bruttosozialprodukt wurden genauso verdrängt wie die stotternde Verfügbarkeit des Internet überhaupt. Wenn ich für die Onlinebestellung eines simplen T-Shirts vierzig Minuten benötige, und das bei einem Versender, der zu den Unternehmen mit den höchsten Onlineverkäufen hierzulande gehört und von einem der führenden Webshop-Provider gepowert wird, dann ist das IT-Steinzeit. Was ein Medium von einem Marktplatz unterscheidet, sollten die IT-Götter eigener Gnaden schnellstmöglich lernen. Seit wann gibt es das Telefon und den Telefonverkauf, Fernsehen und TV-Shops, Zeitungen und Versandhäuser? Eine gewisse Zeit liegt immer zwischen der Etablierung eines Mediums, was zur Erinnerung für promovierte Neu-BWLer mit Vermittler übersetzt werden kann, und dessen Nutzung als Ertragsmittel. Werben im Internet ist fraglos cool, trifft den Zeitgeist und ist produktabhängig sogar verkaufsunterstützend. Aber verkaufen im Internet ist eine ganz andere Geschichte. Und nun kommt die gute alte Erkenntnis der Wirtschaftskunde Sekundarstufe zwei ins Spiel. Neben all dem theoretischen Neusoz- und Neweco-Geplapper braucht es immer noch den Kunden für ein Geschäft. Der entscheidet, ob er ins Web oder in den Laden geht. Er entscheidet über billigst oder gut. Den Profit sollten die Newbizzies während ihrer "Tour de IT" nicht vergessen. Haben die Anleger ihre Kohle zu oft nur in Marktbereinigung investiert, werden sie gegenüber Exstudenten mit nicht mehr als unausgereifter Theorie im Rucksack bestimmt zurückhaltender. Derzeit wirken nur Sexual- und Spieltrieb auf den potenziellen Webkunden. Aus welchen Gründen ein Erotikversand erfolgreich ist und ein Obsthändler eben nicht, sollte ab und zu überdacht werden. Mittelstand, Handwerk und Einzelhandel sind derzeit im Web chancenlos. Gottschalk und die gelbe Gefahr haben vollkommen recht, wenn sie auf Logistik setzen, obwohl ich denke, dass die Werbespots zu 98 Prozent das Gehirn designierter Webklienten schadlos durchqueren. Willkommen zurück in der Realität der Marktwirtschaft, ihr Dotcoms.

Mein Fazit: Wenn A haben will, was B anbietet, kommt es im besten Fall zu einem Geschäft. Alles andere sollte daraus folgen, nicht umgekehrt.

Bis demnächst, Euer Querschläger!

Der ComputerPartner-Autor "Querschläger" ist ein Fachhändler aus Rheinland-Pfalz.

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