m+s Elektronik AG

30.09.1999

Herrn Hans-Ulrich Mahr Nordring 55-57

63843 Niedernberg

München, 27.09.1999

Sehr geehrter Herr Mahr,

als ich kürzlich wegen eines Staus auf der A3 zwischen Frankfurt und Würzburg einen Umweg über die B 469 nahm, kam ich an Ihrem neuen 30 Millionen Mark teuren Logistik-Center in Niedernberg vorbei und war schwer beeindruckt. Sieht richtig imposant aus, alles was recht ist. Habe sofort ein paar Fotos geschossen, eins davon lege ich diesem Brief bei.

Weniger beeindruckt von m+s sind dagegen wohl die Leute draußen im Lande, die die 9,6 Millionen m+s-Aktien kaufen und dem Unternehmen beziehungsweise den Altaktionären damit gut 180 Millionen Euro in die Kasse spülen sollten. Weil offenkundig die Dresdner-Bank-Tochter BdW, die 48 Prozent der Anteile hält und im Zuge des Börsengangs ihr Engagement auf acht Prozent reduzieren wollte, keine Lust hat, ein gutes Produkt (das Unternehmen m+s) unter Wert zu verkaufen, haben Sie den für den 29. September vorgesehenen Börsengang am Neuen Markt abgeblasen beziehungsweise verschoben. Absolut nachvollziehbar, diese Entscheidung. Schade nur um das viele Geld, das Sie bereits zur Vorbereitung des Börsengangs investiert haben. Von bis zu 1,5 Millionen Mark ist die Rede.

Mit dem Verschieben ist es aber so eine Sache. Denn nachdem viele Anleger in kurzer Zeit viel Geld verloren haben, ist die Stimmung am Neuen Markt derzeit schlecht. Das Wort "Krise" macht die Runde. Und es gibt keine Anzeichen für eine Klimaverbesserung. Dennoch versichern Experten, daß die Anleger auch in dieser schwierigen Zeit am Neuen Markt Geld verdienen können, wenn sie auf die richtigen Werte setzen. "Die große Rätselfrage ist nur", schreibt das "Handelsblatt" absolut zutreffend, "welche Werte sind das?"

Hier werden nach meiner Überzeugung die Systemhäuser von den Sünden der Vergangenheit eingeholt. Sie haben nämlich viel zu spät damit begonnen, dem Markt zu kommunizieren, was sie eigentlich genau tun und warum sie keineswegs die "Hinsteller" der Hersteller sind, sondern ein unverzichtbarer und an Bedeutung noch gewinnender Faktor im Markt.

Eines der wesentlichen Probleme der Systemhäuser besteht sicher darin, daß sie in den Augen der Anleger nicht "sexy" genug sind. Vor allem aus dem Grund, weil sie in der Regel keine eigenen Produkte haben, die man sehen und anfassen kann und welche die Phantasie der Anleger beflügeln. Diesen Einwänden kann man nur offensiv begegnen. Etwa so: "Gott sei Dank haben wir keine Produkte, denn damit laufen wir nicht Gefahr, daß diese schon morgen von einem Konkurrenten in Korea, Taiwan oder auf den Philippinen billiger hergestellt werden. Wir haben etwas viel Besseres als Produkte: Wir haben das Know-how, das Engagement und die Freundlichkeit unserer Mitarbeiter. Und weil das Klonen von Menschen verboten ist, läßt sich diese Leistung viel schwieriger kopieren als ein Stück Hard- oder Software."

Diese Botschaft, meine ich, müssen die Systemhäuser rüberbringen. Mag sein, daß es eine Weile dauert, bis die

Anleger das verstanden haben, aber irgendwann wird der Groschen fallen.

Mit freundlichen Grüßen

Damian Sicking

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