Was IT-Dienstleister beachten sollten

Merger und Akquisitionen im Systemhaus-Markt

Regina Böckle durchforstet den Markt nach Themen, die für Systemhäuser und Service Provider relevant sind - oder es werden könnten - und entwickelt dazu passende Event-Formate.
Immer kürzere Innovationszyklen gepaart mit Fachkräftemangel setzen auch IT-Dienstleister unter Druck. Die Neuausrichtung der Firmenstrategie, ein Investor oder auch Verstärkung durch Zukäufe kann eine mögliche Lösung sein. Was dabei zu beachten ist, erläutert match.IT-Geschäftsführer Ralf Heib im Interview.

ChannelPartner: Sie unterstützen seit vielen Jahren IT-Dienstleister, die Unternehmen zukaufen oder auch ihr eigenes Unternehmen verkaufen möchten. Weshalb erwägen in den vergangen Jahren so viele Systemhäuser diesen Schritt?

Ralf Heib: Dominierende Marktplayer wie etwa Bechtle, DATAGROUP oder Cancom unter den Systemhäusern bzw. unter den SAP-Dienstleistern itelligence, all for one steeb, msg oder Allgeier haben in den letzten Jahren ihre Marktpositionen konsequent durch Zukäufe gestärkt. Diesem Zukauftrend kommt entgegen, dass gerade viele Eigentümer mittelständischer IT-Firmen auf der Suche nach Nachfolgern und Investoren sind. Die Eigentümer der in den 80er und 90er Jahren gegründeten IT-KMU denken jetzt als Best-Ager über Exit-Szenarien nach.

ChannelPartner: Ist der Markt Ihrer Erfahrung nach aktuell eher ein Käufer- oder Verkäufermarkt? Wonach gibt es die größte Nachfrage?

Ralf Heib, Geschäftsführer der match.IT GmbH
Ralf Heib, Geschäftsführer der match.IT GmbH
Foto: match.IT

Ralf Heib: Das lässt sich nicht so eindeutig sagen. Wir sehen eine Menge Bewegung auf beiden Seiten. Auf der Verkäuferseite haben wir wie schon ausgeführt zahlreiche Eigentümer, die alleine aufgrund ihres Alters und ihrer Lebensplanung einen Exit suchen.
Zudem stoßen viele kleine und mittelgroße Systemhäuser angesichts immer kürzerer Innovationszyklen an ihre Grenzen und suchen daher starke Partner und Investoren.
Aber auch auf der Käuferseite gibt es zahlreiche Interessenten. Und dies betrifft nicht nur die angesprochenen großen Systemhäuser als klassische Konsolidierer. Zunehmend sehen wir auch immer mehr branchenfremde Firmen aus dem In- und Ausland auf der Suche nach IT-Firmen, um ihre Digital-Kompetenz gezielt zu erweitern.
Und auch die Finanzinvestoren interessieren sich mittlerweile für IT-Unternehmen.
Thematisch ist die Nachfrage so breit gefächert wie der IT-Markt selbst. Gefragt sind letztendlich IT-Firmen mit einer guten Story und einer überzeugenden Mannschaft. Denn die Investoren kaufen immer die Zukunft und nicht die Vergangenheit eines Unternehmens.

ChannelPartner: Inwiefern beobachten Sie eine Veränderung der gesamten Wertschöpfungskette im IT-Channel?

Ralf Heib: Die Veränderung beginnt damit, dass die Anwendungsunternehmen im Zuge der Digitalisierung ihre IT-Wertschöpfungskette grundlegend hinterfragen und neu ausrichten. Dies umfasst alle Aspekte wie das Recruiting und die Aus- und Weiterbildung der internen IT-Kräfte, das Sourcing aber auch Joint Ventures und Partnerschaften bis hin zu Spin-Offs, strategischen Beteiligungen und ganzen Zukäufen von IT-Firmen.
Für die Player im IT-Channel bedeutet dies, dass sie die Geschäftsmodelle ihrer Kunden und die damit verbundene IT-Wertschöpfung genau verstehen müssen, um ihre Leistungen erfolgreich zu positionieren. Hierzu wird es für mittelständische Systemhäuser auch immer wichtiger, die passende Partnerstrategie zu finden.

ChannelPartner: Unter welchen Voraussetzungen sollte ein IT-Dienstleister die Option eines strategischen Investors ins Auge fassen?

Ralf Heib: Immer dann, wenn aufgrund des steigenden Margendrucks auf klassische IT-Dienstleistungen und stetig wachsenden Investitionsbedarfen bei immer kürzeren Innovationszyklen die eigenen Mittel nicht mehr ausreichen. Oft wird für den digitalen Mittelstand auch der Zugang zum Arbeitsmarkt und zu Finanzierungsmöglichkeiten zum Engpass und zur Wachstumsbremse gleichermaßen.
Aus diesen Gründen ist eine ganze Reihe bekannter Unternehmen bereits in den letzten Jahren aus dem IT-Markt verschwunden. Hier ist es ratsam, frühzeitig nach einem strategischem Partner Ausschau zu halten, der bereit ist, auch langfristig in das Unternehmen zu investieren.

ChannelPartner: Was sollten IT-Dienstleister, die diesen Weg wählen möchten, bedenken?

Ralf Heib: Das Thema ist natürlich überaus komplex, aber grundsätzlich sollten zwei Optionen in Erwägung gezogen werden: Komplettverkauf oder die Anbindung an einen größeren strategischen Partner bzw. Investor. Letztere Variante bietet den Vorteil, dass ein KMU an ein größeres Unternehmen "andocken" kann, und künftig dessen Infrastruktur und Vertriebswege nutzt, ohne direkt seine mittelständische Flexibilität zu verlieren.
In der Praxis bleibt der Unternehmensgründer meist noch für eine längere Übergangsphase an Bord und kann dann sein Lebenswerk schrittweise als Bestandteil einer größeren Unternehmung in einen sicheren Hafen bringen.

ChannelPartner: Welche Kernfragen sollten beim Unternehmensverkauf geklärt sein?

Ralf Heib: Zunächst einmal die richtige Positionierung des eigenen Unternehmens, das Festlegen des idealen Zielinvestors und die eigene "Story", mit der man an den M&A-Markt geht.
Im Fokus sollte dabei ein überzeugender Business-Plan stehen, der die Story auch in belastbaren Zahlen ausdrückt. Gerade das Beherrschen des eigenen Zahlenwerks ist in der Kommunikation mit den Investoren überaus wichtig.
Und da es sich beim Verkaufsprozess für die meisten Eigentümer um eine so genannte "Once in a lifetime" Aktivität handelt, sollte auch frühzeitig ein Team aus qualifizierten externen Partnern wie Steuerberater und Wirtschaftsprüfer sowie Rechtsanwalt und M&A-Berater mit einbezogen werden.

ChannelPartner: Was sind die Schlüsselfaktoren für eine erfolgreiche Nachfolgeregelung?

Ralf Heib: Idealerweise beginnt eine gute Nachfolgeregelung damit, dass sich der Eigentümer überhaupt frühzeitig mit dieser Fragestellung beschäftigt. Selbst wenn er im eigenen Unternehmen keinen potenziellen Nachfolger sieht, so ist es doch sehr wichtig, eine Organisation aufzubauen, die auch ohne den Chef überlebensfähig und damit dann auch verkaufsfähig ist.
Dies betrifft z.B. den Aufbau eines Middle Managements, von Standards- und Prozessen sowie eines eigenständigen Vertriebs. Darüber hinaus kann man oft auch im Vorfeld einer Transaktion noch den ein oder anderen im Hinblick auf die Verkaufbarkeit kritischen Aspekt in den Bilanz - und Finanzstrukturen bereinigen.
Letztendlich ist es dann entscheidend für den Erfolg der Nachfolgesuche, dass man den Prozess auch konsequent als ein Projekt aufsetzt und durchführt. Dazu gehören die Strategie- und Suchphase, die eigentliche Verhandlungsphase und letztendlich auch die sehr wichtige Phase der Integration.

ChannelPartner: Welche Risiken können sich im Zuge eines Unternehmensverkaufs ergeben?

Ralf Heib: Risiken bestehen immer, diese möglichst gering zu halten, sollte man sich einen geeigneten Beratungspartner suchen, der das IT-Umfeld gut kennt und zudem die M&A-Prozesse beherrscht. Weniger risikobehaftet ist sicherlich ein vergleichsweise sanfter Übergang durch schrittweise Anbindung an einen größeren Partner.
Diese Vorgehen schätzen auch viele Investoren, weil damit das Risiko eines harten Schnitts beim direkten Abgang des Gründers vermieden werden kann. So ist ein wesentliches Ziel bei Transaktionen im IT-Sektor, die bestehende Mannschaft mit ihrer digitalen Kompetenz an Bord zu halten, um dadurch die Kontinuität im Geschäftsablauf zu wahren. Hier kann ein intensives Integrationsmanagement zur Bindung der Mitarbeiter beitragen und variable Preismodelle, ein sogenannter Earn-Out, die noch im Unternehmen verbleibenden Gründer im Sinne der Investoren motivieren.

Das Risiko hängt zudem sehr stark von dem Unternehmen selbst ab. Eine IT-Consulting-Firma hat natürlich andere Risiken als ein IT-Dienstleister, der auch Soft- und Hardware mit im Portfolio hat, vor allem, wenn die Software eigenentwickelt ist.
Auf jeden Fall raten wir immer zu einer vorgelagerten Due Diligence nicht nur der Bilanz- und Ertragszahlen, sondern auch der juristischen Aspekte. Dies beginnt bei den gesellschaftsrechtlichen Dokumenten, beinhaltet die operativen Verträge der Gesellschaft mit Kunden und Lieferanten genauso wie die Überprüfung der gewerblichen Schutzrechte; es ist schon sehr ärgerlich, wenn der Käufer davon ausgeht, dass eine Marke rechtssicher eingetragen ist, aber dann z.B. Verlängerungsfristen übersehen wurden.
Nicht zu vergessen der Bereich des Arbeitsrechtes, wo sich der Käufer die Dienstverträge der Geschäftsleitung ebenso genau ansehen sollte, wie die Arbeitsverträge der Mitarbeiter und ggf. der Freelancer. Dabei ist auch abzuschätzen, inwieweit ein Red-Flag Legal Due Dilligence ausreicht und angemessen ist, um die rechtliche Verkaufsbasis abzusichern. Letztlich bleibt stets ein unternehmerisches Restrisiko, darüber muss man sich immer bewusst sein.

ChannelPartner: Wie sieht es im umgekehrten Falle aus, wenn ein IT-Dienstleister ein Unternehmen zukaufen möchte: Was sind die Kernfragen, die er im Vorfeld klären sollte?

Ralf Heib: Auch für die Investoren selbst wird die Suche nach interessanten Zielunternehmen im IT-Markt immer wettbewerbsintensiver. Hier kann nur ein strategischer Ansatz zum Ziel führen. Das rein opportunistische Warten auf im Markt verfügbare Verkaufsangebote führt nur noch selten zum Erfolg.
Kommt dann ein interessantes Unternehmens-Exposé auf den Schreibtisch, so kann man getrost davon ausgehen, dass parallel noch eine ganze Reihe weiterer Investoren an dem Fall dran sind.
Deshalb bedarf es einer klaren Definition, welche Zielunternehmen im Hinblick auf die eigene Wachstumsstrategie frühzeitig aktiv angesprochen werden sollen und einer überzeugenden Story, die das eigene Unternehmen als idealen Investor für das Zielunternehmen positioniert. Nur so kann man sich als Käufer einen Vorsprung im Rennen um interessante Targets im IT-Markt erarbeiten.

ChannelPartner: Woran scheitern Übernahmen erfahrungsgemäß?

Ralf Heib: Das Scheitern hat vielfältige Ursachen. Wenn es ein Erfolgsrezept für eine erfolgreiche Transaktion gibt, dann ist es: Erfahrung mit vielen Transaktionen. Dazu gehören Erfahrung in den M&A-Prozessen aber auch spezifischen Besonderheiten der IT-Branche. Da auf Verkäuferseite im Regelfalle diese Erfahrung nicht vorhanden ist, sollte man sich diese frühzeitig von extern mit an Bord holen.
In der Praxis des Unternehmensverkaufs ergeben sich ansonsten mitunter ganz banale aber ärgerliche Dinge. So wird des Öfteren einfach vergessen, frühzeitig eine Geheimhaltungsklausel, sprich ein Non Disclosure Agreement, zu unterzeichnen. Aber wer möchte schon gern, dass die Öffentlichkeit oder die noch nichts ahnende Belegschaft von dem geplanten Verkauf erfährt, wenn dieser noch nicht einmal angebahnt ist?

Häufig schätzen Eigentümer auch ihr Unternehmen oft "recht optimistisch" ein, umso wichtiger ist ein handfester Business-Plan mit belastbarem Zahlenwerk. Gelingt es dann nicht, das Zahlenwerk nachvollziehbar zu argumentieren, verliert ein möglicher Investor schon schnell das Interesse.

Und natürlich ist auch der Faktor Mensch keinesfalls zu unterschätzen. So kommt es immer darauf an, dass sich die handelnden Personen von der Chemie her verstehen und auf Augenhöhe kommunizieren. Deshalb sollte man bewusst auch im Verhandlungsprozess genügend Zeit für das persönliche Kennenlernen einplanen.

ChannelPartner: Welche Voraussetzungen sind notwendig, damit ein Unternehmen auch langfristig vom Zukauf profitieren kann?

Ralf Heib: Neben den ganzen juristischen und betriebswirtschaftlichen Aspekten, die häufig eine M&A-Transaktion auch im IT-Markt dominieren, ist es von zentraler Bedeutung, frühzeitig eine gemeinsame Vision der Transaktion und ein überzeugendes Integrationskonzept zu entwickeln.
Auf dieser Basis kann schon in der Verhandlungsphase mit der Vorbereitung der Integrationsphase begonnen und die Einbindung der Mitarbeiterschaft aber auch der Kunden und Geschäftspartner sichergestellt werden.

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