Marketing für System- und Softwarehäuser: Gutes muß nicht teuer

28.05.1998

MÜNCHEN: Erfolgreiches Marketing beginnt damit da Sie "nur" zwei Dinge wissen: Was haben Sie dem Markt anzubieten? Was erwarten Ihre Kunden von Ihnen? Rainer-Lionel d'Arcy* erklärt, wie Software- und Systemhäuser besseres Marketing machen können, wenn sie sich diese zwei Basisfragen immer wieder stellen.

Am Anfang des erfolgreichen Marketings muß die Erkenntnis stehen, daß es für den Unternehmenserfolg ebenso wichtig ist wie eine erfolgreiche Finanzierung oder eine gute Produktentwicklung. Deswegen muß Marketing ebensoviel Aufmerksamkeit, Fürsorge und Zuwendung erhalten wie eine motivierte Entwicklungsmannschaft oder ein überzeugtes Investorenkonsortium. Diese Zuwendung ist dabei keine Aufwandsfrage, sondern die richtige Bestimmung der Managementprioritäten.

Die erste Frage, die sich die Marketing-Abteilung des Unternehmens stellen muß, lautet: Was ist mein Angebot? Das Angebot umfaßt aber immer viel mehr als das, woran Sie spontan denken: Es besteht nicht nur aus den Produkten und den zugehörigen Dienstleistungen, deren Qualität, Preiswürdigkeit und marktgerechter Time-to-Market, sondern muß als Gesamtprodukt betrachtet werden (siehe Abbildung 1). Die Qualität Ihrer Mitarbeiter vom Außendienst bis hin zum Rechnungswesen, Ihr Ruf in den Branchen Ihrer Kunden (und Ihrer eigenen), Ihre finanziellen Ressourcen und Ihre ganze Corporate Identity zählen ebenfalls dazu. Unter Corporate Identity versteht man einen erkennbaren, eindeutigen Auftritt Ihres Unternehmens. Haben Sie nicht, können Sie sich nicht leisten? Seien Sie versichert, Ihr Kunde nimmt immer eine "Corporate Identity" wahr, ob Sie diese gewollt und geplant haben oder nicht. Denn: "In welchem Segment wir tätig sind, bestimmt nicht der Anbieter, sondern der Konsument. Dies läßt sich auch nicht anhand des Firmennamens oder der Satzung des Unternehmens definieren, sondern nur anhand des Wunsches, den sich der Verbraucher durch den Erwerb eines Produktes oder die Inanspruchnahme einer Dienstleistung erfüllt. Die gestellte Frage kann daher nur beantwortet werden, wenn man das besagte Geschäft einer externen Befragung unterzieht, aus dem Blickwinkel des Verbrauchers oder des Marktes." (P. Drucker)

Bei einer von Triconsult in Kelkheim 1997 durchgeführten Untersuchung zum Kommunikationsverhalten der Softwarebranche wurden unter anderem auch Messeauftritte genauer untersucht. Auf der CeBIT wie auch auf der Systems (mit ähnlichen Ergebnissen) stellten wir fest:

- 78 Prozent der Ausstellungsstände vermitteln keine spontan erkennbare Information zum Messeziel und Kernangebot des Ausstellers.

- 52 Prozent des Standpersonals konnten uns nicht in klaren, knappen Worten das Messeziel ihres Unternehmens nennen.

- In über 50 Prozent der Fälle (Stände mit über 20 Leuten Personal) mußten wir bis zu sechs Personen fragen, um zu einem zuvor festgelegten (vorhandenen, nicht prominenten) Exponat zu gelangen.

- Bei 84 Prozent der Stände konnten wir keine einheitliche Corporate Identity zwischen Fern-, Mittel und Nahauftritt des Ausstellers erkennen (Logo, Werbeauftritt, Beschriftungen, Standpersonal).

- In 63 Prozent unserer Testbesuche wurden wir gefragt: "Kann ich Ihnen helfen"?

Sie werden wahrgenommen wie Sie sind und leider nicht wie Sie sein möchten. Haben Sie dies alles bedacht bei Ihrer Antwort auf "was biete ich an?" Ob Sie also koordiniert und geordnet gesehen werden oder chaotisch und inkonsistent, bestimmen nicht Sie, sondern Ihr Markt und Ihre Kunden. Sie müssen aber das Erscheinungsbild nicht als schicksalsgegeben hinnehmen - Sie können Einfluß darauf nehmen! Zuerst müssen Sie dazu allerdings wissen, wie Ihre Kunden Sie sehen und was sie von Ihnen erwarten.

Mehr Raten als Wissen: Was will der Kunde?

Neben der Frage nach dem eigenen Angebot spielt für gutes Marketing also noch eine weitere Frage eine wichtige Rolle, die allerdings schwieriger zu beantworten ist: Was erwartet Ihr Kunde von Ihnen? Reklamationen, Messeauswertungen, Vertriebsberichte vermitteln vielleicht einen ersten Eindruck. Gut, aber alle diese Informationen haben einen Nachteil, sie sind aus einer bestimmten Blickrichtung entstanden. Sie mögen richtig sein, aber sie sind immer verzerrt oder voreingenommen. Wenn Sie wirklich wissen wollen, was Ihr Kunde von Ihnen erwartet - und zwar jetzt und heute - dann müssen Sie Ihre Kunden umfassend befragen. Übrigens liegt hier ein weiteres Defizit der IT-Branche: Weniger als 40 Prozent der von uns befragten Unternehmen führen regelmäßige Markt- und Kundenbefragungen durch, dabei ist dies doch der einzige Weg, zu wissen:

- Wie Sie gesehen werden,

- was Sie leisten (und was nicht),

- was Sie besser machen können,

- was man erwartet.

Regelmäßige Kundenbefragung das Nonplusultra

Allzuviele scheuen davor zurück, sich den Spiegel der Kundenmeinung vor Augen zu halten. Dabei gewinnt man dadurch so viel. Nicht nur Sie, sondern auch Ihre Mitarbeiter und Kollegen erfahren die Wahrheit über ihre Leistung. Sie erhalten unschätzbare Hinweise, zum Beispiel in welchen Bereichen Sie besser werden können. Die Fragen, die Sie unbedingt stellen müssen, lauten:

- Stimmen unser Angebot, die Produkte und Services?

- Stimmen Time-to-Market, Kosten, Qualität, Rechnungslegung und -Finanzierung?

- Kümmern wir uns genug um die Belange der Kunden?

- Was machen wir gut/schlecht?

- Wer verdient besonderes Lob oder Tadel?

Und wenn Sie es ganz richtig machen wollen, dann beziehen Sie Ihre komplette Wertschöpfungskette - also Vertriebspartner, Lieferanten und Mitarbeiter - in Ihre Befragung mit ein. Wichtig ist, diese Befragung regelmäßig durchzuführen. Dann sehen Sie, was die Verbesserungsmaßnahmen bewirkt haben. Studien belegen, daß es eine unmittelbare Beziehung zwischen steigender Profitabilität und steigender Kundenzufriedenheit gibt.

Wenn Sie also in Zukunft besseres - und nicht notwendigerweise teureres - Marketing machen wollen, legen Sie sich ehrlich und konsequent die Karten, was Sie als Gesamtprodukt Ihrem Markt anbieten und was Ihr Kunde von Ihnen erwartet.

Gutes Marketing muß nicht teuer sein

Gerade weil Sie ein komplexes Produkt anbieten (siehe Abbildung 2), bei dessen Eigenschaften Ihnen der Kunde soviel glauben muß, ist es wichtig, daß die Basis Ihrer Marketingarbeit - die Antwort auf die beiden Fragen - stimmt.

Nur wenn Sie die Zufriedenheit Ihrer Kunden regelmäßig erfragen und Ihr Unternehmen, Ihre gewollte "Corporate Identity" und Ihr Gesamtprodukt darauf ausrichten, werden Sie mit Ihrem Marketing gezielt Erfolg haben.

*Rainer-Lionel d'Arcy ist Inhaber der Unternehmensberatung

Triconsult in Kelkheim und hat sich auf Firmen im Bereich Informationstechnologie spezialisiert.

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