Marketing im IT-Endkundenmarkt und die Unterstützung durch die

21.03.1997
MÜNCHEN: In Heft 1/97 beschäftigte sich ComputerPartner-Redakteurin Ute Dorau mit dem Schwerpunktthema Marketing im Fachhandel. Daß sie mit diesem Artikel ein wichtiges Thema aufgegriffen hat, zeigt unter anderem auch der folgende Beitrag von Apple-Händler Jörg Scherr*, der sich mit der unterschiedlichen Marketingunterstützung durch die Distributoren befaßt.Marketing - diesen Begriff hören wir Fachhändler nur zu oft. Wer kennt nicht das vielbeschworene "Produktmarketing" oder die "Marketing-Unterstützung", die uns tagtäglich eine Flut von Papier mit vielen schönen Aussagen, noch schöneren Bildern und Aufforderungen zur "Aktion" beschert. Aber seien wir einmal ehrlich: Wer von Ihnen kann schon von sich behaupten, die verschiedensten Marketing-Techniken zu kennen und entsprechend erfolgreich einzusetzen? Gerade die Inhaber-geführten Unternehmen sind doch viel zu sehr in das Tagesgeschehen eingespannt, als daß hier noch ausreichend Raum für grundsätzliche Marketingarbeit bliebe.

MÜNCHEN: In Heft 1/97 beschäftigte sich ComputerPartner-Redakteurin Ute Dorau mit dem Schwerpunktthema Marketing im Fachhandel. Daß sie mit diesem Artikel ein wichtiges Thema aufgegriffen hat, zeigt unter anderem auch der folgende Beitrag von Apple-Händler Jörg Scherr*, der sich mit der unterschiedlichen Marketingunterstützung durch die Distributoren befaßt.Marketing - diesen Begriff hören wir Fachhändler nur zu oft. Wer kennt nicht das vielbeschworene "Produktmarketing" oder die "Marketing-Unterstützung", die uns tagtäglich eine Flut von Papier mit vielen schönen Aussagen, noch schöneren Bildern und Aufforderungen zur "Aktion" beschert. Aber seien wir einmal ehrlich: Wer von Ihnen kann schon von sich behaupten, die verschiedensten Marketing-Techniken zu kennen und entsprechend erfolgreich einzusetzen? Gerade die Inhaber-geführten Unternehmen sind doch viel zu sehr in das Tagesgeschehen eingespannt, als daß hier noch ausreichend Raum für grundsätzliche Marketingarbeit bliebe.

Ich kenne das Dilemma aus eigener Erfahrung - es ist oft dasselbe: Kleinere Systemhäuser und Händler können sich weder die teure Werbeagentur noch den eigenen Marketing-Mitarbeiter leisten. Dazu sind die erzielbaren Erträge schlicht zu gering. Größere Häuser wiederum haben auch bei Herstellern und/oder Distributoren ein höheres Gewicht und werden entsprechend (besser) unterstützt. In der Folge hat es der umsatzschwächere, aber oftmals höher spezialisierte Fachhändler schwer, überhaupt so etwas wie "Marketing" zu betreiben, zumal das vorhandene Fachwissen ja meist in anderen Bereichen angesiedelt sein muß.

Produktanzeigenwerbung mit Schwächen

Gedankliche Ansatzpunkte, um dieses Dilemma abzumildern oder abzuschaffen, gibt es einige: Da sind zunächst die Einkaufs-Zusammenschlüsse, als deren Mitglied die Fachhändler in der Regel gegen Zahlung von Pauschalbeträgen an gemeinsamen Marketingaktionen teilnehmen. Leider beschränken sich diese "Aktionen" allzu oft auf Anzeigenwerbung, deren Effektivität in Frage steht. Denn hier wird Produktwerbung betrieben, die beim namentlich genannten Fachhändler (so der Leser das Kleinst-Gedruckte überhaupt liest) Produktumsätze bewirken soll. Schön und gut, aber wir wissen doch seit geraumer Zeit, daß Produktumsätze meist miserable Erträge nach sich ziehen. Und: In solchen Zusammenschlüssen geht natürlich auch ein Stück Identität und Individualität des Einzelnen verloren, denn die Anzeigen oder Mailings werden zentral gestaltet und geben dem Händler somit wenig Spielraum, seine Eigenständigkeit optisch darzustellen.

Ein anderer Ansatzpunkt sind herstellerspezifischen Marketingaktivitäten, wie ich sie aus der Zusammenarbeit mit Apple kenne: In einem Rundschreiben wird auf eine zentral gesteuerte Kampagne hingewiesen, an der man als Händler/Systemhaus auf freiwilliger Basis teilnimmt. Die Teilnahme kann dann zum Beispiel dadurch erfolgen, daß man ein vorgefertigtes Mailing an die eigene Optik anpaßt und verschickt (das allerdings macht dann der Wettbewerb auch - mit dem gleichen Wortlaut und den gleichen Bildern...) oder fertig gestaltete Anzeigenmatern zur lokalen Werbung einsetzt.

Allen diesen Aktionen gemein ist aber wieder, daß eine zentrale Steuerung erfolgt, auf die man keinerlei Einfluß hat (auch Apple hat meines Wissens keinen Fachhändler gefragt, wie die derzeit laufende "SpeedUp Campaign" aussehen sollte), und daß wieder produktbezogene Werbung stattfindet. Wo bleibt da die - von denselben Herstellern vielbeschworene - Dienstleistung, die dem Handel den erwünschten und benötigten Mehrwert einbringt?

Grundsätzliche Fragen müssen geklärt sein.

Die meisten etablierten Fachhandels-Unternehmen wissen recht gut, wie man Produkte vermarktet, wie man in diesem Hard- und Software-Dickicht die Spreu vom Weizen trennt, und haben so vom Gesamtwachstum des IT-Marktes profitiert. Was jedoch zunehmend schwieriger wird, ist die Neukunden-Gewinnung und das Etablieren eigener, kostenpflichtiger Dienstleistungen. Hier kann die dritte Alternative ansetzen und nach den Erfahrungen in unserem Unternehmen auch Erfolge bringen.

Zunächst sollte folgende Frage beantwortet werden: Wie lautet die unternehmensbezogene Definition von "Marketing-Arbeit"? Die allgemeine Definition von Marketing lautet: "Gewinnen neuer Märkte beziehungsweise Bearbeiten vorhandener Märkte mit dem Ziel, Produkte und Leistungen zu verkaufen." Ist es für das einzelne Unternehmen vornehmlich die Produktwerbung, die zum Ertrag führen soll? Oder soll eine vertikale Branchenlösung am Markt etabliert beziehungsweise der Marktanteil ausgebaut werden? Oder soll ein neuer Markt für eine neuartige Dienstleistung gefunden werden? Es wird deutlich, daß je nach Unternehmensziel der Begriff "Marketing" genau definiert werden sollte.

Ich bin der Meinung, daß dies der einzige Zeitpunkt ist, an dem eine professionelle Unterstützung durch eine erwiesenermaßen erfahrene Agentur oder einen entsprechenden Marketingberater sinnvoll ist. Wer auf diesem Gebiet schon Erfahrungen gesammelt hat, wird mir sicherlich zustimmen: Auch in der Agentur-Szene gibt es ein fast undurchschaubares Dickicht an Angeboten und Behauptungen, so daß es nicht leichtfällt, einen guten Griff zu tun.

Wie es nach der Zielfestlegung weitergeht...

Sind die Ziele definiert, sollten Marketing-Maßnahmen geplant werden, die dazu geeignet sind, diese Ziele zu erreichen. So wird ein Dienstleistungs-Unternehmen wahrscheinlich kein gutes Geld für großangelegte Tageszeitungs-Anzeigen hinauswerfen. Das Instrumentarium ist groß und reicht von der telefonischen Kalt-Akquise bis zum personenbezogenen Direktmailing, von der Postfach-Aktion bis zum Inhouse-Informationsseminar.

Ich gehe davon aus, daß der Fachhändler seine Identität in den Vordergrund stellen sollte, um seine Leistungen kundenorientiert zu präsentieren. Ergo können vorgefertigte Mailings oder Anzeigen keine besondere Hilfe darstellen. Also suchte ich nach Alternativen und begann bei unseren direkten Geschäftspartnern: den Distributoren.

Nun weiß man ja gerade von den Großen der Szene wie beispielsweise Computer 2000, Ingram Micro oder Actebis, daß die Abteilungen "Product Marketing" meist sehr rege sind und uns mit gedruckten und elektronischen Informationen förmlich "zuschütten". Leider erwecken gerade diese Infos oft den Eindruck, daß die einzelnen Produkt-Teams im gegenseitigen Wettbewerb zueinander stehen - der Empfänger steht also oft ratlos vor den schönsten Versprechungen und findet keine konkrete Entscheidungshilfe, welches Produkt er denn nun seinen Kunden empfehlen soll. Insbesondere aus dem Hause C2000 kommen immer wieder solche Mailings - erst Druckerhersteller A, dann eine Woche später Druckerhersteller B, dann dasselbe mit Netzwerk-Komponenten und so weiter. Klare Unterscheidungsmerkmale fehlen da ebenso wie zielgruppenorientierte Positionierungen der einzelnen Produkte. Man will uns also selbst die Entscheidung überlassen - wenig hilfreich im Alltag, liebe "Produkt-Manager"! Sollen wir uns noch mehr verzetteln im Dickicht der vergleichbaren Produkte? Konzentration auf wenige Produkte bringt größeres Know-how und zufriedenere Kunden!

Für ein Beispiel besonderer Qualität sorgt der Mac-Distributor Prisma Express, den wohl jeder Apple-Händler kennt. Denn dort oben in Hamburg hat man es geschafft, für einige, im Apple-Markt wichtige Produkte, Exklusiv-Distributionsverträge zu ergattern, was für eine gewisse Alleinstellung sorgt. Allerdings ist auch die Folge dieses Verhaltens ein Alleinstellungsmerkmal: Die Unterstützung für den Händler geht gegen Null, schon einfachere Fragen zu speziellen Produkteigenschaften kann die sogenannte Hotline nicht beantworten, und Angebote zu gezielten Anfragen von beispielsweise bestimmten Mehrfachlizenzen dauern für gewöhnlich drei bis vier Wochen. Dafür sind viele der Standard-Produkte im Sortiment zum Teil wesentlich teurer als beim Mitbewerber Ingram Micro oder auch C2000. Ein Beispiel dafür, wie man Exklusiv-Verträge zu Lasten der Kunden mißbraucht. Wie lange noch, Herr Wernstedt?

Es gibt auch positive Beispiele unter den Distris

Aber es gibt auch positive Beispiele: Seit die amerikanische Mutter die deutsche Ingram Micro zu sattem Wachstum verdonnert hat, tat sich einiges in Ottobrunn. So schafft es Ingram trotz beachtlicher Größe immer noch, persönliche Ansprechpartner für den Händler zu nennen, was im Telesales von C2000 oder auch Actebis offenbar schon aufgegeben wurde. Und eine Mitarbeiterin aus dem Produkt-Marketing fragte auf meinem letzten Messebesuch tatsächlich nach, welche Hilfsmittel für das händlerbezogene Marketing denn von Ingram zur Verfügung gestellt werden sollten. Als Ergebnis dieser Gespräche wurde in Zusammenarbeit mit Apple eine Veranstaltung organisiert, bei der wir Händler mit Apple- und Ingram-Leuten direkt unsere Wünsche und Anregungen besprechen konnten. Einige der damals vorgebrachten Punkte sind mittlerweile umgesetzt, so daß rückblickend ein positiver Eindruck bleibt.

Ein anderes direktes Ergebnis war die Auflegung des "HP-more-Programmes", ein ganzes Paket an Unterstützungsmaßnahmen für aktive HP-Händler. Zu nennen wäre zum Beispiel die Einrichtung einer Hotline bei HP, die uns "more"-Händlern ausschließlich zu PreSales-Anfragen Auskunft gab und bei Bedarf sogar personelle Unterstützung vor Ort organisierte. Hallo HP-Verantwortliche, das ist eine wirklich nützliche Sache - laßt diese Hotline NICHT sterben!

Und noch ein praktisches Beispiel aus der jüngeren Vergangenheit: Mitte November veranstalteten wir in unseren Räumen eine kleine Informations-Messe mit dem Themenkreis "Verarbeitung von Farbe". So etwas ist teuer, vor allem, wenn man aufwendiges Equipment samt entsprechendem Know-how benötigt. Also begaben wir uns auf die Suche nach Sponsoren. Fehlanzeige bei den "Mac-Only"-Distributoren Prisma Express und Schuh Datentechnik. Storm schaffte es zwar nicht, einen topaktuellen Mac-Clone zur Verfügung zu stellen, dafür erhielten wir kiloweise gedrucktes Material - immerhin. Actebis führt wohl generell keine Leihstellungen mehr durch, und bei C2000 hat man anscheinend immer den absoluten Umsatz im Auge - Fehlanzeige auch hier. Ganz anders Ingram: Die rührige Telesales-Ansprechpartnerin förderte umsatzbedingte WKZ-Budgets zutage, die zweckgebunden für solcherlei Marketingaktivitäten zur Verfügung stehen. Nachdem wir schriftlich unsere Veranstaltungspläne kundgetan hatten, kam ein vierstelliger Betrag hervor, der für die gebührenpflichtige Leihstellung eines A0-Farbplotters in Vollausstattung durch die HP-eigene Verleihfirma Leasametric ausreichte. Da Ingram auch Apple-Produkte an uns liefert, wurde ferner vom Apple-Marketing ein gut ausgestatteter PowerMacintosh 8500 zur Verfügung gestellt. Ebenso auf das Ingram-Konto geht der Neukontakt zur LinoType-Hell AG, die einen A3-Scanner "Opal" samt Software und kompetentem Promotor schickte -___für zweieinhalb Tage! Interessant ist in diesem Zusammenhang, daß wir bis dato keine LinoType-Produkte vertrieben hatten, sondern bei Ingram Agfa-Scanner kauften.

Alles in allem also hat uns ein Distributor eindrucksvoll bewiesen, daß man die Belange und Wünsche eines Kunden ernst nimmt und zielgerichtete Unterstützung organisieren kann. Diese Unterstützung war uns -und wäre sicherlich auch vielen unserer Kollegen in vergleichbarer Situation - erheblich wichtiger als die schönsten Hochglanz-Datenblätter (wie man Prospekte heutzutage nennt).

Dialog mit dem Handel wichtiger denn je

Dieses Beispiel sollte Schule machen, denn die Unterstützung des Fachhandels sichert letztlich das Überleben der Distributoren. Allerdings helfen blind organisierte Aktionen ohne Rückfrage nach den tatsächlichen Erfordernissen beim Handel wenig bis gar nichts. Aus diesem Grund möchte ich jeder Marketingabteilung in der Distribution - aber auch bei Herstellern - empfehlen, den Dialog zum Handel zu suchen und aufrechtzuerhalten, um die ohnehin knappen Marketingbudgets zielgerichteter und kundenorientierter einsetzen zu können.

Natürlich kostet Personal Geld, und ein Pool aus Demogeräten ist auch nicht gerade billig, aber Kataloge und die genannten Datenblätter im Vierfarbdruck zu entwerfen und zu produzieren, ist angesichts der Lebensdauer solcher Printmedien ein ebenfalls teurer Spaß. Warum nicht eine Lösung dieser Kostenfalle nach dem Beispiel Apple: Eine monatliche CD enthält im Acrobat-Format alle aktuellen Datenblätter und technischen White Papers. Der Händler druckt nach eigenem Bedarf diese Dokumente am Mac oder PC in Farbe oder in Schwarz-Weiß - ganz so, wie es seine Belange erfordern. Dieses Verfahren ist ökonomisch, spart Platz, Zeit und Ressourcen. Auch für diese Aufgabe ist ein Distributor der geeignete Partner, wenn beispielsweise ein kleinerer Softwarehersteller den Aufwand für solche Medien nicht treiben kann. Ein Anfang in diese Richtung kommt seit Jahren aus dem Hause C2000: der allseits bekannte "Pointer", ein umfangreicher Katalog mit einer Auswahl aus dem Gesamtsortiment des Distri-Riesen. Wünschenswert wären für den Fachhandel sicherlich etwas aussagekräftigere Produkttexte, damit der Katalog auch wirklich als Nachschlagewerk im Kundengespräch fungieren kann. Ich bin sicher, daß man bei C2000 eine solche Anregung aufnimmt, wenn sie nur oft genug vorgetragen wird.

Betrachtet man die hiesige Distributions-Landschaft unter dem Gesichtspunkt der Marketing-Unterstützung für den Fachhandel, also für die Kunden der Distribution, so kristallisiert sich meiner Meinung nach eine Spaltung heraus: Einerseits die puren Verkäufer von Komponenten (die oft genauso schnell wieder verschwinden, wie sie auftauchten) und andererseits die "Mehrwert-Distributoren", die neben dem Produktverkauf auch ein Auge darauf haben, wie sie ihre Kunden beim Verkaufen unterstützen können. Und hier gibt es noch ein breites Betätigungsfeld, das sich zu beackern lohnt, denn der Kunde will hierzulande eben doch wieder vermehrt umworben, beraten und fachlich gut betreut werden.

*Jörg Scherr ist Geschäftsführer der in4media GmbH in Ludwigshafen.

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