Marktforscher erwarten baldigen Nachfrageschub im Internet-Markt

11.12.1998

MÜNCHEN: Durch die zunehmende Globalisierung der Märkte unter Druck gesetzt, entdecken Unternehmen auf breiter Front das Internet als globales Kommunikationsmedium. Nach Einschätzung der Marktforscher sind die Rahmenbedingungen ausgesprochen günstig: Immer mehr Anbieter von Internet-Produkten und -Dienstleistungen sorgen bei fortschreitender Standardisierung und sinkenden Preisen für ein breites Angebotsspektrum.In aktuellen Studien zum europäischen Markt für Internet-Software und Internet-Dienstleistungen prognostiziert das Marktforschungsinstitut Frost & Sullivan für die kommenden Jahre einen wahren Internet-Boom. Das Umsatzvolumen bei Internet-Dienstleistungen soll demnach von derzeit 9,9 Milliarden Dollar auf 51,7 Milliarden Dollar im Jahr 2004 ansteigen. Eine ähnlich drastische Zuwachsrate prognostizieren die Analysten bei Internet-Software. Der europäische Markt für Internet-Programme soll von 820 Millionen Dollar im Jahr 1997 auf 6,77 Milliarden Dollar im Jahr 2004 nahezu explodieren.

Nach Ansicht der Branchenexperten sind die Rahmenbedingungen für Produkte und Dienstleistungen rund ums Internet günstig wie nie. Es vergeht kaum ein Tag, an dem nicht neue Produkte und Standards vorgestellt werden. Die Zahl privater wie gewerblicher Internet-Anschlüsse wächst dramatisch. Nicht zuletzt, weil mittlerweile immer mehr Firmen das Internet in ihre allgemeine Kommunikationsstrategie integrieren. Unterstützt wird der Trend durch kontinuierlich fallende Kosten bei der Internet-Hardware. Gleichzeitig setzt frei erhältliche Software das ohnehin bereits rückläufige Preisniveau bei Internet-Applikationen unter Druck.

Nach Ansicht der Marktforscher, sind die besseren Sicherheitsmechanismen, sowie Java und E-commerce neben den niedrigen Transaktionskosten die wichtigsten Wachstumsfaktoren. Die zunehmende Einführung von Standardprodukten und Dienstleistungen trägt ebenfalls dazu bei, gerade kleine und mittlere Unternehmen zum Einstieg ins Internet zu animieren.

Kunden werden mit Gratissoftware geködert

Glaubt man den Auguren, ist die positive Entwicklung im Internet-Markt zu einem nicht unwesentlichen Teil auf das Verteilen von Gratissoftware zurückzuführen. Das Angebot ist breit und reicht inzwischen vom kostenlosen Browser, über E-Mail-Software bis zur Java-Entwicklungssoftware JDK, die Interessenten von Sun Microsystems zur Verfügung gestellt wird. Selbst im Bereich der IP-Telefonie wird alte Client-Software inzwischen von neuen, leistungsfähigeren Produkten ersetzt, die größtenteils gratis erhältlich sind.

Wie die Praxis zeigt, leiden die globalen Zuwachsraten bei Internet-Software nicht unter dieser Vorgehensweise. Ganz im Gegenteil. Eine Vielzahl neuer Internet-Anwendungen, nicht zuletzt der Beginn des E-commerce, sorgen dafür, daß neue Marktnischen erschlossen, neue Nutzer angelockt und eventuelle finanzielle Einbußen an einer Stelle durch Nachfolgegeschäfte an anderer Stelle mehr als kompensiert werden.

Als Beispiel nennt Andy Smith, IT-Research-Analyst bei Frost & Sullivan, den Bereich der Sicherheitssoftware. "Firewall-Software wird immer billiger. Das bringt mehr Sicherheit, und davon wird auf lange Sicht der E-commerce profitieren. Wir erwarten allerdings, daß auch die Preise für E-commerce-Software noch vor dem Jahr 2004 ihre Talfahrt beginnen werden."

Java wird seiner Meinung nach bei der Entwicklung zukünftiger Web-Applikationen eine Schlüsselrolle spielen. "Das Betriebssystem und die heute weit verbreiteten Geschäftsanwendungen könnten bald der Vergangenheit angehören. Java-Applets erledigen dieselben Aufgaben wie Textverarbeitungs- und Tabellenkalkulationsprogramme und können darüber hinaus die Grundlage für weitere völlig neue Technologien bilden."

Zu einer dieser "Killerapplikationen" wird sich seiner Einschätzung nach die Einführung des Web-TV entwickeln. "Das dürfte vielen Konsumenten endgültig den Weg ins Internet öffnen. Wenn das Internet durch Web-TV den Status eines Massenmediums erhält, hat das wiederum zur Folge, daß sich im Gegenzug noch mehr Unternehmen im Web etablieren."

Kostenfaktor entscheidet die Wahl des Dienstleistern

Deutliche Anzeichen einer Nachfragebelebung stellt sein Kollege Dr. Jean-Pierre Aubertin bereits jetzt fest und attestiert ein wachsendes Marktpotential für kompetente Beratungsdienste. "Immer mehr Kunden wollen wissen, wie man Websites betreibt und wartet." Nicht nur klassischen Unternehmensanwendungen, auch anderen Einsatzgebieten wie Bildung, Unterhaltung oder Reisen räumt er vielversprechende Entwicklungschancen ein. "Im Bildungssektor wird es beispielsweise Fernlernprogramme geben, die über Multimedia-Applikationen im Internet laufen."

Eine entscheidende Rolle bei der weiteren Markterschließung werden Telekommmunikationsgesellschaften spielen, die entweder als OSP (Online-Service-provider) oder ISP (Internet-Service-provider) auftreten. Ein Kampf mit harten Bandagen steht bevor.

Bereits jetzt versuchen die Unternehmen, mit günstigeren Preisen und verbesserten Dienstleistungs- und Serviceprogrammen Kunden anzulocken. Dennoch dürfte sich der Preis zum entscheidenden Faktor entwickeln. "Die Dienstleistungen werden immer stärker standardisiert", stellt Aubertin fest. "Das heißt, ihr eigentlicher Inhalt spielt eine untergeordnete Rolle. Die Verbraucher achten in erster Linie auf den Preis und nicht auf den Namen des Providers. Den Anbietern sei also geraten, dem Kostenfaktor äußerste Aufmerksamkeit zu schenken."

Der Wettlauf um Marktanteile im Internet-Markt verschärft sich also. In einigen Marktsegmenten sind bereits starke Konsolidierungstendenzen zu erkennen. Das gilt insbesondere für den Sicherheitssektor, wo ein komplettes Produktangebot notwendig ist, um in den neuen Markt für Netzwerkverwaltung und -sicherheit einzusteigen. Nach Überzeugung der Marktforscher gibt es derzeit keine Anzeichen, daß der Internet-Boom in absehbarer Zeit nachlassen wird. Sie raten Herstellern, die sich in diesem hart umkämpften und zunehmend gedrängten Sektor behaupten wollen, sich durch ein klares und scharfes Profil von Mitbewerbern zu unterscheiden. (sd)

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