Marktforscher PC Europa sieht Assemblierer jedoch als Verlierer

27.08.1998

LONDON: Die 250 größten europäischen Retailer haben im vergangenen Jahr PC-Produkte im Wert von über zehn Milliarden Dollar verkauft. Zu den top zwanzig Retailern des Alten Kontinents gehören auch acht deutsche - allen voran Vobis.Der Retail-Kanal verändert sich mit dramatischer Geschwindigkeit. Supermärkte wie Aldi oder Lidl zählen inzwischen zu den größten PC-Anbietern für Privatkunden in Deutschland. Kaffeeverkäufer wie Tschibo bringen außer Java-Bohnen auch Java-applets an die Kunden. Daß branchenfremde Retailer in den IT-Markt drängen, ist kein rein deutsches Phänomen: In Frankreich zum Beispiel kann der interessierte Konsument beim Buchhändler "Le Furet du Nord" gleich Software miteinpacken. Die riesigen "Hypermarchés" wie Leclerc oder Carrefour rangieren ebenfalls unter den ersten zwanzig Retail-outlets für PC-Produkte. In England können Musikliebhaber neben den aktuellen Pop-CDs auch Weichware zur Kasse in den Virgin-Musikläden tragen.

Das IT-Marktforschungsunternehmen "PC Europa" in London hat jetzt eine Studie vorgestellt, die den europäischen Retailmarkt unter die Lupe nimmt. Der PC-Verkauf schoß 1997 im Vergleich zum Vorjahr bei den 250 befragten Unternehmen um knapp 30 Prozent nach oben. 4,56 Millionen Rechner setzten sie im vergangenen Jahr ab. Die meisten Retailer erwarten jedoch für dieses Jahr einen leichten Umsatzrückgang. Die Stückzahlen steigen zwar, doch der Preiskampf tobt.

Untersuchung ausgeweitet

Die Untersuchung deckt 22 europäische Länder ab. Neu hinzugekommen sind in diesem Jahr die Tschechische Republik, Ungarn, Polen und Zypern. Die nationalen Eigenheiten jedes Landes kommen auch in der Retail-Landschaft zum Tragen. "In Spanien und Italien sind kleine Retailer und Assemblierer sehr erfolgreich, während Massenmärkte eher die Ausnahmen sind. In den nordischen Ländern sind Elektroketten stark. Aber dort leide der Retailmarkt unter dem Wachstum des "PC Private Project", das in der Regel von großen PC-Händlern ausgeführt werde, erklärt Max Hotopf, President von PC Europa und Herausgeber der Studie. Das PC Private Project ermöglicht es Firmen, ihren Mitarbeitern steuerfreie PCs zu liefern. Es fand vor allem in Skandinavien und den Beneluxländern große Aufmerksamkeit.

In Großbritannien beherrscht Dixons, zu dem auch PC World und Currys gehören, den IT-Retail-Markt. "Weil Dixons auf eine Bruttomarge von 30 Prozent pocht, zahlen die Verbraucher in England zwischen 20 und 30 Prozent mehr für einen Rechner." Das sei der Grund, erklärt Hotopf, warum die Briten ihre PCs so gerne per Katalog bestellten. Jetzt ist aber Tesco, die größte britische Lebensmittelkette, in den Ring gestiegen und bereitet den Angriff auf Dixons vor. Ob dadurch die PC-Preise fallen, sei fraglich, meint Analyst Hotopf, weil Tesco bisher auch bei Lebensmitteln eine saftige Marge einkalkuliert habe.

Drei Deutsche unter den ersten fünf

Die deutschen Unternehmen Vobis sowie Media Markt/Saturn führen die europäische Retail-Hitliste an. Laut PC Europa haben sie 1997 551.000 beziehungsweise 317.000 Rechner abgesetzt und lagen damit weit vor dem drittplazierten englischen Retailer Dixons. Die Zahlen von Peacock und Maxdata, die ja ebenfalls zur Vobis-Gruppe gehören, sind dabei nicht in die Vobis-Verkaufszahlen eingerechnet. Aldi, der Lebensmittelhändler, der seit ein paar Jahren im PC-Markt fremdgeht, kommt gleich auf Platz vier und macht den traditionellen Retailern ernsthafte Konkurrenz. Zwischen 1996 und 1997 stieg der PC-Absatz dort von 75.000 auf 200.000 Einheiten.

Weil Supermärkte wie Aldi oder Lidl so massiv im PC-Markt auftreten, erwartet PC Europa, daß die Retailer und Assemblierer in Deutschland ihre Stückzahlen dieses Jahr nur um zwei Prozent werden steigern können. Im Vorjahr lag die Wachstumsrate der Stückzahlen noch bei rund fünf Prozent. Die Verlierer, so Hotopf, seien die spezialisierten Assemblierer wie Vobis oder Schadt: "Es ist einfach zu teuer für diese Spezialisten, die Privatanwender in ihre Läden zu bekommen, während täglich Millionen Verbraucher in die großen Supermärkte gehen." (is)

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