Neue Stores, Online-Konzepte und Start-up-Programm

Media-Saturn gibt bei der Digitalisierung Gas



Matthias Hell ist Experte in Sachen E-Commerce und Retail sowie  Buchautor. Er veröffentlicht regelmäßig Beiträge in renommierten Handelsmagazinen und E-Commerce-Blogs. Zuletzt erschien seine Buchveröffentlichung "Local Heroes 2.0 – Neues von den digitalen Vorreitern im Einzelhandel".
Media-Saturn startet in Deutschland neue, deutlich kleiner dimensioniert Store-Formate. Ebenfalls neu sind die Einführung einer Kundenkarte und ein Online-Marktplatzmodell. Die Auswahl der Start-ups für den Accelerator "Spacelab" geht in die Schlussphase.
Treibt die Digitalisierung von Media-Saturn voran: De-facto-Unternehmens-Chef Pieter Haas
Treibt die Digitalisierung von Media-Saturn voran: De-facto-Unternehmens-Chef Pieter Haas
Foto: Media-Saturn

Beim zweiten "Digital@Campus"-Tag zeigte Media-Saturn in seiner Unternehmenszentrale in Ingolstadt eindrucksvoll, mit wie viel Schwung der wirtschaftlich wiedererstarkte Retailer den von Unternehmens-Chef Pieter Haas vorgegebenen Umbau zur "Digital Company" vorantreibt. Das betrifft die im Rahmen der Veranstaltung gezeigten Handelsinnovationen, mehr aber noch eine Reihe von konkreten Neuerungen, die Haas gemeinsam mit MSH-Digital-Chef Martin Wild und dem Leiter der vor einem Jahr ins Leben gerufenen Electronics Online Group Martin Sinner einer Runde ausgewählter Medienvertreter präsentierte. Media-Saturn habe sich in der Vergangenheit vor allem auf das Thema Webshop fokussiert, doch handele es sich dabei nur um die Spitze des Eisbergs, erklärte Haas, der wegen des Sperrfeuers von Mitgesellschafter Erich Kellershals offiziell noch immer den Rang eines stellvertretenden Vorsitzenden der Geschäftsführung ausfüllt: "Inzwischen haben wir die Digitalisierung in ihrer vollen Breite aufgefasst und sehen darin eine Riesenchance für unser gesamtes Geschäft."

Dazu zählt auch die Eröffnung neuer, kleinformatiger Stores in Innenstadtlage, die bei der Warenpräsentation stark auf digitale Möglichkeiten setzen. Bereits im vergangenen Jahr kündigte Pieter Haas im Interview mit ChannelPartner an, neue Store-Formate wie das in Polen erprobte Saturn Connect oder das in der Türkei umgesetzte Media Markt City nach Deutschland bringen zu wollen. Bereits am 15. Oktober ist hier in Trier - unter dem Radar der Medienöffentlichkeit - die erste deutsche Saturn Connect Filiale eröffnet worden, am 29. Oktober folgt nun in Köln die Eröffnung des zweiten Geschäfts. Kern des Store-Konzepts ist es, in hochfrequentierten Innenstadt-Lagen auf 300 bis 700 Quadratmetern nicht nur Lifestyle-Produkte in einem Erlebnisambiente zu präsentieren, sondern auch umfassende Beratungs- und Serviceleistungen zu bieten. Die Warenschwerpunkte liegen bei Saturn Connect auf mobilen Geräten und Diensten, Smart-Home-Lösungen, Wearables sowie Produktinnovationen aus dem Bereich Internet of Things. Nach den ersten beiden Filialen soll das Konzept im kommendem Jahr sukzessive in weiteren hochfrequentierten Fußgängerzonen in Deutschland eingeführt werden.

"Wir müssen dorthin gehen, wo die Menschen sind", erklärte MSH-Chef Pieter Haas die Motivation hinter der Einführung von Saturn Connect. Man beobachte einerseits, dass die Einzugsgebiete klassischer Flächenmärkte immer kleiner würden, gleichzeitig wollten die Kunden weiterhin stationäre Stores besuchen. "Also müssen wir in die Innenstädte gehen", so Haas. Wie der Manager durchblicken ließ, betreffe diese Strategie nicht nur die Vertriebsmarke Saturn. So sei für Media Markt bereits die Eröffnung einer kleinformatigen Filiale im Berliner Hauptbahnhof in Planung.

In Trier eröffnete unbemerkt von der Medienöffentlichkeit bereits Mitte Oktober der erste deutsche Saturn Connect
In Trier eröffnete unbemerkt von der Medienöffentlichkeit bereits Mitte Oktober der erste deutsche Saturn Connect
Foto: Einkaufserlebnis Trier

Digitale Kundenprofile, neue Services und Virtual-Reality-Shopping

Neben den neuen Store-Formaten sprach Pieter Haas über weitere wichtige Schritte bei der Umsetzung der Digital-Strategie von Media-Saturn. So werde die angekündigte Einrichtung von digitalen Kundenprofilen, die es erlaube, Kunden u.a. über Vernetzungsmöglichkeiten und Geräte-Updates zu informieren, nun in Angriff genommen. Ein erster Baustein sei hier die Einführung digitaler Kassenzettel. In acht Berliner Media Märkten werde zudem bereits eine neue "Media Markt Club"-Karte erprobt. "Unser Ziel ist, dass ein Kunde nur in einen unserer Märkte zu gehen braucht, dort sagt: ‚Ich brauche ein neues Kabel für mein Telefon’ und wir wissen bereits, um welches Modell es sich handelt", erklärte Haas. Die Voraussetzung dafür sei allerdings, dass man die Kunden gut informiere, für welchen Mehrwert sie ihre Daten mit Media-Saturn teilen sollten.

Ebenfalls in einen Kontext mit der Digitalisierung von Media-Saturn stellte Haas die Übernahme des Service-Dienstleisters RTS im August. Neben Weißer Ware seien Bereiche wie Smart Home und Internet of Things Schwerpunkte, bei denen man über RTS künftig neue Services anbieten wolle. "Service ist hier ein Teil der Value Creation und trägt dazu bei, die Wirkung des Produkts zu verstärken", erklärte der Media-Saturn-Chef. Auch im Hinblick auf die Möglichkeiten bei der Zusammenarbeit mit der Industrie böten sich seit der Übernahme von RTS neue Möglichkeiten. So würden beispielsweise deutschlandweit alle LG-Fernsehgeräte bereits von RTS gewartet und denke man darüber nach, Kunden von Media-Saturn beim Kauf von Geräten der Marke künftig eine entsprechende Incentivierung anzubieten.

Darüber wie neue digitale Verkaufstechnologien in Zukunft in die Märkte von Media Markt und Saturn integriert werden, informierte Chief Digital Officer Martin Wild. Wie der frühere Home-of-Hardware-Gründer berichtete, setze Media-Saturn beim Thema Smart Home darauf, die Kunden mit konkreten Anwendungsszenarien zu überzeugen - ähnlich wie u.a. Mobilcom-Debitel und Euronics. "Es ist immer der konkrete Use Case, der beim Kunden den Ausschlag dafür gibt, sich mit Smart Home zu beschäftigen", so Wild. Zu den weiteren Verkaufsinnovationen von Media-Saturn gehört eine gemeinsam mit dem Kooperationspartner Kiveda entwickelte Virtual-Reality-Lösung für die Küchenplanung. Per Virtual-Reality-Headset können sich Kunden frei im virtuellen Raum bewegen und so die gewünschten Möbel des Online-Küchenhändlers und die entsprechenden Elektrogroßgeräte kombinieren. Ab dem Weihnachtsgeschäft wird die futuristische Einkaufsmöglichkeit testweise im Saturn-Markt Ingolstadt und im Saturn Berlin Alexanderplatz für interessierte Kunden zur Verfügung stehen. Aber auch bei der Umsetzung weiterer digitaler Neuerungen gibt Media-Saturn Gas: So soll die bisher in 20 Märkten umgesetzte Ausstattung des Verkaufspersonals mit Tablets weiter ausgerollt werden und hat der Retailer bereits sämtliche Kassen mit NFC-fähigen Terminals aufgerüstet.

Mit dem Accelerator Spacelab will Media-Saturn junge Technik-Start-ups fördern
Mit dem Accelerator Spacelab will Media-Saturn junge Technik-Start-ups fördern
Foto: Media-Saturn

Marktplatz-Experimente und Start-up-Förderung

Über Fortschritte bei der Electronics Online Group (EOG), der vor einem Jahr ins Leben gerufenen E-Commerce-Organisation von Media-Saturn, informierte deren Geschäftsführer Martin Sinner. Zu den spannendsten Neuheiten zählte hier, dass Media-Saturn im Online-Bereich mit Marktplatzfunktionen experimentiert. Eine entsprechende Anbindung von Drittanbietern werde derzeit bei dem im Frühjahr 2015 gestarteten Haushaltsgeräte-Shop Biwigo erprobt. Sinner betonte allerdings, dass das Experiment für Media-Saturn nur eine begrenzte Bedeutung habe: "Wenn man betrachtet, eine wie große Rolle das Dropshipping im Hintergrund spielt, sind viele Onlineshops bereits im Prinzip ‚Marktplätze’", erklärte der EOG-Chef. Allerdings stellte Sinner klar, dass die Einbindung von Drittanbietern im Erfolgsfall später auch auf die großen Onlineshops der MSH-Gruppe übertragen werden könne.

Das eigentliche Schwerpunktthema stellt für den Geschäftsführer der Online-Gruppe aber derzeit die Auswahl der ersten Teilnehmergruppe für das Mitte November startende Start-up-Programm "Spacelab" dar. Nachdem sich für die Teilnahme an dem Accelerator fast 100 Unternehmen beworben hätten, stünden nun 16 Start-ups in der engeren Auswahl, von denen es wohl sechs in das Programm schaffen würden. Das Spektrum der Finalisten reiche von neuartigen Service-Anbietern über App- und Software-Entwickler bis hin zu innovativen Produktideen im Bereich Internet of Things. Drei Start-ups mit guten Chancen präsentierte Martin Sinner den anwesenden Medienvertretern: Den PC-Fernwartungs-Anbieter Expertiger (über den ChannelPartner vor kurzem ausführlich berichtete), die Deutsche Technikberatung (eine Art junge Geek Squad mit einem Rundum-sorglos-Paket für Smart Home und Digitaltechnik) sowie das Produkt-Start-up Comfy, das eine intelligente LED-Birne mit Home-Security-Funktion entwickelt hat. Wie Martin Sinner betonte, gehe es Media-Saturn mit dem Accelerator-Programm nur beschränkt darum, exklusiven Zugang zu neuen Produkten zu erhalten oder gar Übernahmen vorzubereiten. Vielmehr wolle man mit der Start-up-Förderung neue Ideen ins Unternehmen holen und so ebenfalls die Digitalisierung von Media-Saturn vorantreiben. (mh)

Die Gründer von Expertiger haben gute Chancen auf einen Platz im ersten Spacelab-Accelerator-Programm
Die Gründer von Expertiger haben gute Chancen auf einen Platz im ersten Spacelab-Accelerator-Programm
Foto: Expertiger
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