Medium Internet bringt den Durchbruch für EDI

22.06.2000
E-Commerce im Business-to-Business-Bereich (B2B) ist zur Zeit in aller Munde. Prognosen von Andersen Consulting sehen für dieses Marktsegment ein Umsatzpotential von 700 Milliarden Dollar weltweit bereits im kommenden Jahr. Um Geschäftsdaten auszutauschen, ist allerdings ein allgemein anerkannter Standard notwendig. XML hat das Zeug, ein solcher zu werden, behauptet Andreas Thaler*.

Als der Edifact (Electronic Data Interchange for Administration, Commerce and Trade) 1986 von der UNO aus der Taufe gehoben wurde, fand die Begeisterung unter den Anhängern kein Ende. Die Erwartung, dass mit dem geschaffenen Standard alle Probleme für den elektronischen Datenaustausch EDI (Electronic Data Interchange) vom Tisch seien, wurde allerdings nicht erfüllt.

Ausschlag gaben hier mehrer Faktoren: Zunächst war die Anzahl der Firmen, die EDI betreiben konnten oder wollten, zu klein. Angesichts der hohen Einstiegskosten in die EDI-Welt mochte sich der Rationalisierungseffekt so nicht recht einstellen. Denn es galt nicht nur, teure EDI-Systeme anzuschaffen, auch die Kommunikation via Value Added Networks (VAN) stellte einen weiteren, nicht zu unterschätzenden Kostenfaktor dar (siehe Kas-ten: Kostenvergleich).

Die nach dem Erlernen des schweren Edifact-Standards nötige Entwicklung zusätzlicher, branchenspezifischer Edifact-Dialekte, macht einen allgemeinen Datenaustausch nicht unbedingt einfacher. Hinzu kommen noch nationale Standards, etwa Ansi X12 (American National Standards Institute) in Nordamerika oder deutsche EDI-Subsets wie VDA in der Automobilbranche oder Sedas in der Konsumgüterindustrie.

Aus diesem Dilemma resultierte eine begrenzte Anzahl potentieller Teilnehmer. Dies wiederum hielt Firmen von der Einführung eines elektronischen Datenaustauschs ab, da die Einsparpotentiale auf jeden Fall unter den Investitionskos-ten geblieben wären - ein Teufelskreis entstand. In EDI-Kreisen umschreibt man das ganze Prob-lem gern mit dem Fehlen der kritischen Masse.

Einführungskosten in vierstelliger Höhe

Dabei rechnet EDI sich schon für kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) mit relativ geringen Umsätzen: Die Einführungskos-ten für Internet-EDI belaufen sich einmalig auf 2.000 bis 3.000 Mark. Bereits nach fünf Belegen pro Tag wird wirtschaftlich gearbeitet.

Die obigen Kosten beziehen sich auf eine EDI-Lösung über ein Clearing-Center. Dieses übernimmt den Datentransport sowie die Konvertierung der verschiedenen Formate. Eine Inhouse-Lösung arbeitet hingegen erst ab einem Belegaufkommen von etwa 2.500 Stück pro Monat kostendeckend. Für große Unternehmen ist EDI vor allem auch für sogenannte C-Güter wie Büromaterial interessant. Wenn man bedenkt, wie viel Aufwand bei einer konventionellen Bestellung entsteht, ist die elektronische Variante auf jeden Fall vorzuziehen. Das Einsparpotential allein in Deutschland beläuft sich hier auf etwa sieben Milliarden Mark.

Laut dem Marktforschungsinstitut Forrester Research machen allerdings erst etwa fünf Prozent der Unternehmen, für die sich ein Einsatz von EDI lohnen würde, Gebrauch vom elektronischen Datenaustausch.

Mit dem Siegeszug von Internet-Technologien kommen nun allerdings einige neue Faktoren auf, die eine Lösung der meisten oben erwähnten Probleme in Aussicht stellen.

Hier hat sich nun der Begriff Internet-EDI eingebürgert: Darunter versteht man die Nutzung des Mediums Internet zum Transport von Edifact-Nachrichten.

Das zunächst als unsicher bezeichnete Internet hat mit der Entwicklung von Verschlüsselungsverfahren an Seriosität gewonnen, denn immerhin handelt es sich bei Edifact-Botschaften häufig um sensib-le Geschäftsdaten wie Bestellungen oder Rechnungen.

Als die preiswertere Alternative beginnt das Netz der Netze bereits VANs abzulösen. Edifact-Nachrichten können als verschlüsselte E-Mails versendet, vom Empfänger in dessen Edifact-System eingespeist und dort weiterverarbeitet werden.

Eine zu VANs vergleichbare Transportsicherheit der Nachricht lässt sich im Internet dadurch erreichen, dass eine Rückmeldung über eingegangene EDI-E-Mails vereinbart wird. Zusätzlicher Vorteil dieser Variante ist, dass Sender und Empfänger nicht ständig empfangsbereit sein müssen.

Eine weitere Möglichkeit des Internet-EDI stellt die Nutzung des FTP-Protokolls dar. Die verschlüsselten Daten werden direkt in ein Verzeichnis des Handelspartners reingeschrieben beziehungsweise von dort herausgelesen - und das jeweils in automatisierter Form. Diese Variante des Internet-EDI wird bisher kaum genutzt, obwohl sie Vorteile beim Austausch umfangreicher Daten bietet.

Internetzugang und Webbrowser genügen

Einen anderen Weg geht "Web-EDI". Hier bietet der Großhändler seinen Partnern über einen Webserver HTML-Formulare an, die für Bestellungen oder Rechnungen genutzt werden können. Aus derartigen Formularen heraus wird eine Edifact-Nachricht für das EDI-Sys-tem des Großhändlers generiert und dort weiterverarbeitet.

Dies wiederum bringt sowohl Vor- und Nachteile mit sich. So braucht der Handelspartner nichts weiter als einen Internetzugang samt Webbrowser - eine Konfiguration, die in den meisten Betrieben ohnehin schon vorhanden ist oder keine allzu große Investition darstellt. Zudem ist das EDI-System beim Handelspartner unmittelbar und ohne Installation oder weitere Investitionen in Software nutzbar. Somit ließe sich auch leicht die kritische Masse erreichen, die EDI zum sinnvollen Instrument auch für den Mittelstand werden lässt.

Allerdings hat das Web-EDI-Verfahren auch Nachteile. Einer liegt darin, dass ein Partner von jedem seiner Web-EDI-Lieferanten eine andere Web-EDI-Seite vorgesetzt bekommt, in die er sich neu einarbeiten muss. Zum anderen wird die Medienbruchfreiheit von EDI nicht mehr beibehalten.

Der Handelspartner, der über kein EDI System verfügt, erzeugt nämlich einen Medienbruch, denn er gibt Daten doppelt ein, was unter Umständen zu Fehlern führen kann. Um dies zu verhindern, müssten optimaler Weise Daten aus dem in der Regel nicht EDI-fähigen Warenwirtschaftssystem des kleinen Handelspartners automatisch in die elektronischen Bestellungen, Rechnungen oder Lieferscheine eingegeben und wieder aus ihnen heraus gelesen werden.

Der Markt für derartige Lösungen wird derzeit von Handelsportalen wie Global Net Xchange beherrscht. Dort wickeln Hersteller und Lieferanten hauptsächlich ihre Bestellungen ab.

XML - das Allheilmittel

Der bisher für den elektronischen Datenaustausch zwischen Unternehmen eingesetzte Edifact-Standard weist neben den nicht zu unterschätzenden Vorteilen, wie vollständig dokumentierte Standardisierung von Geschäftsdaten, Standardsoftware und ausreichendes Know-how für weitere Datenverarbeitung, mindestens einen gravierenden Nachteil auf: die hohe Komplexität und damit verbundene Unübersichtlichkeit. Daraus ergeben sich entsprechend hohe Anfangsinvestitionen.

Mit der Einführung von XML (Extensible Markup Language) steht eine offene, verständliche Datenbeschreibungssprache zur Verfügung, die auch EDI nachhaltig beeinflussen wird. XML bietet eine einfache Lösung, auch hoch komplexe Daten in ein leserliches und leicht verständliches Format zu bringen. Durch die Verknüpfung von Daten und Datenbeschreibung in einem Dokument ist auch eine zukünftige Lesbarkeit der Daten gewährleistet, was einen gewaltigen Vorteil gegenüber Edifact darstellt (Siehe auch Kasten: Vergleich zwischen einer EDI- und einer XML Nachricht).

Ein gravierender Nachteilt von XML gegenüber EDI ist dessen Overhead: Eine XML-EDI-Datei ist dadurch 10-bis 15-mal größer als die Original-Edifact-Nachricht, wenn deren Rückwärtskompatibilität gewährleistet werden soll. Bei den knappen Bandbreiten im Internet ist dies natürlich bedenklich, wenn beispielsweise Kataloge von 10 MB Datenmenge und mehr via Edifact verschickt werden sollen.

Ein weiteres Problem von XML-EDI stellt die Tatsache dar, dass jeder Handelspartner seine eigene Datenstruktur als "offenen Standard" deklarieren kann - darauf hat sich sein Handelspartner dann gefälligst einzustellen. Damit ist natürlich jeder Normierungsgedanke dahin. Es besteht allerdings die Möglichkeit zur Einrichtung sogenannter "Repositories". In diesen Sammelstellen werden dann die Standards veröffentlicht. Deren gleichzeitige Nutzung für die selbe Funktion setzt jedoch "Mapping" voraus, also eine eindeutige Zuordnung der verschiedenen XML-Strukturen zueinander. Um diesem Wildwuchs Einhalt zu ge- bieten, wurde 1999 die DIN-Norm 16557-4 geschaffen, über die im Moment als ISO-Vorschlag diskutiert wird.

Eine weitere Hürde für den Marktdurchbruch von XML bilden die sogenannten Data Type Descriptions (DTDs), die XML-Daten auf deren strukturelle Richtigkeit hin überprüfen, zu Neudeutsch validieren. Nun weisen aber die DTDs einige Nachteile auf, was deren Lesbarkeit und Mächtigkeit in Bezug auf verschiedene Datentypen angeht.

Hier ist allerdings Besserung in Sicht: die Schemata. Diese sind in XML formuliert und sorgen dafür, dass einzelne XML-Tags bestimmten Datenformaten wie Währung, Temperatur oder Druck eindeutig zugeordnet werden. Allerdings ist das Schema-Format noch nicht vom W3C-Konsortium abgesegnet.

Rosige Zukunftsaussichten

Durch die Nutzung des Mediums Internet und weiterer Technologien wie XML erhält EDI eine "zweite Chance". Die Prognosen für B2B-E-Commerce stehen bekanntlich gut. Das Gespann Internet, Web und XML könnte EDI weit nach vorne bringen, wenn Fehler der 90er Jahre, wie der Subset-Wildwuchs, vermieden werden. Einen schweren Stand bekommen jedoch die teuren VAN-Provider - das Mediums Internet ist nun mal auch für Edifact die kostengünstigste Alternative.

www.software-architekten.de

www.w3.org/xml

www.edifact-wg.org

www.unece.org

www.globalnetxchange.com

*Andreas Thaler arbeitet als Consultant bei der DSA GmbH in Essen.

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