Meetings: Jede Nation hat ihre Eigenheiten

17.10.2002
Was für die allgegenwärtigen Besprechungen in deutschen Unternehmen typisch ist, muss nicht unbedingt auch bei unseren europäischen Nachbarn gelten. Dieser These wollte eine Studie nachgehen und hat zu diesem Zweck die Unterschiede in der Meeting-Kultur in Deutschland, Großbritannien, Frankreich und Schweden herausgearbeitet.

Dass Meetings in verschiedenen Ländern unterschiedlich beurteilt werden und sich ihre Teilnehmer unterschiedlich verhalten, liegt nahe. Zu unterschiedlich sind die Charakterzüge der Nationen, als dass Besprechungen identisch ablaufen würden. Mit einer Umfrage unter 1.017 europäischen Führungskräften und Mitarbeitern glaubt Schell Marketing Consulting, diesen Sachverhalt bewiesen zu haben. Zu die-sem Zweck hat das Unternehmen in Deutschland, Großbritannien, Frankreich und Schweden jeweils mindestens 250 Firmenvertreter interviewt.

Zu Wort kamen sowohl Führungskräfte als auch Angestellte ohne Leitungsfunktionen von kleinen, mittleren und großen Firmen. Die Befragten waren in verschiedenen Branchen tätig, von der Industrie über Handel und Banken bis hin zu Dienstleistungsunternehmen. Aus diesen Gründen bezeichnet Schell die Erhebung als repräsentativ.

Unter einem "Meeting" wurde dabei eine Zusammenkunft von mindes-tens drei Arbeitskollegen verstanden, der verschiedene Interessensgruppen beiwohnten. Pro Frage standen zahlreiche Antworten zur Auswahl, zum Beispiel 21 bei der Frage nach dem Verhalten während des Meetings. Sie reichten von "Ich führe das Protokoll" über "Ich warte darauf, endlich zu Wort zu kommen" bis hin zu "Ich denke an etwas Erotisches".

Konstruktive Deutsche, destruktive Franzosen

Die erste Frage betraf das Verhalten der Teilnehmer in einem Meeting (siehe Grafik "Aufpassen und mitarbeiten"). Es zeigte sich, dass die überwiegende Mehrheit der Europäer aktiv mitarbeitet anstatt abzuschalten und zu träumen. Die Deutschen und die Schweden sind dabei ganz besonders aktiv und konstruktiv (jeweils etwa 90 Prozent), während bei den Franzosen und Briten der Anteil der passiven und destruktiven Teilnehmer höher ist (jeweils über 15 Prozent). Die meisten aktiv und konstruktiv mitarbeitenden Konferenzteilnehmer finden sich in mittleren Unternehmen.

Bei der Frage nach einem erfolg-reichen Meeting (siehe Grafik "Schlüssel zum Erfolg") kam heraus, dass die Rahmenbedingungen (zum Beispiel einwandfrei funktionierende Technik oder störungsfreier Meeting-Ort) und die Qualität der Teilnehmer (inhaltlich vorbereitet und motiviert) gleichermaßen stimmen müssen.

Die Studie offenbarte große Unterschiede zwischen den beteiligten Nationen. Die Schweden zum Beispiel legen besonders viel Wert auf die Qualität der Teilnehmer - nur bei ihnen nannten mehr als 50 Prozent der Befragten dieses Kriterium als maßgebend für einen Erfolg. Die richtige Atmosphäre ist dagegen für die Franzosen besonders wichtig, also Fragen wie "Gibt es etwas zu essen oder zu trinken?" oder "Passen mir die Nachbarn zu meinen Seiten?"

Ein weiteres Ergebnis: Die Qualität der Teilnehmer liegt besonders den kleinen Unternehmen am Herzen. Für sie ist das Verschwenden von Geld und Zeit durch schlecht vorbereitete Teilnehmer eher ein Problem als für große Firmen.

Die mangelnde Qualität der Teilnehmer ist für Europäer der größte Hemmschuh für ein erfolgreiches Meeting (siehe Grafik "Nachlässig und oberflächlich"). Die Schweden und die Franzosen ärgern sich über planlose und lustlose Kollegen am meisten (jeweils über 65 Prozent der Befragten), die Deutschen und die Briten sehen oftmals auch schlechte Rahmenbedingungen als Grund für Misserfolge an (jeweils knapp 40 Prozent der Befragten). Europaweit gilt jedoch, dass in großen Unternehmen viel eher schlechte Rahmenbedingungen als Grund für den Misserfolg einer Besprechung gesehen werden als bei kleinen Firmen.

Die Studie fand auch heraus, dass Visualisierungstechnik mittler-weile zur Grundausstattung von Meeting-Räumen gehört und als selbstverständliche Voraussetzung angesehen wird: Nur vier Prozent der Befragten gaben Probleme mit Präsentationstechnik oder schlechte Darstellungsmöglichkeiten als Grund für Misserfolge bei Meetings an.

Die vierte Frage der Schell-Untersuchung beschäftigte sich mit dem Anteil der produktiven Meetings in den europäischen Firmen. Die Befragung ergab, dass durchschnittlich 58 Prozent der Meetings wirklich produktiv sind. In Großbritannien und in Schweden liegt dieser Wert sogar bei über 60 Prozent, während in Deutschland nur etwa 50 Prozent der Besprechungen als wirklich produktiv angesehen werden. Zu beachten ist, dass dies die Einschätzung der Teilnehmer selbst ist - und die hängt natürlich auch immer von den Erwartungen ab, mit denen sie in die Konferenz gegangen sind. Es zeigte sich aber auch: Je größer das Unternehmen ist, desto weniger Meetings werden als produktiv empfunden.

Schließlich wollte Schell noch wissen, wie oft die Befragten pro Woche in einem Meeting sitzen. Demnach besuchen die ausgewählten Europäer im Durchschnitt 3,2 Meetings pro Woche. Auch hier gibt es deutliche Unterschiede: Die Deutschen und die Schweden nehmen durchschnittlich an vier, die Franzosen nur an 1,6 Meetings pro Woche teil. Nicht überraschend: Je größer das Unternehmen, desto höher die Anzahl der Meetings pro Woche, und je höher die Position im Unternehmen, desto mehr Meetings sind zu absolvieren: Führungskräfte kommen im Durchschnitt auf 4,1, Mitarbeiter nur auf 1,9 Meetings pro Woche.

Das Fazit von Schell: Meetings sind besser als ihr Ruf und zu einem ganz wichtiger Bestandteil im europäischen Geschäftsalltag geworden. Von den Teilnehmern werden sie längst nicht mehr als lästige Pflichtübung oder Zeitverschwendung betrachtet. Die Leitung, Moderation und Präsentation übernimmt in der Regel der Manager selbst, nur in 37 Prozent der Besprechungen fallen diese Auf-gaben anderen Mitarbeitern zu.

Die nationalen Unterschiede, die durch die Befragung in Deutschland, Großbritannien, Frankreich und Schweden ans Licht kamen, veranlassten Schell, eine Typologie der Meeting-Teilnehmer zu erstellen. Heraus kam das Bild des quirligen, kommunikativen Franzosen, des pflichtbewussten, selbstkritischen Deutschen, des disziplinierten, hierarchiebewussten Briten und des ergebnisverwöhnten, sozialen Schweden.

Demnach liebt der Franzose Meetings, sie stellen für ihn eine soziale Komponente im Arbeitsleben dar. Er geht sie sehr lebhaft an, ihm ist das Plaudern mit Kollegen wichtig. Der Franzose legt viel Wert auf gute Konferenzverpflegung, er ist aber recht unaufmerksam und bereitet sich nicht gerne auf Meetings vor. Daher gibt es in französischen Meetings oftmals keine gemeinsam erarbeitete Lösung.

In Deutschland sind die Teilnehmer besonders aufmerksam und aktiv. Hierzulande dürfen die Mitarbeiter auch eher eine Sitzung leiten beziehungsweise etwas präsentieren als anderswo. Die deutschen Führungskräfte sind aber überaus selbstkritisch und unzufrieden mit der Produktivität der Meetings.

Auf der britischen Insel sind die Mitarbeiter in der Regel Zuhörer. Die Konferenzen werden fast immer von den Managern selbst geleitet. Als Reaktion darauf ist der Anteil der passiven und destruktiven Teilnehmer besonders hoch, vor allem in großen Unternehmen. Den Briten sind klare Ergebnisse am Schluss der Besprechungen wichtiger als den anderen Nationen.

In schwedischen Meetings finden sich nur wenige passive und des-truktive Teilnehmer. Den Nordeuropäern sind die Qualität der Teilnehmer und ein Konsens am Schluss wichtig. Daher sehen die Schweden einen sehr großen Teil der Meetings als eine lohnende Zeitinvestition an.

www.schell-marketingconsulting.de

ComputerPartner-Meinung:

In dieser Ausführlichkeit hat bisher noch kein Marktforschungsunternehmen das Verhalten in und die Bewertung von BusinessMeetings in verschiedenen europäischen Ländern untersucht. Schell gelang es zudem, in der Studie quantitative und qualitative Aussagen miteinander zu verknüpfen. Zu beachten ist, dass die Erhebung zwar repräsentativ ist, aber an der untersten Grenze liegt. Da viele Werte prozentual eng beieinander liegen, könnte sich bei einer größeren Stichprobe in einigen Fällen ein anderes Bild ergeben. Und da mit Schell eine deutsche Firma die Studie durchgeführt und analysiert hat, fiel es dem Unternehmen relativ schwer, den Deutschen selbst eine bestimmte Meeting-Kultur zuzusprechen. (tö)

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