Mehrwert für Getränkehändler

04.03.2004
Mit einer Branchenlösung lässt sich relativ einfach der Marktzugang realisieren. Doch irgendwann sollte man ein weiteres Standbein aufbauen. Genau dies realisierte die 1996 gegründete Edirekt-ITM GmbH mit ihrem Beitritt zum 1eEurope-Partner-Netzwerk. Von ComputerPartner-Redakteur Dr. Ronald Wiltscheck

Kurz nach ihrer Umbenennung in 1eEurope kontaktierte die ehemalige Edirekt-ITM das erste Mal die Gefako-Verbundgruppe. Die dort zusammengeschlossenen und im süddeutschen Raum agierenden Getränkegroßhändler suchten Anfang 2001 nach einer Plattform, die es ihnen ermöglichen sollte, zeitnah Informationen über die Konditionen ihrer Lieferanten zu erhalten. Es ging darum, ohne Verzögerung über Sonderaktionen der Getränkehersteller zu erfahren, um auf aktuelle Angebote rasch zu reagieren und zusätzliche Bestellungen zu tätigen.

Diese komplexe Aufgabenstellung erforderte erstmals eine detaillierte Vorbereitung - sowohl seitens des Endkunden als auch bei 1eEurope Deutschland. So verwundert es nicht, dass die anfänglichen Verhandlungen sich über anderthalb Jahre hinzogen. Mitte 2002 begann schließlich der Dienstleister, ein so genanntes Grobpflichtenheft zu erstellen. Diese umfangreiche Arbeit nahm etwa ein Jahr in Anspruch, unmittelbar danach ging der Systemintegrator daran, ein detailliertes Feinpflichtenheft auszuarbeiten. Dieses war nach einem halben Jahr vollendet, sodass es Mitte 2003 mit der eigentlichen Implementierung losgehen konnte.

Hierbei stand von Anfang an fest, dass die gesamte DV-Infrastruktur für das Gefako-Netz in den Räumen von 1eEurope in Sindelfingen beheimatet sein sollte. Das Systemhaus trat hier also als klassischer ASP (Application Service Provider) auf. Der Kunde, aber die Brauereien, Getränkeabfüller, Lieferanten und Einzelhändler, würden nur einen Internetzugang benötigen, um an die für sie relevanten Daten heranzukommen und eigene Informationen der Gefako GmbH zur Verfügung zu stellen.

Drei Server fürs Category Management

Alle Anfragen, ob von den Lieferanten oder den Händlern, strömen in das Clearing Center von 1eEurope. Erste Anlaufstation ist dort der Webserver. Von da gelangen die Informationen in die Datenbank - allerdings in den unterschiedlichsten Formaten, sodass die Daten häufig konvertiert werden müssen, damit sie von allen Berechtigten gelesen werden können. Diese Aufgabe fällt dem EDI-System "EDI Tie" zu, das auf dem dritten Windows-2000-Server vor sich hin werkelt (siehe auch schematische Skizze).

Auf diesem Kommunikationsrechner verrichtet auch die "Telelogos Media Transfer"-Software ihre Arbeit. Es handelt sich dabei um ein System zum automatisierten Datenaustausch zwischen verteilten Anwendungen. Eigentlich für die Kommunikation zwischen ferngewarteten Computern mit einem Zentral-Rechner konzipiert, sorgt die Telelogos-Software bei Gefako dafür, dass die ins richtige Format konvertierten Informationen der Datenbank und dem Webserver zur Verfügung stehen und an die Getränkehersteller und die Gefako-Mitglieder versendet werden.

Den eigentlichen Kern der Anwendung bei dem Getränkehändlerverbund stellt aber das von 1eEurope entwickelte "Category Management" dar. Dieses sortiert sämtliche einlaufenden Produktdaten anhand der selbst definierten Kategorien. So lassen sich beispielsweise in den verschiedenen Warenbereichen zusätzlich untergeordnete Artikelgruppen bilden. Dabei muss die Herkunft der Ware keine Rolle spielen - ebenso wenig wie der Name des Herstellers oder des Lieferanten. Einzelne Artikelgruppen können einzig und allein durch ihre Eigenschaften definiert werden. So kann dann der Großhändler nach Mineralwässern mit niedrigem Nitratwert suchen, oder sich die Liste aller Weißbiersorten zusammenstellen lassen.

Selbstredend ist so etwas bei mehr als 400 Herstellern und Lieferanten, die den Gefako-Verbund mit Getränken versorgen, nicht in einer Woche getan. Für die Implementierung des Category-Management-Systems inklusive der EDI-Konvertierung und des Kommunikationsservers benötigte 1eEurope etwa 1.000 Personentage in der zweiten Jahreshälfte 2003. Gleichzeitig war dies im vergangenen Jahr das größte Projekt des württembergischen Dienstleisters; es band zeitweise die Hälfte seiner 16-köpfigen Mannschaft ein.

Gefako bestimmt, wer was tun darf

Nun erhalten die etwa 130 Gefako-Gesellschafter umfangreiche Informationen über das Sortiment ihrer Lieferanten. Dafür, dass die Mitglieder nur auf die für sie freigegebenen Daten zugreifen dürfen, sorgt ein von 1eEurope ausgefeiltes Rollenkonzept. Jeder Gesellschafter erhält ein Profil, anhand dessen er Zugang zu den gewünschten Informationen erhält. Doch die Gefako-Zentrale kann diese Berechtigung noch verfeinern, indem sie einzelnen Mitgliedern unterschiedliche Rollen zuweist. So darf dann etwa ein Gesellschafter seine Daten nur einsehen, während ein anderer sie automatisch mit dem eigenen Warenwirtschaftssystem zu synchro-nisieren vermag. Wiederum ein weiterer Mitarbeiter möchte bei speziellen Marketingaktion der Lieferanten aktiv benachrichtigt werden - auch so etwas lässt sich im Sindelfinger Clearing Center einrichten.

Zugleich stellte diese Rollenzuteilung eine der größten Herausforderungen innerhalb des vorliegenden Projekts. So musste etwa 1eEurope sicherstellen, dass die einzelnen Getränkeabfüller nur ihre eigenen Daten sehen dürfen und auf keinen Fall die ihrer unmittelbaren Konkurrenten. Herstellerübergreifende Lieferanten sollten dagegen von dieser Einschränkung ausgenommen sein. Zusätzlich erlaubt ihnen das System, die Preise für die unterschiedlichen Warengruppen festzulegen. Die Gefako-Gesellschafter wiederum haben Einsicht in fast alle Daten; ändern dürfen sie allerdings nur die eigenen Preise und die selbst definierten Artikelnummern.

Unerwartet schwierig gestaltete sich die Abbildung der logistischen Prozesskette Hersteller - Lieferant - Großhändler im Gefako-Netz. Denn jeder der daran Beteiligten definiert seine Preise und Rabattstaffeln in Eigenregie. Hierbei gibt es unterschiedliche Mindestbestellmengen und Gültigkeitsdauern, sodass sich der Preis für einen bestimmten Artikel unter Umständen täglich ändern kann. "Genau dies passiert auch in der Praxis", weiß 1eEurope-Geschäftsführer Dietmar Weber zu berichten.

Hinzu kommen umsatzabhängige Zu- und Abschläge, sodass der Einkaufspreis nicht nur von Lieferant zu Lieferant, sondern auch von Abnehmer zu Abnehmer differieren mag. Auch hier gibt es noch zusätzlich zeitlich begrenzte Rabattaktionen.

Diese komplexe Logik existierte bis dato nur auf dem Papier, nun lässt sie sich aus dem Category Management bequem online abrufen. "Die Preisfindung ist jetzt für alle Beteiligten wesentlich transparenter geworden", erklärt Weber. In der Tat, die einfach klingende Frage: "Was kostet mich ein Artikel", beantwortet das Systeme nun für jedes Gefako-Mitglied individuell.

Selbstverwaltung war erwünscht

Damit die Mitarbeiter der Gefako-Zentrale sämtliche Änderungen an dem Category-Management-System selbst vornehmen können, erhielten sie von 1eEurope eine ausführliche Einweisung in das System. Der Schulungsaufwand hielt sich aber mit 15 Personentagen in Grenzen, wenn man ihn im Kontext des Gesamtprojektumfangs betrachtet.

Weit umfangreicher gestaltete sich hingegen die DV-technische Integration der einzelnen Gesellschafter in das Gefako-Netz. Deren IT-Landschaften unterschieden sich doch sehr stark voneinander. 1eEurope fand dort neben Windows-Systemen und Netware-Netzwerken auch Linux-Maschinen und Unix-Workstations, auch ein I-Series-Server (vormals AS/400) war dort des Öfteren anzutreffen.

Dennoch hat sich der Aufwand gelohnt, denn nun können die Gefako-Gesellschafter in einem Umfeld, in dem sich täglich Preise und Konditionen ändern, zu dem ihnen am günstigsten erscheinenden Zeitpunkt die Getränke bestellen. Außerdem erhalten sie fortdauernd Informationen über Sonderaktionen, Rabatte und Ähnliches. Im Gegenzug leiten die Händler ihre Umsatzdaten an die Zentrale weiter.

Gefako kann daraus ihre Schlüsse ziehen und neue Waren anfordern, sich schlecht verkaufende Artikel abbestellen beziehungsweise weitere Lieferanten mit ins Boot nehmen. Dies wiederum bindet die Gesellschafter stärker an den Verbund, da sie von Gefako erkennbare zusätzliche Services erhalten.

Für den Dienstleister hat sich das vorliegende Projekt ebenfalls gelohnt. 1eEurope hat hier ein marktreifes Internet-basierendes Category-Management-System entwickelt. Diese Plattform bieten die Schwaben nun auch Verbundgruppen außerhalb des Getränkegroßhandels an.

Meinung des Redakteurs

Category Management ist als EDV-Begriff noch wenig bekannt. Ob er sich nun durchsetzen wird oder nicht, spielt für 1eEurope vorerst keine Rolle. Mit der eigenen Lösung ist der Sindelfinger ASP auf jeden Fall aus der vor fünf Jahren selbst erwählten Nische (Möbel- und Textilbranche) herausgetreten. Wie das vorliegende Projekt aufzeigt, lassen sich Produktmanagement-Systeme horizontal einsetzen.

Steckbrief

Telelogos GmbH

Telelogos wurde 1982 in Frankreich gegründet. Das Unternehmen entwickelt Software zur Automatisierung von Austauschprozessen zwischen einem Zentralrechner und mehreren daran angeschlossenen Fernanwendern. Zu den zwei wichtigsten Produkten der Company zählt das EAI-System "Media Contact" sowie die Kommunikationslösung "Media Transfer". Letztere kam in dem vorliegenden Projekt zum Einsatz. RW

Solution Snapshot Gefako GmbH & Co.

Kunde Gefako GmbH & Co. KG, www.gefako.de

Problemstellung Mitglieder des Gefako-Verbundes sollten umfassend über die Konditionen ihrer Lieferanten informiert werden; die Zentrale benötigt die POS-Informationen von allen Gesellschaftern

Lösung Datenbank: Microsoft SQL Server

Betriebssystem: Windows 2000 Server

Datenkonvertierung: Clearing Center mit der EDI-Lösung "EDI Tie"

Datenkommunikation: Telelogos Media Transfer

Architektur: Internet-Applikation mit unterschiedlichen Zugriffs rechten für Hersteller, Lieferanten und Händler

Entwicklungsplattform: Microsoft Dotnet

Dienstleister 1eEurope Deutschland GmbH, www.1eeurope.de

Technologie-Lieferant Telelogos GmbH, www.telelogos.de

Kontaktaufnahme Kaltakquise

Verhandlungsdauer 18 Monate

größte Herausforderung Zuweisung der unterschiedlichen Rollen für Hersteller, Lieferanten und Händler

unerwartete Schwierigkeiten bei der Integration der unterschiedlichen IT-Landschaften der Gesellschafter

Implementierungsdauer 6 Monate

Dienstleistungsumfang 1.000 Manntage

Projektaufteilung fünf Prozent für Hardware-Anschaffungen; zehn Prozent für Softwarelizenzen; 85 Prozent für die Dienstleistung

Wartung Service-Verträge mit langer Laufzeit sollen die Zusammenarbeit langfristig absichern

Schulungsaufwand 15 Manntage für die Schulung der Mitarbeiter in der Gefako-Zentrale

Benefit für Kunden optimale Auswahl von Bestellzeitpunkten; tagesaktuelle Preis- und Sortimentsinformationen; Bindung der Gesellschafter an Gefako

Benefit für den Dienstleister marktreifes Internet-basierendes Category-Management-System wird nun weiteren Verbundgruppen angeboten

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