Meisterbrief für Computerhändler?

08.06.1998

MÜNCHEN: Bei der Frage, wie es um den Meisterzwang für EDV-Betriebe momentan bestellt sei, scheiden sich die Geister. Dennoch scheint sich die Diskussion um die noch immer umstrittene Ausübung bestimmter Tätigkeiten ohne Meistertitel erst einmal beruhigt zu haben.Nach der Novelle der Handwerksordnung, die im vergangenen Februar vom Parlament verabschiedet wurde, werden PC-Instandsetzung mit vorgefertigten Modulen, EDV-Dienstleistungen sowie die vieldiskutierte "strukturierte Verkabelung" ausdrücklich nicht dem Handwerk zugeordnet (siehe auch ComputerPartner, Ausgabe 3/98, Seite 1). Und tatsächlich scheint sich die größte Aufregung in der Branche momentan gelegt zu haben.

"Wir sehen die Situation im Augenblick positiv", meint auch Frank Garrelts, Vorstand der Händlerkooperation Akcent Computerpartner, zuversichtlich. Das letzte Treffen zum Thema, initiiert vom SPD-Bundestagsabgeordneten Jörg Tauss, bei dem sowohl Vertreter des Handwerks, der IHK als auch einiger Hersteller im April in Bonn zusammengekommen waren, hat bei Teilnehmer Garrelts einen angenehmen Nachgeschmack hinterlassen. "Es war ein sehr konstruktives Gespräch, bei dem wir feststellten, daß wir eigentlich gar nicht so weit voneinander entfernt sind", weiß der Akcent-Vorstand zu berichten. Bestätigt wurde das in seinen Augen auch durch eine Abhandlung von Heinrich Kolb, Parlamentarischer Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, die dieser zum Gesetz zur Änderung der Handwerksordnung verfaßt und im Gewerbearchiv veröffentlicht hat. Zitat: "Entgegen geäußerter Befürchtungen aus der Branche bleibt es im übrigen dabei, daß der Zusammenbau von Rechnern aus Fertigteilen, PC-Service und Reparaturen - soweit solche überhaupt noch erfolgen -, insbesondere Reparaturen durch Austausch von Fertigteilen oder sonstige einfachere Reparaturen weiterhin keiner Meisterprüfung bedürfen. Im Einzelfall muß gegebenenfalls die Rechtsprechung die konkrete Grenze ziehen." Auch wenn Garrelts den Text lieber im Gesetz als in einer Abhandlung gelesen hätte, ist Kolbs Statement seiner Ansicht nach ebenso wertvoll wie ein Präzedenzurteil.

Rückenstärkung für Gewerbefreiheit

Parallel dazu legen sich auch andere Institutionen für die Wahrung der Gewerbefreiheit ins Zeug: So setzt sich die Bonner Monopolkommission, ein unabhängiges Gremium, das Regierung und Parlament berät, momentan für die Abschaffung des Meisterzwangs in Deutschland ein. Nach Ansicht des Kommissionsvorsitzenden Carl Christian von Weizsäcker ist die Rücknahme staatlicher Regulierungen auch im Handwerk notwendig. Für das Gremium ist die Meisterqualifikation als Bedingung zur Führung eines Handwerksbetriebs nicht mehr stichhaltig. Da Handwerker daran gehindert würden, selbständig ein Gewerbe auszuüben, bedeute das vielmehr einen "massiven Eingriff in die individuellen Freiheitsrechte". Die Kommission weist außerdem auf den Nachteil hin, den deutsche Betriebe im Vergleich zum EU-Ausland hätten, da Handwerker dort keinen Meisterbrief benötigten. Außerdem führe der regulierte Handwerksbereich zu höheren Preisen als sonst in Europa üblich. Das begünstige wiederum die Schwarzarbeit. Als Voraussetzung für die Ausbildung von Lehrlingen hält das Gremium die Meisterqualifikation allerdings weiterhin für sinnvoll.

Auch der Deutsche Industrie- und Handelstag (DIHT) will die Einschränkung der Gewerbefreiheit und die möglicherweise folgende Abwanderung von Fachbetrieben ins Ausland notfalls mit rechtlichen Mitteln bekämpfen.

Abmahnung aus Meisterhand gerät zum Eigentor

Die aktuelle Rechtsprechung läßt jedoch nach wie vor Raum einerseits für Spekulationen, andererseits für gerichtliche Auseinander-setzungen. Dies etwa in Form von Klagen der Handwerkskammern gegen EDV-Dienstleister, nicht zuletzt aber auch zwischen Kollegen im IT-Handel, die sich gegenseitig via Abmahnungen den Krieg erklären. Ein aktuelles Beispiel: Der Rechtsstreit zweier Konkurrenten - Meisterbetrieb der Kläger, "normaler Sterblicher" der Beklagte -, deren Betätigungsfelder sich überschneiden.

Anfang letzten Jahres erhielt ein PC-Dienstleister eine Abmahnung von einem Kollegen, der ihm Verstoß gegen UWG (Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb) zur Last legte: Bei den von ihm angebotenen Leistungen - unter anderem "Hardwarebetreuung", "Vor-Ort- beziehungsweise Werkstatt-Service" sowie "Reparatur von No-name-PCs" - handele es sich um "wesentliche Teiltätigkeiten" des Büroinformations-elektronikerhandwerks. Dieses wiederum erfordere den Meisterbrief beziehungsweise eine Eintragung in der Handwerksrolle bei der zuständigen Handwerkskammer, die jedoch im Falle des Beklagten nicht vorliege. Der Kläger forderte seinen Konkurrenten auf, eine Unterlassungserklärung zu unterzeichnen und drohte andernfalls gerichtliche Schritte an.

Der unerschütterliche Händler ließ es jedoch lieber auf eine Klage ankommen. Mit eher untypischem Erfolg: Vor dem Landgericht Karlsruhe fielen die Würfel zugunsten des meistertitellosen Einzelkämpfers. Der Richter wies die Klage als unbegründet ab. Die Kosten des Rechtsstreits hatte der Kläger zu tragen. Begründung: "Die Tätigkeiten des beklagten Unternehmens unterfallen nicht den Vorschriften der Handwerksordnung" (ausführliche Urteilsbegründung siehe Kasten).

Rat und Tat im Konfliktfall

Ungeachtet der momentanen Zuversicht - "seit unserer Runde in Bonn habe ich von keinem Fall mehr gehört, in dem es diesbezüglich Probleme mit der Handwerkskammer gegeben hätte" -, will sich Akcent-Vorstand Garrelts offenbar nicht auf die augenblickliche "Waffenruhe" verlassen. Deshalb weist er auf die "Aktion Gewerbefreiheit" hin, einen Verein, den er zusammen mit Gleichgesinnten unter anderem aus der Politik sowie dem Unternehmerinstitut der Arbeitsgemeinschaft Selbständiger Unternehmer (ASU) zur Förderung der Gewerbefreiheit gegründet hat. Im Falle eines Konflikts mit einer Handwerkskammer empfiehlt er Händlern, sich entweder über das Internet (www.gewerbefreiheit.de) an den Verein oder direkt an Akcent Computerpartner zu wenden. "Wir nehmen uns der Sache an", sagt er zu. "Und das gilt auch für Händler, die nicht Mitglied der Kooperation

sind. (taf)

Frank Garrelts, Vorstand der Händler-Kooperation Akcent Computerpartner, zur Diskussion um den Meistertitel für EDV-Betriebe: "Wir sehen die Situation im Augenblick positiv."

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