Microsoft agiert am Mittelstand vorbei

19.09.2002

Anfang dieses Monats hat Microsoft sein neues Lizenzmodell"Open License 6.0" um eine weitere Option bereichert: Wer möchte, kann die aktuelle Windows- oder Office-Version zunächst drei Jahre mieten und anschließend kaufen. Mit diesem "Mietkauf" genannten Angebot möchte der Softwarehersteller auch den hiesigen Mittelstand für sein Lizenzverfahren begeistern.

In Deutschland hat sich bisher nur jeder dritte mittelständische Microsoft-Kunde für das neue Lizenzmodell entschieden, und das, obwohl es vor fast einem Jahr in Kraft getreten und mit diversen "Umsteighilfen" versehen worden ist. Auch die Wiederverkäufer bleiben skeptisch: Jeder vierte von ihnen glaubt, dass Microsoft an den Bedürfnissen des Marktes vorbeiagiert, dies ergab eine aktuelle Umfrage von ComputerPartner Online. Kommentare unserer Leser wie: "Wir stellen 650 Desktop-PCs und 20 Server auf Linux um", "arrogante Lizenzabteilung" oder "Zwangsregistrierung macht nur bei großen Unternehmen Sinn" bestätigen das. Nicht nur der höhere Preis für Softwarelizenzen, sondern auch die stärkere Bindung an den Hersteller schreckt viele Kunden ab.

Doch genau diese Bindung schwebt Microsoft vor: Die Verantwortlichen in Redmond wissen ganz genau, dass sie nicht jedes Jahr den Markt mit einer neuen Office- oder Windows-Version beglücken können, Kunden wollen nicht alle zwölf Monate irgendwelche Software "auf den neuesten Stand" bringen. Jährliche Mieteinnahmen würden hingegen dem Softwarehersteller Planungssicherheit garantieren. Doch hier täuscht sich Microsoft: Mit jährlichen Ausgaben von über 200 Euro für jede einzelne Office-Lizenz ist die Schmerzgrenze bei den meisten Mittelständlern erreicht. Sie haben ohnehin mit exorbitant hohen Nebenkosten zu rechnen und müssen nun sparen, wo es nur geht, warum also nicht auch bei der Softwarebeschaffung?

Die ehrlichen unter den noch Unentschlossenen werden zu Linux und Open- oder Star-Office greifen, die anderen bei den Lizenzgebühren für Microsoft-Produkte schummeln. Aber genauso wenig wie der rechtschaffene Handwerker gegen den Schwarzarbeiter bestehen kann, wird Microsoft noch mit derx-ten BSA-Initiative gegen die Software-Piraten etwas ausrichten können. Analog zur Vorgehensweise bei der Bekämpfung von Schwarzarbeit: Senkung der Steuern und Sozialversicherungsbeiträge sowie Flexibilisierung des Arbeitsmarktes, müsste das Patentrezept für die Redmonder lauten: runter mit den Preisen, Portierung von MS Office auf Linux und Unterstützung von Word-Alternativen auf der Windows-Plattform. Dazu müsste aber Microsoft in zwei unabhängig voneinander agierende Companies zerschlagen werden, eine für das Betriebssystem, die andere für Anwendungen verantwortlich. Ein frommer Wunsch, der sobald nicht in Erfüllung gehen wird, genauso wenig wie die Reduzierung der Schwarzarbeit.

Ronald Wiltscheck

rwiltscheck@computerpartner.de

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