Alternative zu ChromeOS

Microsoft bereitet den großen Auftritt für Windows 10X vor



Andreas Th. Fischer ist freier Journalist im Süden von München. Er verfügt über langjährige Erfahrung als Redakteur bei verschiedenen IT-Fachmedien, darunter NetworkWorld Germany, com! professional und ChannelPartner. Seine fachlichen Schwerpunkte liegen in den Bereichen IT-Security,  Betriebssysteme, Netzwerke, Virtualisierung, Cloud Computing und KI. Über diese Themen schreibt er auch für Smokinggun.de.
Mit Windows 10X steht eine neue Windows-Version in den Startlöchern. Microsoft will damit an Google und ChromeOS verlorene Marktanteile zurückgewinnen.
Microsoft setzt mit Windows 10X auf ein neues Betriebssystem, das nicht direkt auf Windows 10 basiert.
Microsoft setzt mit Windows 10X auf ein neues Betriebssystem, das nicht direkt auf Windows 10 basiert.
Foto: VDB Photos - shutterstock.com

In diesem Jahr wird Microsoft mit Windows 10X erstmals wieder ein Betriebssystem auf den Markt bringen, das von Grund auf neu konzipiert wurde und bei dem viele Altlasten über Bord geworden wurden. Es basiert auf dem modularen Windows Core OS (WCOS), das seit 2017 in Entwicklung ist.

Ursprünglich sollte Windows 10X ein Betriebssystem für mobile Geräte mit zwei Bildschirmen werden. Diesen Fokus hat Microsoft aber mittlerweile verändert. Ein Anfang des Jahres aufgetauchter Leak demonstriert, dass Redmond mit Windows 10X an den Erfolg von ChromeOS anknüpfen will. Wie ähnlich sich die beiden Systeme sind, zeigt die Bilderstrecke.

ChromeOS holt kräftig auf

Google ist mit ChromeOS ein beeindruckender Erfolg gelungen. So wurden im vergangenen Jahr nach Berechnungen der Marktforschungsgesellschaft Canalys weltweit etwas mehr als 30 Millionen ChromeBooks verkauft. Das sind 74 Prozent mehr als noch 2019. Betrachtet man nur die Zahlen des jeweils vierten Quartals, dann ist der Zuwachs noch beeindruckender. So konnten Hersteller wie HP, Lenovo, Acer, Dell und Samsung im vierten Quartal 2020 insgesamt rund 11,2 Millionen Chromebooks absetzen. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum ist das eine Steigerung um 287 Prozent. Die Analysten rechnen damit, dass sich dieser Trend 2021 weiter fortsetzt.

Der Absatz von Chromebooks nimmt deutlich zu.
Der Absatz von Chromebooks nimmt deutlich zu.
Foto: Canalys

Die starken Zuwächse gehen nach Berechnungen von TrendForce vor allem auf Kosten von Windows-Notebooks. So ist der Anteil von Microsoft am weltweiten Laptop-Markt im vergangenen Jahr erstmals unter 80 Prozent gefallen. Chromebooks lagen bei 14,8 Prozent. In diesem Jahr werden voraussichtlich rund 18,5 Prozent aller verkauften Notebooks ChromeOS als Betriebssystem verwenden. Mittelfristig rechnet TrendForce damit, dass sich der Anteil von Windows am Notebook-Markt zwischen 70 und 75 Prozent bewegen wird, während der von ChromeOS bei 15 bis 20 Prozent liegen und der von MacBooks unter 10 Prozent stagnieren wird.

Kursschwenk bei Windows 10X

Die Entwicklung ist Microsoft nicht verborgen geblieben. Mit Windows 10X versucht der Hersteller nun, das Ruder herumzureißen und - zunächst im Enterprise- und Education-Bereich - an den Erfolg von ChromeOS anzuknüpfen.

Anfang des Jahres tauchte eine geleakte Version von Windows 10X im Internet auf. Sie lässt sich in einer virtuellen Maschine installieren und starten. Wer einmal mit einem Chromebook gearbeitet hat, erkennt schnell die Ähnlichkeiten. So funktioniert Windows 10X nicht ohne Anmeldung bei Microsoft. Wenn der Benutzer ein Office-Dokument bearbeiten will, landet er automatisch bei MS Office Online. Auch die restliche Bedienung erinnert stark an ChromeOS.

So hat Microsoft Windows 10X mit einem neuen Startsymbol ausgestattet, das sich zentral in der unteren Taskleiste befindet. Klickt man darauf, öffnet sich der Launcher mit den vorinstallierten Anwendungen. Zusätzliche Programme lassen sich nur über den Microsoft Store installieren. Eine Funktion, um herkömmliche Windows-Desktop-Anwendungen auszuführen, will Microsoft erst im kommenden Jahr nachreichen. Was ebenso fehlt ist etwa eine Eingabeaufforderung.

Andere Elemente wie der Benachrichtigungsbereich unten rechts erinnern ebenfalls an ChromeOS. Ebenso wie dort finden sich hier nicht nur Hinweise des Betriebssystems oder der installierten Anwendungen, sondern auch Schaltflächen zum Herunterfahren oder Neustarten des Systems.

Aber nicht nur bei der Oberfläche bestehen Ähnlichkeiten. So will Microsoft etwa bei den Aktualisierungen des Betriebssystems ähnlich wie ChromeOS vorgehen. Updates sollen sich ohne langwierige Neustarts installieren lassen. Stattdessen spielt Windows 10X neue Patches unauffällig im Hintergrund ein, während der Nutzer weiterarbeiten kann. Erst beim nächsten Neustart werden sie aktiviert. Wie gut das in der Realität funktioniert, muss sich aber noch zeigen.

Der Windows-10X-Leak

Woher der Leak stammt, ist nicht bekannt. Auf einer in Russland beheimateten Webseite lässt sich aber ein Skript herunterladen, das den eigentlichen Download durchführt. Anschließend finden sich auf der Festplatte mehrere Dateien. Eine von ihnen ist eine virtuelle Festplatte im VHDX-Format. Sie lässt sich in einen mit Hyper-V erstellten virtuellen PC einbinden.

Erst wird das Download-Skript für den Windows-10-Leak konfiguriert und dann kann es heruntergeladen werden.
Erst wird das Download-Skript für den Windows-10-Leak konfiguriert und dann kann es heruntergeladen werden.

Dieser virtuelle PC kann anschließend ausgeführt werden, um einen Einblick in Windows 10X zu erhalten. Die geleakte Version ist allerdings noch bei weitem nicht fehlerfrei. So lässt sie sich nicht auf Deutsch umschalten, auch wenn diese Option angezeigt wird. Das System bleibt in englischer Sprache. Auch beim Betrieb kommt es immer wieder zu Fehlern.

Wie bereits erwähnt, lassen sich herkömmliche Win32-Windows-Anwendungen nicht installieren. Erst im kommenden Jahr soll eine neue Container-Technik fertig sein, die dann ihre Ausführung ermöglichen wird. Im Vergleich zu ChromeOS wäre das ein großer Vorteil. Dort wird eine vollständige Virtualisierungslösung benötigt, um Windows-Anwendungen auszuführen. Auch die Integration in Active Directory und andere in Unternehmen verbreitete Microsoft-Umgebungen dürfte leichter fallen als mit dem Google-System.

Erste Computer mit Windows 10X im Frühjahr

Voraussichtlich im Frühjahr sollen die ersten Computer mit Windows 10X auf den Markt kommen. Soweit bislang bekannt, werden sie sich nur an professionelle Anwender in Unternehmen sowie an den Bildungsbereich richten. Spezielle Angebote für Endanwender werden wohl erst 2022 auf den Markt kommen. Mit einem Preiskampf in den unteren Segmenten ist daher zunächst nicht zu rechnen.

Die neue Oberfläche von Windows 10X, das bald auf den Markt kommen wird.
Die neue Oberfläche von Windows 10X, das bald auf den Markt kommen wird.

Dem Vernehmen nach will Microsoft Windows 10X nur als OEM-Version anbieten, die von PC- und Notebook-Herstellern auf ihren Produkten vorinstalliert werden kann. DVDs oder ISO-Dateien mit Windows 10X sollen nicht erhältlich sein. Damit wird es bis auf Weiteres nicht möglich sein, Windows 10X auf eigener Hardware selbst zu installieren.

Mit Windows 10S und Windows RT hat Microsoft bereits zwei Mal versucht, ein abgespecktes, aber sichereres Betriebssystem an den Mann zu bringen. Beide Anläufe sind gescheitert. Wenn der Hersteller aber nicht nur die positiven Aspekte von ChromeOS kopiert, sondern für eine enge Integration in die Windows-Welt in Unternehmen sorgt, dann könnte es diesmal klappen.

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