Microsoft bläst mit Windows CE zur Attacke im Handheld-Markt

29.07.1999

MÜNCHEN: Der weltweite Absatz von Handheld-Rechnern wird in diesem Jahr um 47 Prozent auf über 5,7 Millionen Stück steigen. Bis zum Jahr 2003 rechnen die Marktforscher der Gartner Group mit einem jährlichen Wachstum von mehr als 30 Prozent. Neben Marktbeherrscher 3Com mit seinem Palm-Betriebssystem, schickt sich die Windows CE-Allianz unter Führung von Microsoft nun an, mit verbesserter Soft- und Hardware sowie verstärktem Marketing Marktanteile aufzuholen."Schlaue Leute verbringen Stunden damit, sich mit neuen Technologien vertraut zu machen. Wirklich schlaue Leute finden einen Weg, sich darum zu drücken." Mit dieser plakativen Aussage wirbt Microsoft für das Betriebssystem Windows CE.

Werbung hat der viel geschmähte Windows-Ableger für Handheld-Computer auch dringend nötig. Obwohl die wichtigsten Schwächen der Vergangenheit mit dem jüngsten Software-Release abgestellt werden konnten (siehe auch Interview mit Microsoft-Manager Rolf Kersten auf Seite 65), mangelt es an Akzeptanz auf Kundenseite. Analysten zufolge war es ein Fehler, ein zwar vertrautes, aber mit Funktionen überladenes System für ein so kleines Gerät zu entwickeln. "Was auf einem PC läuft, kann nicht auf einem Handheld-Rechner funktionieren", so Matthew Norden bei Forrester Research.

Unter dem Codenamen "Rapier" arbeitet Microsoft mit Hochdruck an einer verbesserten Benutzeroberfläche für die Mini-PCs. Nach jüngsten Aussagen wird die Version 3.0 zum Jahresende verfügbar sein. Mit einem nach Unternehmensangaben dann echtzeitfähigen Betriebssystem soll der nervigen Sanduhr der Garaus gemacht werden. Mehr Details waren bisher nicht zu erfahren - wahrscheinlich, um dem Erzrivalen 3Com keine wertvollen Hinweise zu geben.

3Com zeigt wie's geht

Die Bedienungsfreundlichkeit der Geräte ist einer der Schlüssel zum Erfolg, da sind sich alle Experten einig. Das einfach zu handhabende "Palm OS" von 3Com verkauft sich fast doppelt so gut wie Windows CE. So konnte die Palm-Company im vergangenen Jahr mit einer Steigerung von 57 Prozent insgesamt 1,6 Millionen Geräte weltweit absetzten. Und nach Angaben von Softwareunternehmen werden sogar achtmal so viele Anwendungen für Palm OS wie für Win CE verkauft. "Den meisten Anwendern ist Windows CE zu kompliziert", so Ken Dulaney, Vizepräsident und Spezialist für Mobile Computing bei der Gartner Group. "Bei Handhelds geht es weniger um die Hardware als um eine kundenorientierte Software", so Dulaney weiter: "3Com hat es geschafft, durch ein ansprechendes Design und eine einfache Bedienungsoberfläche ihr Gerät zu einem Hip-Produkt zu machen. Microsoft ist es bisher nicht gelungen, eine solche Vision zu verkaufen." Doch der Gartner-Mann gibt sich zuversichtlich, was die Zukunft von Windows CE anbetrifft: "Durch die Vielzahl an kommenden Applikationen wie Autoradios oder Web-Boxen wird sich Windows CE erfolgreich am Markt behaupten."

PDAS gehören noch nicht zum IT-Alltag

Während PDAs in den USA bereits zum Alltag in mit IT (Informations- technologie) arbeitenden Firmen gehören, tun sich deutsche Anwender mit dem "neumodischen Spielzeug" noch schwer. Laut GfK wurden 1998 bundesweit nur etwa 50.000 Geräte abgesetzt. Problematisch ist dabei, daß viele Hersteller auf den Retail-Kanal setzten. Der ist aber offensichtlich nicht imstande, die beratungs- und demonstrationsintensiven Geräte dem Kunden näher zu bringen. "Wir verkaufen die Geräte nicht aktiv und haben auch keine vorrätig, weil es praktisch kaum Nachfrage von Privatkunden gibt", lautet die symptomatische Aussage von Calin Rotaru, Verkaufsleiter bei PC-Spezialist in Konstanz. Auch Helmut Rentsch, zuständig für den Einkauf und Vertrieb neuer Medien beim bayerischen Vorzeige-Retailer Fröschl, schlägt ähnliche Töne an: "Handheld-Computing ist zwar ein Thema, das immer mehr kommen wird, momentan tun wir uns mit der Vermarktung aber noch etwas schwer. Bei uns verkaufen sich die Palm-Produkte recht gut, allerdings scheuen wir uns davor wie in anderen Bereichen zehn oder mehr verschiedene Geräte im Sortiment zu führen."

Erfolg über den Corporate-Markt

Daß sich der Markt hierzulande vorerst nur über Lösungen für unternehmensspezifische Anwendungen knacken läßt, haben inzwischen auch die Hersteller erkannt. So liefern alle wichtigen Handheld-Anbieter bereits individuelle Lösungen für den Einsatz der mobilen Begleiter in Unternehmen. Ein Feld, das offensichtlich nur von VARs oder Systemhäusern bestellt werden kann. Nach der erfolgreichen und richtungsweisenden Einführung des Handheld-Computings in Unternehmen könnten die Früchte dann nach und nach auch im Consumermarkt geerntet werden. Dazu Ken Dulaney abschließend: "Vielleicht sollte man die Geräte momentan mehr als Spielzeuge, denn als echte Businesss-Werkzeuge ansehen." (akl)

Im Bereich der reinen Windows CE-Gerätehersteller konnte Casio von Oktober 1998 bis Januar 1999 die Marktführerschaft mit seinen "Cassiopeia"-Produkten festigen. Compaq erreichte mit den neuen Geräten der "C-Serie" auf Anhieb Platz drei.

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