Microsoft-CRM verspätet sich in Deutschland erneut

04.12.2003
Ab 1. Dezember wollte Microsoft sein Anwendungspaket "MS CRM" für das Management von Kundenbeziehungen auch in Deutschland verkaufen: Der Termin platzte. Die definitive Verfügbarkeit hier zu Lande gibt der Software-Riese innerhalb der nächsten zwei Wochen bekannt. ComputerPartner zeigt, wie sich die Konkurrenz darauf vorbereitet. Von ComputerPartner-Redakteur Eberhard Heins

Das CRM-Marktpotenzial im Mittelstand ist riesig. Nur zwei Prozent der kleinen und 20 Prozent der mittelständischen Unternehmen setzen laut Marktforscher Gartner Software für das Management ihrer Kundenkontakte ein. Davon möchte sich der Software-Gigant Microsoft früher oder später auch in Deutschland eine dicke Scheibe abschneiden. Schenkt man Gartner Glauben, wird das auch gelingen: Bis zum Jahr 2005 gehören die Redmonder nach Einschätzung der Marktauguren zu den fünf Top-Herstellern von Software für das Management von Kundenbeziehungen.

Frontrange selektiert seinen Partnerkanal

Die Konkurrenz der Gates-Company wie Sage CRM-Solutions, Superoffice oder Frontrange beäugt derweilen kritisch dessen Aktivitäten, da sie bei jeden Verkauf ihres Produktes meist auch den Software-Riesen mitfüttern. Ihre CRM-Anwendungen setzen auf die Datenbank "SQL-Server" von Microsoft auf und laufen unter Windows.

Mathias Büttner, Manager Central und Osteuropa bei Frontrange, fürchtet das erste deutsche Release von Microsoft jedoch nicht, nachdem er die Betaversion auf der CRM-Expo unter die Lupe nahm: "Zu einer richtigen CRM-Lösung fehlt noch eine Menge." Microsoft sei deshalb nur ein Wettbewerber wie jeder andere CRM-Hersteller auch. Derzeit selektiert Frontrange seinen indirekten Vertriebskanal "Wir fördern die Partner, die ein Interesse haben, unsere Produkte zu vertreiben", betont Büttner. Für die neue Wettbewerbssituation unterstütze Frontrange seinen Channel mit Funktions- und Strategieanalysen zu MS-CRM.

Wolfgang Matheis, Geschäftsführer beim Frontrange-Partner Marathon Solutions, bestätigt grundsätzlich die Qualität des Produkts: "Dort, wo ich präsentiere, verkaufe ich auch." Der Frontrange-Partner bemängelt aber neben der Marketing-Unterstützung des CRM-Spezialisten vor allem die Lokalisierung der Software: "Frontrange übersetzt etwas salopp", moniert Matheis. Bei der Version Goldmine 6.0 in der Corporate Edition sei es beispielsweise möglich, wiederkehrende Termine jede zweite Woche zu planen. Das englische Wort second übersetzen die Amerikaner aber mit Sekunde: "Das ist mit heißer Nadel gestrickt", erklärt Matheis. Der Frontrange-Manager Büttner setzt dem entgegen, dass der CRM-Spezialist Übersetzungsfehler oder zu kurze Feldlängen in der Beta-Version im Finale-Release behoben habe.

Superoffice steigt in das ASP-Geschäft ein

Auch der CRM-Spezialist Superoffice sieht dem Produkt aus dem Hause Microsoft noch gelassen entgegen und streicht den positiven Aspekt für den Gesamtmarkt heraus: "Von Microsofts Marketing-Aktionen profitieren alle CRM-Hersteller", berichtet Manfred Kaftan, Geschäftsführer bei Superoffice in Deutschland. Der norwegische Softwarehersteller sieht sich vor allem bei Unternehmen gut positioniert, die nicht den SQL-Server der Gates-Company einsetzen, weil "CRM5" auch die Datenbanken von Oracle, IBM und Sybase unterstützt. Dadurch erreiche Superoffice zunehmend auch den oberen Mittelstand. "Es gibt keine technische Restriktion, auch große Unternehmen mit vielen Anwendern zu bedienen", bekräftigt Kaftan. Sein Klientel will der Softwarehersteller künftig auch über den ASP-Betrieb (Application Service Providing) erreichen. Wie die Mitbewerber Frontrange, Salesforce.com und Siebel wollen auch die Norweger ihren Kunden diesen Nutzungsweg erschließen. "Es könnte noch in der ersten Jahreshälfte so weit sein", erklärt Kaftan. Derzeit verhandle das Unternehmen mit zwei Providern für den ASP-Betrieb.

Auf konventionellem Weg vertreibt Peter Hertel, Vorstandsvorsitzender bei Kühn & Hertel, seit 2001 die CRM-Software des norwegischen Herstellers Superoffice. Hertel sieht sich auch für den künftigen Wettbewerb mit Microsoft gut gerüstet, weil Superoffice sich in Deutschland eine gute Marktposition erarbeitet habe: "Da muss Microsoft erst noch hin." Doch der Thüringer weiß, dass die Marktmacht der Gates-Company in ein bis zwei Jahren die Situation verändern wird.

Sage bindet Saleslogix an Officeline an

Der langjährige Superoffice-Partner räumt ein, dass die in Deutschland verfügbaren Kapazitäten des norwegischen Softwareherstellers dagegen schwach ausgestattet sind, auch wenn diese engagiert zu Werke gingen. Derzeit sieht Hertel aber vor allem im geringen Schulungsaufwand für Anwender einen Vorteil gegenüber MS-CRM. "Das erhöht die Akzeptanz." Der Superoffice-Partner hat auch eine Schnittstelle zu der ERP-Software von Sage KHK programmiert. Doch das wird nicht mehr lange ein Alleinstellungsmerkmal bleiben. Sage CRM Solutions will zur Cebit 2004 einen "Application Integration Server (AIS)" präsentieren, um Saleslogix an die Office-Line von Sage KHK anzubinden. Damit hat das Unternehmen der Sage Group zumindest bei der installierten Basis des ERP-Pakets aus Frankfurt einen Wettbewerbsvorteil gegenüber Microsoft. Oliver Henrich, Business Development Manager bei Sage KHK, sieht sich aber auch bei Funktionalität und Anpassbarkeit der Software vorne. Letzteres spielt laut Henrich vor allem für Vertriebspartner eine wichtige Rolle: "Damit erbringen sie ihre Dienstleistung", erklärt der Sage-Manager. Derzeit hat Saleslogix allerdings nur zehn Partner unter Vertrag. "Wir sind noch auf der Suche", räumt Henrich ein und fügt hinzu: "Durch die Office-Line-Integration wird Salelogix auch für Partner von Sage KHK interessant." Diese Erfahrung konnte sein Kollege im eigenen Haus, Volker Vent, Manager ACT Business Development bei Sage CRM Solutions, bereits machen. Das den Lowend-Markt adressierende CRM-Produkt "ACT" integrierte Sage KHK mit dem "Kundenmanager" bereits in seine ERP-Software. Zu MS-CRM wollte der Sage-Manager noch kein Statement abgeben. Vent nimmt aber eine eindeutige Konkurrenzsituation zu dem "Small Business Manager" von Microsoft wahr, der im Office-Paket enthalten ist. Den Wettbewerbsvorteil für das CRM-Paket sieht der Sage-Manager vor allem im Lösungsvertrieb, denn Kontaktmanagement-Software lasse sich heute nicht mehr als reines Box-Produkt verkaufen. "Dazu brauche ich Partner, die verstehen, wie ein Kunde arbeitet", betont Vent.

Meinung des Redakteurs

Kein Partner will Bananen-Software verkaufen. Wenn Microsoft sich noch einen Monat Zeit nimmt, um die gröbsten Bugs aus seiner CRM-Software zu beseitigen, dann ist das in Ordnung. Um ein paar Monate sollte es sich allerdings nicht handeln, denn wer mit Methode unhaltbare Launch-Termine vorgibt, um Investitionen in Wettbewerbsprodukte zu blockieren, wird am Ende mehr Kunden verärgern als gewinnen.

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