Microsoft: Das spektakulärste Kartellverfahren seit AT&T

28.05.1998

WASHINGTON: Fast sah es so aus, als ob es zwischen den amerikanischen Kartellbehörden und Bill Gates zu einer Einigung im schwebenden Monopolverfahren kommen könnte. Doch dann zog Microsoft alle Zugeständnisse wieder zurück - mit der Begründung, den "übertriebenen Forderungen" der Behörden könne man unmöglich nachkommen.Der amerikanischen Justizministerin Janet Reno geht es um vier Punkte, die gegen die Grundlagen des Sherman-Antitrust-Gesetzes verstoßen. Dessen Ziel ist es, Firmen daran zu hindern, ihre Monopolstellung von einem Marktsegment auf andere Bereiche auszudehnen. Microsoft wird vorgeworfen, dies mit unlauteren Mitteln zu versuchen. Kurz bevor die US-Kartellbehörden Klage gegen Gates erheben wollten, fand sich Microsoft zu Verhandlungen bereit. Zugeständnis seitens Microsoft: Die Auslieferung der Herstellerversion von Windows 98 wurde um drei Tage verschoben.

Bei den Verhandlungen sollten insbesondere die vier Punkte geklärt werden, in denen der Softwarebolide nach Ansicht der Behörden gegen das Sherman-Antitrust-Gesetz verstößt.

Justizbehörde: Keine Vorschläge von Gates

Das Gesetz will verhindern, daß ein Unternehmen seine Monopolstellung mit unlauteren Mitteln von einem Marktsegment in ein weiteres ausdehnt. Im einzelnen ging es um folgende Vorwürfe:

1. Die Herrschaft über die Erstbildansicht: Microsoft soll anderen PC-Herstellern erlauben, die erste Bildschirmansicht, die direkt nach den BIOS-Routinen auf dem Monitor erscheint, für ihre Zwecke zu verwenden. Bislang hatte Microsoft den Daumen auf der Erstbildansicht.

2. Lizenzverträge: Die amerikanischen Behörden kritisieren die Verträge, mit denen Microsoft seinen Lizenznehmern verbieten will, Konkurrenzprodukte gleichwertig anzubieten. Damit zielt Microsoft insbesondere auf den Lieblingskonkurrenten Netscape und den Communicator ab.

3. Die Integration des Internet Explorer in Microsofts Betriebssysteme: Die Frage ist, inwieweit Microsoft Programme ungeprüft in seine Betriebssysteme integrieren darf.

4. Der Source-Code für andere Softwarehersteller: Microsoft gibt diesen nach Meinung der Kartellbehörden zu spät an Hersteller anderer Programme weiter und erschwert es damit diesen Produzenten, ihre Software auf die Betriebssysteme von Microsoft abstimmen zu können.

Die Verhandlungen verliefen zunächst positiv. Microsoft machte zu den ersten beiden Punkten Zugeständnisse. Zwei Tage später jedoch zog Gates alle Zusagen wieder zurück. Begründung: Die amerikanischen Kartellbehörden hätten "übertriebene Forderungen" gestellt. Vor allem über den Vorschlag der Behörden, Microsoft solle das Konkurrenzprodukt Communicator von Netscape mit in Windows 98 installieren, zeigte sich Gates empört. Jim Cullinan, Firmensprecher von Microsoft: "Das ist so, als würde man Coca-Cola zwingen, in jedes Sixpack zwei Flaschen Pepsi zu packen."

Microsoft droht Zerstückelung

Mit dem Scheitern der Verhandlungen droht Microsoft nun eine Flut von Klagen. Neben der Justizministerin Janet Reno, die ein Antitrust-Verfahren bei einem Bundesgericht in Washington einleiten wird, planen noch rund 20 Generalstaatsanwälte, Klage gegen den Softwareriesen zu erheben. Analysten vermuten, daß dies das spektakulärste Verfahren seit der Klage gegen die Telefongesellschaft AT&T in den frühen 80er Jahren werden könnte. Microsoft droht auch dasselbe Schicksal wie seinerzeit AT&T: Immer lauter wird die Forderung, den Softwaregiganten in kleinere, eigenständige Unternehmen zu zerstückeln, die jedes für sich nur für jeweils ein Marktsegment zuständig ist. (gn)

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