Microsoft gegen Sage & Co.

21.10.2004
Mit der neuesten Version der eigenen ERP-Software "Navision 4.0" adressiert Microsoft explizit auch kleinere Firmen mit bis zu neun Anwendern. Von ComputerPartner-Redakteur Dr. Ronald Wiltscheck

Mehr als 1.400 Anmeldungen von Partnerfirmen zu der vorige Woche stattgefundenen Veranstaltung in Frankfurt waren auch für Microsoft zu viel. Man hatte mit maximal 1.000 Partnern gerechnet, die zum Navision-4.0-Start kommen sollten.

Marktanteil soll verdreifacht werden

Aber offenbar zahlt sich die Beharrlichkeit des Konzerns, eine kaufmännische Lösung auch für den unteren Mittelstand anzubieten, aus. Genau dies geschah nun mit Navision 4.0. Diese Software adressiert zum ersten Mal auch Kunden mit bis zu neun Anwendern. Damit tritt der Software-Riese aber in unmittelbaren Wettbewerb zu Sage. Dies gab auch Robert Helgerth, seit 1. September Direktor Mittelstand & Partner bei Microsoft Deutschland, in Frankfurt zu. Der Ebermann-Nachfolger hat sich sehr ehrgeizige Ziele gesetzt: Er möchte mit Navision und Axapta, dem anderen ERP-Produkt von Microsoft Business Solutions, bis zum Jahr 2007 den ERP-Marktanteil im Mittelstand von derzeit elf auf 30 Prozent im Jahre 2007 fast verdreifachen.

Die Chancen dafür stehen gar nicht mal schlecht. Denn mit der Angleichung der Benutzerführung von Navision 4.0 an das Outlook-Design erleichtert es Microsoft seinen Partnern, mittelständische Kunden zu gewinnen. Mit der neuen Version der Branchen-Templates sollen außerdem Partner leichter vertikale Lösungen erstellen können. Anpassungen für folgende Branchen existieren bereits: Möbelherstellung und -handel, Großhandel, Maschinenbau, Verbrauchsgüter und Hochtechnologie.

Erweitert haben die Entwickler in Redmond ferner das Modul Produktion-Planung-Steuerung (PPS). Hier gibt es ab sofort eine so genannte "grafische Plantafel", auf welcher der Betriebsleiter den Material- und Personalbedarf manuell ändern und so etwa auf unvorgesehene Ereignisse, wie durch Krankheitsfälle ausgefallene Mitarbeiter oder durch Lieferverzögerungen verursachte Materialengpässe, reagieren kann. Auch eine komplette BusinessIntelligence-Lösung (BI) ist nun Bestandteil des neuesten ERPProdukts von Microsoft Business Solutions (MBS).

Die speziell auf die Bedürfnisse kleiner Firmen zugeschnittene Navision-4.0-Version kostet 1.950 Euro pro Anwender. Der Preis der kompletten ERP-Lösung für den Mittelstand richtet sich nach der Anzahl der User und der eingesetzten Module. Trotz der erweiterten Funktionalität soll sich die Implementierungsdauer für Navision 4.0 sogar auf drei bis acht Tage verkürzen.

Partnerprogramm scheint zu greifen

Bereits mit der Vorgängerversion Navision 3.7 konnte Microsoft eine Vielzahl weiterer Kunden gewinnen: Allein in Deutschland waren es in dem am 30. Juni beendeten Geschäftsjahr etwa 1.500 Neuinstallationen. Bei rund 300 von ihnen handelte es sich nach Aussagen von Microsoft um "Navision für kleine Unternehmen".

Auch die Anzahl der Navision-Partner kann sich mittlerweile sehen lassen: Derzeit sind es 320, und gleich 38 von ihnen hat Microsoft Business Solutions im ersten Quartal des aktuellen Geschäftsjahr für sich gewinnen können. Noch mehr Spezialisten kamen im Bereich Kundenbeziehungssoftware neu hinzu, nämlich 53. Die Gesamtzahl der CRM-Partner hier zu Lande beziffert Microsoft nun mit 80. Allerdings lässt der Verkaufserfolg hier noch zu wünschen übrig (siehe auch ComputerPartner 33/04, Seite 16).

Ebenfalls noch nicht ganz angenommen wurde Microsofts zur Cebit 2004 neu verabschiedetes Partnerprogramm mit elf Kompetenzzentren, für die sich die Kandidaten neu qualifizieren müssen. Derzeit haben genau 576 Microsoft-Partner die dafür notwendigen Kriterien erfüllt, sprich durch absolvierte Schulungen und durch Bekanntgabe von namhaften Referenzen genügend Punkte gesammelt. 74 der ehemaligen Navision-Partner haben ebenfalls schon die Hürden des neuen Programms gemeistert, der Rest wird quasi automatisch den Status "Certified Partner" erhalten, wie dies Wolfgang Brehm, Abteilungsleiter Partner Program & Sales Group, bereits im März 2004 kundtat. "Etwa 50 MBS-Partner werden sogar das "Gold"-Level erreichen", so der Microsoft-Manager.

Partnernetzwerk auch in Deutschland

Helgerth, sein neuer Chef, gab in Frankfurt den Partnern das Gefühl, ihre Nöte und Sorgen ernst zu nehmen. In seiner Präsentation ging er explizit auf ihre Fragen ein und bat gleich zwei Vertreter von erfolgreichen Firmen ebenfalls auf die Bühne. Dies waren Reinhold Käfer von der Bechtle AG und Max Peter von Econet. Beide sind gleichzeitig Gründer des Microsoft-Partner-Netzwerks (MSPN e.V., www. mspn.org), eines unabhängigen Verbunds von Microsoft-Certified-Partnern. Ziel dieser Organisation ist es, durch kritischen Dialog mit Microsoft für bessere Produktqualität und höhere Kundenzufriedenheit zu sorgen. Ferner verpflichten sich die MSPN-Mitglieder, so gut es geht, nicht miteinander zu konkurrieren. Außerdem wollen sie stärkeren Einfluss auf Microsofts künftige Partnerprogramme und damit zusammenhängende Marketingstrategien nehmen. Das deutsche Partnernetzwerk ist Mitglied der International Association of Microsoft Certified Partners (IAMCP, www.iamcp.org). Hier zu Lande gehören unter anderen Brainconsult, Eicon, Infowan und Mindjet dem Verbund an.

Meinung des Redakteurs

Eigenen Aussagen zufolge erzielt Microsoft 96 Prozent seines Lizenzumsatzes über Vertriebspartner. Es gibt kaum einen anderen IT-Hersteller mit derart klarer ChannelFokussierung. Nun kommt mit Navision 4.0 ein ERP-Produkt für den gesamten Mittelstand hinzu. Da dürfen sich Anbieter wie Sage, aber auch SAP mit Business One warm anziehen.

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