Microsoft: Kundenknebel nur bei Noname-Rechnern gelöst

09.07.2000
Großes Aufhorchen allenthalben: Ein Gerichtsurteil verbietet Microsoft, Händler zu zwingen, bestimmte Software nur im Bundle mit der Hardware zu verkaufen. Aber erst, wenn dies auch für die OEM-Lizenzen gilt, wird es für die Gates-Firma so richtig schmerzhaft.

Das Gebahren von Microsoft in Sachen Lizenzpolitik ist immer wieder eine Hirnverrenkung wert. Dabei schien alles so klar: Ein Händler nämlich focht vor Gericht die seit vielen Jahren gepflegte Monopolisten-Allüre an, ihn zu zwingen, bestimmte Software-Pakete nur vorinstalliert zu verkaufen. Und der Bundesgerichtshof gab ihm am 7. Juli Recht: Er und alle anderen dürfen die Software auch oh-ne dazugehörige Hardware an den Kunden bringen. Doch Obacht: Mit diesem Urteil fühlt der Software-Gigant sich bislang nicht dazu verpflichtet, auch die über OEM-Verträge verkauften Produkte von der Hardware zu lösen. Rechner von IBM, Compaq und HP werden also wie gehabt mit vorinstallierter Software verkauft - und diese machen natürlich gegenüber den Noname-PCs das weit größere Geschäft aus.

Ein schmerzlicher Stich

"Bei der Änderung unseres deutschen Lizenzsystems sind die OEM-Verträge zunächst nicht berücksichtigt. Ob Microsoft das tun muss, wird sich aus der Urteilsbegründung ergeben - die aber erst in einigen Wochen erwartet wird", erklärt Sabine Lobmeier, Unternehmenssprecherin von Microsoft. Was bisher geändert wurde, ist also in den Augen des Herstellers nur das kleinere Übel, nämlich der Vertrieb an Assemblierer des Service-Builder-Programms, "die aber immerhin eine Million PCs pro Jahr in Deutschland verkaufen", so Lobmeier.

Ein schmerzlicher Stich, sicherlich. Doch so richtig an den Bundle-Kragen und an das große Geld geht es natürlich erst, wenn sich auch die OEM-Lizenzen mit den PC-Brand-Herstellern als nicht rechtens erweisen sollten. "Doch dies sind ja internationale Lizenzverträge. Da ist noch nicht klar, ob sie von der deutschen Rechtsprechung betroffen sind", erläutert Lobmeier weiter.

Unheimliche Schadenfreude

Doch schon die aktuellen Veränderungen rufen bei Händlern interessante Emotionen hervor: "Ich verspüre eine unheimliche Schadenfreude, das kann ich Ihnen sagen", tönt grimmig durch das Telefon Michael Schwarz, Geschäftsführer der MS Computertechnik GmbH. "Ich habe mich immer wahnsinnig über Microsoft geärgert. Das sind doch selber die größten Raubkopierer mit ihren OEM-Lizenzen. Die haben die Software im Bundle mit den Rechnern ja regelrecht verschenkt, um dann von den Updates zu leben", macht sich der Erbacher weiter Luft und lobt außerdem den Händler, der dieses Gerichtsurteil erkämpft hat: "Ich bin der Firma zutiefst dankbar."

Ähnlich sehen es andere, doch die Freude wiegt den Ärger an einer anderen Baustelle, nämlich die der OEM-Lizenzen, nicht auf: "Hier herrscht großer Erklärungsbedarf beim Kunden, seit er das Betriebssystem nicht mehr auf einem Datenträger in der Hand hält. Denn seit April ist es ja im Bios vorinstalliert, einziger Beweis ist ein Bepperl auf dem IBM- oder Compaq-Rechner", ärgert sich Roland Löw, Geschäftsführender Gesellschafter der Pallas Soft AG in Regensburg. Die Kunden seien in Sachen Microsoft einfach misstraurisch und wollten was in der Hand haben, um den Erwerb der Software beweisen zu können. "Wenn wir das erklären, heißt es oft: Du kannst uns ja viel erzählen." Eine erfreuliche Nebenwirkung für den Endkunden gibt es dennoch: Microsoft kann nun nicht mehr unterschiedliche Preise in den verschiedenen Kanälen fordern und musste die Preise einiger Produkte um rund 25 Prozent senken. (via)

www.microsoft.de

Microsoft GmbH

Das neue Lizenzsystem

Das neue Lizenzsystem von Microsoft gilt nur jenseits des OEM-Geschäfts mit Herstellern wie IBM, Compaq und HP - und das macht natürlich nach wie vor das Gros des Microsoft-Absatzes aus.

Produkte wie beispielsweise "Windows 95", das früher von Assemblierern nur als Delivery-Service-Partner-Version (DSP) - also im Bundle mit einem neuen PC - verkauft werden konnte, dürfen nun auch von der Hardware losgelöst vertrieben werden - und zwar nicht mehr nur von den Partnern im System-Builder-Programm, sondern vom Fachhandel insgesamt. Zu den DSP-Produkten zählen: Windows 95/98 Zweite Ausgabe/Millennium/NT 4.0 Workstation/ 2000 Professional sowie Office 2000 Small Business.

Andere Produkte sind nur als Einzelhandelspakete erhältlich: die Upgrades der DSP-Produkte sowie Office 2000 Professional, Windows NT 4.0 Server/2000 Server, Back Office Small Business Server 4.5, Worksuite 2000 und Word 2000. (via)

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