Zum 1. Oktober 2022

Microsoft passt Cloud-Lizenzen endlich an

Peter Marwan lotet kontinuierlich aus, welche Chancen neue Technologien in den Bereichen IT-Security, Cloud, Netzwerk und Rechenzentren dem ITK-Channel bieten. Themen rund um Einhaltung von Richtlinien und Gesetzen bei der Nutzung der neuen Angebote durch Reseller oder Kunden greift er ebenfalls gerne auf. Da durch die Entwicklung der vergangenen Jahre lukrative Nischen für europäische Anbieter entstanden sind, die im IT-Channel noch wenig bekannt sind, gilt ihnen ein besonderes Augenmerk.
Kunden hatte sich schon 2019 beschwert, dass die Nutzung von Windows- und Office-Lizenzen bei anderen Cloud-Diensten als Microsoft Azure überteuert sei. Jetzt hat Microsoft eingelenkt - jedoch zu wenig, wie AWS und CISPE meinen, und womöglich nicht in allen wichtigen Punkten, wie OVHcloud anmerkt.
Microsoft lenkt in Bezug auf seine schon länger als unfair kritisierten Lizenzbedingingen für die Nutzung in der Cloud ein.
Microsoft lenkt in Bezug auf seine schon länger als unfair kritisierten Lizenzbedingingen für die Nutzung in der Cloud ein.
Foto: VDB Photos - shutterstock.com

In letzter Zeit gab es mehrere Anzeichen dafür, dass Microsoft bei dem für den Konzern immer wichtiger werdenden Cloud-Geschäft offener wird. Zum Beispiel erleichtert es eine Kooperation mit Oracle, Datenbanken in der Oracle Cloud mit Workloads in Microsoft Azure zu verbinden. Außerdem soll es die zur Inspire 2022 vorgestellte "Microsoft Cloud for Sovereignty" durch regionale Speicherung und Verarbeitung der Daten Behörden erleichtern, Microsoft 365, Dynamics 365 und Azure zu nutzen. Außerdem hat Microsoft die Deadline für die zwangsweise Umstellung von dauerhaften Lizenzen auf Software-Abonnements im Rahmen der "New Commerce Experience" erst kürzlich auf unbestimmte Zeit verschoben.

Jetzt hat der Konzern in mehreren Blog-Posts sein im Mai angekündigtes Einlenken in Bezug auf Preisgestaltung und Lizenzbedingungen für Windows-, Windows-Server-, SQL-Server- und Office-Lizenzen beim Betrieb außerhalb der Microsoft-Azure-Cloud bestätigt und Details zur Umsetzung genannt. Damit sollen die von Kunden und Cloud-Anbietern seit 2019 als unfair angeprangerten Lizenzbedingungen korrigiert werden. Sie hatte auch schon das Interesse der EU-Kartellwächter geweckt. Eine diesbezügliche Kartellbeschwerde des französischen Anbieters OVHcloud kam erst kürzlich hinzu und könnt das Einlenken beschleunigt haben.

Microsoft hatte die Beschwerden 2019 zwar zur Kenntnis genommen und auch eingeräumt, dass sie berechtigt seien, bislang aber nicht mit spürbaren Änderungen darauf regiert. Jetzt geht es dann relativ schnell: Schon zum 1. Oktober 2022 sollen die "bedeutsamen Korrekturen und Verbesserungen an den Outsourcing- und Hosting-Bedingungen" in Kraft treten. Dadurch soll es für Kunden einfacher und günstiger werden, Microsoft-Software auf Cloud-Plattformen der Wettbewerber zu nutzen.

Verbesserungen für Microsoft-Partner versprochen

Für Microsoft-Partner soll es ebenfalls einfacher und günstiger werden, Angebote für Hosted Desktops und gehostete Server-Lösungen für ihre Kunden zu bauen. "Partner haben Microsoft gebeten, die Lizenzierung zu vereinfachen und die Palette der Produkt zu erweitern, die Kunden zu Festpreisen für längere Laufzeiten angeboten werden können, und wir nun dieser Bitte entsprochen", schreibt Nicole Dezen, Corporate Vice President bei Microsoft. "Wir möchten unseren Kunden auch mehr Möglichkeiten bieten, Microsoft-Software auf der Infrastruktur von Partnern hosten zu lassen", erklärt Dezen weiter.

Die von Microsoft-Präsident Brad Smith im Mai vorgestellten "Europäischen Cloud-Prinzipien" im Überblick.
Die von Microsoft-Präsident Brad Smith im Mai vorgestellten "Europäischen Cloud-Prinzipien" im Überblick.
Foto: Microsoft

Speziell für europäische Cloud-Provider hat Microsoft zudem das neue Angebot "Flexible Virtualization" vorgestellt. Dabei handelt es sich um eine Option, Windows Server Virtual Core im Rahmen von Software Assurance und Subskriptionen zu lizenzieren. Außerdem fällt für Microsoft 365 F3, Microsoft 365 E3, and Microsoft 365 E5 die Verpflichtung weg, das Add-on "Virtual Desktop Application" (VDA) mit zu lizenzieren.

Im Rahmen von Microsofts Cloud Solution Provider Program lassen sich gehostete Angebote nun entweder mit Lizenzen der Kunden oder mit Lizenzen ausstatten, die über den Partner bereitgestellt werden. "Diese Änderungen werden es Kunden erleichtern, ihre Lizenzen in die Cloud eines Partners zu verschieben, gemeinsam genutzte Hardware zu verwenden und geben ihnen mehr Flexibilität bei den Bereitstellungsoptionen für ihre Softwarelizenzen", erklärt Microsoft.

CISPE und AWS sind mit den Änderungen nicht zufrieden

Die CISPE (Cloud Infrastructure Services Providers in Europe), eine aus 34 Mitgliedern bestehende Vereinigung von Cloud-Infrastruktur-Anbietern in Europa, kritisiert die Änderungen allerdings heftig. "Leider ist das, was Microsoft gestern angekündigt hat, nicht nur kein Fortschritt bei der Bekämpfung wettbewerbswidrigen Verhaltens. Es kann sogar neue Abhängigkeiten schaffen, die Kunden noch mehr einschränken und Cloud-Infrastrukturanbieter willkürlich ausschließen", erklärt CISPE-Generalsekretär Francisco Mingorance.

Die CISPE gehörte in den Vergangenheit schon zu den schärfsten Kritikern von Microsoft in diesem Themenfeld. Zu ihren prominenteren Mitgliedern zählt neben Leaseweb und OVHcloud auch AWS. Sie vertritt also nicht nur kleinere, europäische Cloud-Anbieter, sondern auch die Interessen von AWS. Matt Garman, dessen Senior Vice President of Sales and Marketing, hatte sich erst kürzlich sehr kritisch zur Cloud-Lizenzpolitik von Microsoft geäußert.

Dabei hatte Garman die Anfang April von der EU eingeleitete Kartelluntersuchung gegen Microsoft als mögliches Vorbild für ähnliche Maßnahmen in den USA empfohlen. Garman bezog sich bei seiner Kritik auf die Ankündigungen von Microsoft-Manager Brad Smith vom Mai. Die seien Augenwischerei, weil Microsoft damit nur Anbieter besserstelle, die keine echten Wettbewerber seien und die der Konzern nicht als Gefahr sieht.

OVHcloud prüft die Änderungen noch im Detail

"OVHcloud prüft derzeit die Auswirkungen der kürzlich von Microsoft angekündigten Änderungen, die sich an europäische Cloud-Anbieter richten", teilt das Unetrnehmen auf Anfrage von ChannelPartner mit. "Wir begrüßen die Tatsache, dass Microsoft die detaillierten Punkte, die wir in unserer Beschwerde vorgebracht haben, berücksichtigt hat. Zum jetzigen Zeitpunkt können wir bestätigen, dass einige Konkretisierungen von Microsoft Klarheit über ihre Ankündigung vom Mai dieses Jahres schaffen. Dies betrifft insbesondere die Tatsache, dass Microsoft bereit zu sein scheint, bestehende Beschränkungen (VDI und BYOL) aufzuheben sowie die komplexe Beziehung zwischen dem Softwarehersteller und den Anbietern von Cloud-Diensten durch ein neues Programm anzugehen."

OVHcloud will genau im Auge behalten, wie diese Änderungen umgesetzt werden, wie sich das auf die Kosten auswirkt, und wie sich die neuen Regelung in der Praxis handhaben lassen. Es bleibt aer viel Skepsis: "Wir sind nach wie vor besorgt, dass Microsoft die Partner auffordern könnte, Kundendaten im Rahmen der bestehenden Verträge weiterzugeben. Fragen im Zusammenhang mit der technischen Kopplung (OneDrive), der Interoperabilität oder Azure-Guthaben für Office 365 wurden anscheinend nicht angesprochen", zieht das Unternehmen ein erstes Fazit. Es will sich daher auch weiterhin dafür einsetzen, "dass der europäische Cloud-Markt offen und fair und im Einklang mit den europäischen Datenschutzgesetzen zum Nutzen der Kunden" gestaltet wird.

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