Microsoft will mit Dot-net den Java-Markt aufmischen

11.09.2000

Die kürzlich gesetzte Finanzspritze von Microsoft an Corel lässt die Analysten grübeln. Die Marktforscher der Gartner Group sind nun zu einem Schluss gekommen. "Diese Vereinbarung ist zustande gekommen, weil Corel eine Finanzspritze brauchte und nicht weil es ein optimaler Kandidat für die Portierung war", erklärt Mark Driver, Gartner-Analyst für Java-Strategien.

Die Portierung, so Driver, sei notwendig, weil Microsoft die Absicht habe, Dot-net als eine Alternative zu Java zu positionieren. Das wiederum bedeutet, dass die Redmonder bei der Standardkörperschaft ECMA (European Computer Manufacturers Association) vorsprechen müssen. Denn nur wenn Teile der Dot-net-Frameworks, genauer gesagt die "Common Language Infrastructure" und die neue Programmiersprache C#, von der ECMA übernommen würden, hat Dot-net gegen Java überhaupt eine Chance. Die ECMA ihrerseits verlangt in ihren "Best Practices", dass der Prüfling auf mindestens zwei unabhängigen Plattformen läuft. Microsoft braucht also wohl oder übel noch eine weitere Plattform als Wintel.

Und hier kommt Corel ins Spiel. Durch seine Aktivitäten im Linux-Bereich kam der marode Hersteller gerade recht. "Durch die Vereinbarung mit Corel und die Arbeit an einer zweiten, scheinbar unabhängigen Linux-Implementierung wird Corel die Forschungs- und Entwicklungsarbeit effektiv weiterführen und Microsofts Absicht glaubwürdiger machen, die Dot-net Plattform als einen unabhängigen Standard zu etablieren", erläutert Driver. Anscheinend soll Corel eine Open-Source-Referenzplattform Dot-net entwickeln. Microsoft hat dies aber nie öffentlich angekündigt. Die Vereinbarung mit Corel gibt den Redmondern das Recht, Lizenzgebühren für Dot-net für Linux zu verlangen, und das werden sie zweifelsfrei auch tun, so der Analyst. Die Vereinbarung mit Microsoft rettet Corel das Fell, doch ist dieses teuer erkauft. Die Kanadier sind Applikationsanbieter und haben mit der "direkten Entwicklung von System-Level-Software (zum Beispiel virtuelle Maschinen oder Compiler) nur wenig Erfahrung". Corel hat zugestimmt, mindestens 20 Vollzeitentwickler und zehn Vollzeittester für die Linux-Entwicklung abzustellen, vorausgesetzt, Microsoft nimmt die Option der Linux-Portierung in Anspruch.

Global gesehen, ist dieser Klimmzug mit Corel nur ein erster kleiner Schritt auf dem Weg, Java mit Dot-net das Wasser reichen zu können. Neben Linux müsste Dot-net auch noch Plattformen wie Solaris, HP-UX oder AIX bedienen können. Und der Analyst Driver sieht bis dahin noch eine ganze Zeit vergehen. (gn)

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