Migration auf SAP R/3 Enterprise

05.02.2004
260 kundeneigene SAP-Applikationen musste DMC bei Panavia Aircraft auf die Enterprise-Version von R/3 transferieren. Diese Sisyphus-Arbeit bewältigte der SAP-Dienstleister in neun Monaten. Von ComputerPartner-Redakteur Dr. Ronald Wiltscheck

Mitte 2002 kündigte SAP die Enterprise-Version von R/3 an. Ein neues Wartungskonzept sollte die Aktualisierung der ERP-Software wesentlich vereinfachen. Panavia Aircraft, seit 2001 SAP-Kunde, musste auf diese Maßnahme rasch reagieren, denn die dort installierte 4.0B-Version von R/3 wollte SAP nur noch bis Ende 2003 unterstützen. Dabei war dieses Sys-tem bei dem Tornado-Hersteller erst 2002 richtig etabliert. Nach der Euro-Umstellung und der Ablösung von Altsystemen auf Großrechnern durch den Dienstleister DMC deckte die SAP-Plattform einen Großteil des operativen Geschäfts bei dem Tornado-Hersteller IT-seitig ab.

Doch mit der Enterprise-Version der Walldorfer Software hätte der Kunde seine in die Jahre gekommenen Host-Systeme endgültig ablösen können, das heißt, alle dort gelagerte Daten könnten endgültig in das neue SAP-System wandern. Außerdem versprach der Hersteller im neuen R/3-Release eine leichter individuell anpassbare Arbeitsoberfläche am Client.

Künftige Upgrades des Kernsystems sollten die Funktionalität der betriebswirtschaftlichen Anwendung nicht tangieren. SAP gelobte, in Updates technische Fortschritte so transparent einzubauen, dass Geschäftsprozesse davon unberührt blieben. Neue Funktionen würden demnach in Form von so genannten "Enterprise Extension Sets" und nicht mehr als extra zu bezahlende Add-ons nachgeliefert. Aktualisierungen könnten in einem separaten Wartungszyklus erfolgen. "Es ist möglich, die SAP-Basis von Release 6.20 auf Release 6.30 zu bringen, um neue technische Features zu nutzen, ohne dass das Anwendungs-Release 4.70 davon betroffen ist", argumentiert etwa Helmut Wallis, Bereichsleiter SAP München bei DMC.

So ließ sich Panavia schließlich davon überzeugen, dass eine Migration unausweichlich war. Mit dieser Aufgabe beauftragt wurde wie erwartet die DMC GmbH, die bereits 2001 bei diesem Kunden SAP R/3 eingeführt hatte. Anfang 2003 fiel die Entscheidung: Der Release-Wechsel sollte bis Ende des Jahres vollendet sein.

Nachdem der Zuschlag an DMC erteilt war, begannen noch im Januar 2003 die sechs Wochen andauernden Verhandlungen über die Menge der zu erbringenden Leistungen seitens des SAP-Partners. Noch bevor die endgültigen Kosten für das Gesamtprojekt feststanden, gingen die Geschäftspartner in die Vorbereitungsphase über. Zwischen Februar und März 2003 deckten DMC-Experten die Anforderungen des Kunden auf. So wurde relativ schnell klar, dass ein zusätzlicher Sun-Server erforderlich war, um SAP R/3 Enterprise performant genug am Laufen zu halten.

Doch um die Hardwarebeschaffung musste sich weder Panavia Aircraft noch DMC kümmern, denn der Kunde hat den Betrieb seines gesamten Rechenzentrums an CSC Ploenzke ausgelagert. Hier kam also der Outsourcing-Partner in die Pflicht. Er besorgte auch noch eine weitere Lizenz der Oracle-Datenbank, Version 9.2. Im April 2003 begann schließlich die Testphase, die sich bis September hinzog. Diese lange Zeit war nötig, denn die Unterschiede zwischen der Enterprise-Version und dem R/3-Release 4.0B waren schon beträchtlich. Völlig verändert hat SAP die Benutzeroberfläche, Anwender bekamen nun zahlreiche neue Möglichkeiten an die Hand, um ihre persönliche Arbeitsumgebung am PC individuell zu gestalten. Dies haben sich die User gewünscht; realisiert wurden diese Funktionen zum ersten Mal in dem "Enjoy" genannte R/3-Release.

Außerdem gab es bei Panavia 260 kundeneigene Entwicklungen, hauptsächlich Reports und Schnittstellen zu Nicht-SAP-Systemen, etwa ein Interface zum Fremdmodul "Reisekostenbuchungen" oder ein Übergang zum Logistiksystem der europäischen Luftfahrtindustrie, die nun ebenfalls alle auf die Enterprise-Version wandern sollten. Insbesondere bei Zusatzprogrammen, die transaktionsspezifische Abläufe nachbilden, erwartete DMC einen hohen Anpassungsbedarf. "Interne Prozesse und externe Schnittstellen mussten wir zuerst in detaillierten Testszenarien überprüfen", erinnert sich Wallis.

So bauten zwei DMC-Mitarbeiter eine komplette Testumgebung auf dem neu angeschafften Sun-Server auf. Hierfür setzten sie das SAP-eigene Computer Aided Test Tool (CATT) ein. Hinzu kamen selbst entwickelte Routinen zum Tes-ten der kundeneigenen Schnittstellen und Module sowie der geläufigsten Abläufe im SAP-System selbst. Im ersten Schritt wollten die DMC-Mitarbeiter durch den Release-Wechsel bedingte Abweichungen vom Sollzustand festhalten. Anschließend wurden diese Fehler dokumentiert und einer weiteren Analyse unterzogen. Zum Schluss nahmen die Experten des SAP-Dienstleisters die notwendigen Systemanpassungen vor.

Nach einem ersten kompletten Testablauf wurde die Simulationsumgebung erneut hergestellt, wobei alle im Laufe der ersten Phase durchgeführten Systemanpassungen auf das CATT-System eingespielt wurden. Daraufhin starteten die Experten der DMC Group den Test neu. Dieses Verfahren wiederholten sie iterativ so lange, bis das System zur Zufriedenheit des Kunden lief. Dabei gingen die SAP-Experten immer davon aus, dass im realen Betrieb selten mehr als zehn Anwender gleichzeitig eine Transaktion durchführen, und simulierten deshalb eine stets einstellige Anzahl von "Concurrent Users". Aber auch Abläufe mit mehreren Hundert Transaktionen bestanden die Prüfungen.

Fakturierung des Vertriebsmoduls bereitete Schwierigkeiten

"Insgesamt 19 Testszenarien waren notwendig, um die 260 kundeneigenen Anwendungen unter R/3 Enterprise zum Laufen zu bringen", fasst Wallis zusammen. Als besonders hartnäckig stellte sich dabei die Migration der aufwandsbezogenen Fakturierung im Vertriebsmodul SAP-SD (Sales & Distribution) heraus: Die aus dem Release 4.0B bekannte Funktionalität wird in der neuen R/3-Version nicht mehr unterstützt.

Dennoch lohnte sich für den Kunden der Umstieg auf die Enterprise-Variante, denn bereits die ersten Vergleichstests zeigten eine gegenüber dem Release 4.0B deutlich gestiegene Performance. Auch in puncto Stabilität hat sich der Wechsel für den Kunden gelohnt.

Parallel zu diesen Testläufen dokumentierten die SAP-Experten von DMC fortlaufend die Fortschritte in dem Migrationsprozess. Sie hielten alle Testergebnisse fest und führten bereits erste Workshops mit dem Kunden durch, um ihm aufzuzeigen, wie sich die Geschäftsprozesse unter R/3 Enterprise ändern würden. Im Oktober 2003 war es dann schließlich so weit: Man konnte auch das Produktivsystem auf die neue Version der SAP-Software umstellen. Nach Abschluss aller Entwicklungsarbeiten fuhr man noch einen letzten "Go Live"-Test, und seit dem 24. Oktober arbeiten etwa 100 Mitarbeiter bei Panavia Aircraft mit dem neuen System.

Meinung des Redakteurs:

Implementierungen von SAP-Systemen stehen im Ruf, langwierig und komplex zu sein. Auch das Projekt der DMC Group bei Panavia Aircraft nahm insgesamt neun Monate in Anspruch. Ohne die ausführlichen Tests zu Beginn der Arbeit hätte das Ganze aber noch länger gedauert.

Solution Snapshot Panavia Aircraft GmbH

Problemstellung Das Ende 2002 beim Kunden etablierte R/3-Release 4.0B wollte SAP nur bis Ende 2003 unterstützen

Lösung Release-Wechsel auf SAP R/3 Enterprise

Hardware Sun Server mit Solaris-Betriebssystem, Windows-XP-Clients

Software Oracle-Datenbank Version 9.2, SAP R/3 Enterprise

Netzwerk Windows 2000

Dienstleister DMC GmbH, www.dmc-group.de

Technologie-Lieferanten SAP AG, Sun Microsystems, Oracle, Microsoft

Kontaktaufnahme aufgrund eines seit 15 Jahren bestehenden Kundenverhältnisses

Verhandlungsdauer sechs Wochen

größte Herausforderungen vollständiger, wiederholbarer Test der Geschäftsprozesse; Ablösung der aufwandsbezogenen Faktura

unerwartete Schwierigkeiten SAP-R/3-Software-Fehler, etwa mit dem SD-Modul (Sales & Distribution), bei der Steuerung von Druckjobs

Verzögerungen in der Projektinitialisierung

Implementierungsdauer neun Monate

Arbeitsaufwand des Dienstleisters 4.000 Mannstunden (nur Service)

Service- und Wartungsverträge SAP Application Management: 1st und 2nd Level Support vom Dienstleister ein Jahr lang

Schulung zehn Tage

Benefit für Kunden R/3 Enterprise wird für eine längere Zeitspanne von SAP unterstützt; neue Funktionen in der Programmoberfläche; fachliche Neuerungen werden modularisiert ausgeliefert und aktualisiert; Zuwachs an Stabilität und Performance

Benefit für den Dienstleister Panavia ist für DMC ein Referenzkunde für Migration zu SAP R/3 Enterprise. Das mit dem Projekt betraute Team erzielte einen großen Erfahrungsgewinn, etwa bei der Migration der 260 kundeneigenen Entwicklungen

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