Migration zu Fast Ethernet in kleinen Schritten

03.06.1998

MÜNCHEN: Die Migration bestehender 10-MB/s-Netzwerke auf neuere Technologien wird in diesem Jahr eines der wichtigsten Themen für den Fachhändler und Systemintegrator im Netzwerkbereich sein, schreibt Autor Wolfgang Scherer*. Die Kombination aus Switching-Technologien und Fast Ethernet erlaubt vielfältige Ansätze unter weitgehendem Schutz bereits getätigter Investitionen.Sehr viele Endanwender stehen heute vor dem Problem, daß die Bandbreite ihrer bestehenden Shared-Ethernet-Netzwerke nicht mehr ausreicht, und denken über Alternativen nach. Die offensichtlichste Lösung ist dabei natürlich der Umstieg auf Fast Ethernet, das mit 100 MB/s zumindest auf dem Papier den zehnfachen Durchsatz bietet. Fast Ethernet-Karten und -Hubs sind von einer Vielzahl von Herstellern zu mittlerweile sehr günstigen Preisen verfügbar; die Basistechnologie ist die gleiche wie bei Ethernet, und der Umstieg läßt grundsätzlich keine größeren Probleme erwarten.

Einfach austauschen reicht nicht

Und doch hat bei der Umstellung von Ethernet auf Fast Ethernet schon mancher Anwender eine herbe Enttäuschung erlebt. Die erhoffte Performance-Steigerung hat sich nicht in vollem Umfang realisieren lassen, und nach wie vor gibt es zu "Stoßzeiten" erhebliche Datenstaus. Der Grund liegt häufig darin, daß beim Umstieg die bestehende Netzarchitektur und damit das Konzept des Shared Media LANs unverändert beibehalten wurde.

Ein Shared Media LAN zeichnet sich vor allem dadurch aus, daß sich alle Arbeitsstationen und Server ein Medium teilen müssen. Wird dieses Medium nun von zehn auf 100 MB/s migriert, so ergibt sich bei nicht zu hoher Auslastung tatsächlich die gewünschte Performance-Steigerung. In Hochlastsituationen dagegen kommt es auch bei der höheren Geschwindigkeit sehr schnell zu drastischen Einbrüchen - hauptsächlich bedingt durch die drastische Zunahme von Kollisionen auf dem von allen Stationen gemeinsam genutzten Medium. Die Engpässe sind dabei die gleichen wie beim 10-MB/s-Netzwerk, nämlich in der Regel einzelne Server-Verbindungen oder High-end-Anwender.

Das ist auch nicht erstaunlich, denn warum sollte es einen großen Unterschied machen, ob sich n 100 MB/s-Systeme ein 100 MB/s-Medium teilen oder n 10-MB/s-Systeme eine 10-MB/s-Verbindung?

Ein Händler, der seinen Kunden beim Aufrüsten seines Netzwerkes wirklich sinnvoll unterstützen möchte, sollte daher nicht einfach empfehlen, die bestehenden Ethernet-Komponenten durch entsprechende Fast-Ethernet-Produkte auszutauschen. Einerseits wird die Bereitschaft, das gesamte vorhandene Equipment einfach auszumustern, bei den meisten Kunden wenig ausgeprägt sein. Zum anderen ist eine Migration auf 100 MB/s nur dann wirklich erfolgversprechend, wenn man bei diesem Übergang auch die vorhandene Netzwerk-Struktur in Frage stellt.

So ist die Planungsphase für die Migration ein idealer Zeitpunkt für eine genaue Analyse des bestehenden Netzwerks und seiner Schwachstellen. Ist das Netz, das vermutlich in den letzten Jahren ständig gewachsen ist, überhaupt adäquat segmentiert? Wer nutzt es eigentlich in welchem Umfang? Und - eine der wichtigsten Fragen - wie wird es in den nächsten Monaten und Jahren weiter wachsen?

Häufig wird sich bei einer solchen Analyse herausstellen, daß das eigentliche Problem in der Shared-Media-Architektur des Netzwerks begründet ist. Im Einzelfall kann dabei sogar die Erkenntnis reifen, daß die Installation dedizierter 10-MB/s-Verbindungen zu den Servern oder zu einzelnen, besonders bandbreitenhungrigen Workstations mehr Erfolg verspricht als der komplette Übergang zu einem Shared Media LAN mit 100 MB/s. In der Regel wird jedoch die Kombination von Fast Ethernet mit Switching-Technologien der Ideallösung am nächsten kommen. Diese Ideallösung auszuarbeiten, wird bei Migrationsprojekten eine der ganz wesentlichen Aufgaben des Fachhändlers beziehungsweise Systemintegrators sein.

Bei der Erarbeitung einer Lösung für den jeweiligen Kunden muß natürlich auch bedacht werden, daß dieser in aller Regel nicht das Budget haben wird, das für eine sofortige und komplette Umstellung des Netzwerkes erforderlich wäre. Schließlich sind nicht nur die Investitionen in Interfacekarten, Hubs und Switches zu berücksichtigen, sondern vor allem auch die mehr oder weniger versteckten Folgekosten, beispielsweise für Training und Support. Eine solche Radikallösung wird jedoch kaum jemals notwendig sein, da in den meisten Fällen einzelne Bereiche mit ihren 10 MB/s noch bestens bedient sind und erst in mittlerer Zukunft einen erhöhten Bandbreiten-Bedarf haben werden.

In den meisten Fällen wird daher eine schrittweise Migration auf Fast Ethernet die optimale Lösung sein. Der Vorteil ist dabei, daß durch die gezielte Beseitigung von Engpässen sehr schnell erhebliche Performance-Steigerungen erreicht werden können, während sich der Aufwand und die Kosten für die Migration über einen längeren Zeitraum verteilen.

Schritt für Schritt von zehn auf 100

In der ersten Phase einer solchen Migration werden beispielsweise nur die Server mit Fast-Ethernet-Karten ausgerüstet und über dedizierte Kanäle an einen Fast-Ethernet-Switch angebunden, der auch die Verbindung zu den vorhandenen Hubs übernimmt. Anstelle eines dedizierten Switches kann hierfür gegebenenfalls auch ein Switching-Modul eingesetzt werden, das in einen Hub integriert wird. Die Workstations sowie die Hubs und Router arbeiten zunächst weiter mit 10 MB/s. Da heutige Switches und Switch-Module sowohl 10 als auch 100 MB/s unterstützen, wird so auch gleich die notwendige Verbindung der langsameren und der schnelleren Segmente sichergestellt.

Da die Gesamtleistung heutiger Netze meist durch die Bandbreite des Serverports begrenzt wird, kann bereits dieser erste Schritt enorme Performance-Gewinne bringen.

In dieser ersten Phase der Migration ist es zudem sinnvoll, neue Workstations gleich mit Fast-Ethernet-Adaptern auszurüsten, die allerdings ebenfalls 10-MB/s unterstützen sollten. So können die neuen Systeme heute an die existierende 10-MB/s-Infrastruktur angebunden werden, sind aber schon für den Umstieg vorbereitet. 10/100-MB/s-Adapter sind nur noch wenig teurer als reine 10-MB/s-Karten, die für die neuen Systeme ohnehin angeschafft werden müßten, und die geringfügige Preisdifferenz macht sich allein dadurch bezahlt, daß beim endgültigen Umstieg der PC nicht nochmals geöffnet werden muß. Man kann in dieser Phase auch darüber nachdenken, solche Systeme mit neuen Netzwerkkarten auszurüsten, die aus anderen Gründen ohnehin aufgerüstet werden - etwa mit mehr Speicher. Allerdings sollte darauf geachtet werden, daß die eingesetzten Karten automatisch erkennen, mit welcher Geschwindigkeit der entsprechende Hub-Anschluß arbeitet, und sich entsprechend einstellen. Diese Fähigkeit wird typischerweise als Autonegotiation bezeichnet.

Steigt der Bedarf an Bandbreite, so kann der 10-MB/s-Hub, an dem die Endgeräte angeschlossen sind, jederzeit durch einen einen Fast-Ethernet-Hub ergänzt werden. Die Endgeräte, die bereits mit 100-MBit/s-Adapterkarten ausgerüstet sind, arbeiten dann automatisch im Fast-Ethernet-Modus, und der Durchsatz des Netzes wird entsprechend erhöht. Die alten Geräte kommunizieren weiterhin mit einer Übertragungsgeschwindigkeit von 10 MB/s. Dieses Modell ermöglicht es zudem, Anwendern mit hohem Bedarf an Bandbreite - etwa Benutzern von CAD-Systemen oder Multimedia-Anwendern - über den Switch dedizierte Fast-Ethernet-Links zur Verfügung zu stellen. Davon profitieren auch die anderen Anwender, da die Netzwerklast dieser High-end-Benutzer nun nicht mehr das gesamte Netz belastet. Der Switch sorgt dabei für die transparente Umsetzung der unterschiedlichen Geschwindigkeiten.

In der nächsten Phase können dann beispielsweise alle über die Hubs am Switch angeschlossenen Endgeräte auf 100 MBit/s umgestellt werden. Der zentrale Switch kann in der dieser Phase seine vollen Kapazitäten ausnutzen und alle Endgeräte miteinander verbinden.

Wächst das Netzwerk weiter, so werden einfach weitere Fast-Ethernet-Hubs an den Switch angeschlossen, um die zusätzlichen Anwender zu versorgen.

Das Kabelproblem

Ein Problem bei der Migration, das leider häufig verschwiegen wird, ist die Verkabelung. Sehr offensichtlich wird dieses Problem dort, wo bisher noch die traditionellen Koaxialkabel eingesetzt werden. Diese Kabel sind nicht für Fast- Ethernet standardisiert, und demzufolge gibt es auch keinerlei Fast-Ethernet-Komponenten mit BNC-Anschlüssen. In einem solchen Fall heißt Migration auf 100 MB/s gleichzeitig Neuverkabelung. Allerdings können einzelne 10-MB/s-Segmente mit Koaxialkabel weiterbetrieben werden, wenn der Hub dies unterstützt.

Weniger offensichtlich wird das Problem, wenn bereits Twisted-Pair-Kabel eingesetzt wird. Auch die gängigste Variante von Fast Ethernet (100Base-TX) verwendet diese Kabel, verlangt aber eine Qualität gemäßt Kategorie 5 (UTP Cat 5). Genügt das installierte Kabel nicht diesen Anforderungen, so ist auch hier ein Austausch fällig.

Allerdings kommt mit Fast Ethernet auch eine attraktive neue Verkabelungsoption ins Spiel, nämlich Glasfaser (100Base-FX). Hiermit lassen sich einerseits bis zu 2.000 Meter überbrücken, und andererseits kann eine Glasfaserverkabelung Übertragungsprobleme beseitigen, die in Räumen mit starken elektromagnetischen Feldern (etwa Maschinenräumen) entstehen.

Beratung ist gefragt

Die Migration eines Netzwerkes ist nicht immer so einfach, wie es auf den ersten Blick vielleicht aussieht. Der erste Schritt sollte daher immer eine gründliche Analyse des Ist- und des Soll-Zustandes sowie eine mittelfristige Wachstumsplanung umfassen. Für den Händler und Integrator bedeutet dies nicht nur eine Möglichkeit, sich durch seine Expertise vom Wettbewerb abzuheben, sondern auch ein Umsatzpotential jenseits der reinen Produktverkäufe.

Die komplette Migration einer 50-User-Umgebung schlägt mit weit über 20.000 Mark zu Buche...

...während die Installation zweier Server-Verbindungen mit Fast-Ethernet oft völlig ausreicht und für knapp 2.000 DM zu haben ist.

* Wolfgang Scherer ist European Channel Marketing Manager des Netzwerkherstellers SMC

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