Millenium-Untaugliche Produkte

20.08.1998

Das Kaufrecht bietet dem Käufer eine ganze Palette von Ansprüchen und Wahlmöglichkeiten. Dies gilt sowohl für die Endkunden als auch für Wiederverkäufer oder Softwarehäuser.

Wandlung und Minderung

Das in der Praxis häufigste Recht ist das Rückgängigmachen des Kaufvertrages (Wandlung) und die Herabsetzung des Kaufpreises (Minderung). Wichtigste Voraussetzung hierbei ist, daß die verkaufte Software fehlerhaft ist. Dies ist nicht automatisch bei jeder Software der Fall, die mit dem Jahr 2000 nicht fertig wird. Entscheidend ist vielmehr, ab welchem Stichtag der Kunde darauf vertrauen durfte, daß die von ihm erworbene Software Jahr-2000-fähig ist. Man wird annehmen können, daß Software, die ab dem Jahr 1990 verkauft wurde, mangelhaft im Sinne des Kaufrechts ist, wenn sie Nicht-Jahr-2000-fähig ist. Bei großen betrieblichen Anwendungssystemen kann dieser Zeitpunkt auch noch bis weit in die achziger Jahre zurückreichen.

Im Ergebnis wird daher beim überwiegenden Teil der heute genutzten Software ein Mangel im Sinne des Kaufrechts vorliegen, wenn das Programm nicht Jahr- 2000-fähig ist. Als Rechtsfolge stehen dem Kunden dann grundsätzlich die Möglichkeiten der Wandlung oder Minderung des Kaufvertrages zu. Sofern vertraglich ein Nachbesserungsrecht vereinbart war, kann der Lieferant auch ein Jahr-2000-fähiges Update liefern.

Schadensersatz

Noch gefährlicher sind die Schadensersatzansprüche, die dem Käufer gegen den Softwarelieferanten zustehen können. Wenn der Verkäufer die Jahr 2000-Fähigkeit durch seinen Verkaufsprospekt oder im Rahmen des Verkaufsgesprächs zugesichert hat, kann der Käufer alle Nachteile aus der Nichterfüllung des Kaufvertrages ersetzt verlangen (zum Beispiel nutzlose Aufwendungen, Vertrags- oder Finanzierungskosten).

Zum Schadensersatz ist der Softwarelieferant auch verpflichtet, wenn er den Softwaremangel arglistig verschwiegen hat. Über den Stichtag haben sich Juristen noch keine abschließende Meinung gebildet. Die Bandbreite schwankt zwischen 1993 und 1997. Wer ab diesem Zeitpunkt Nicht-Jahr 2000-fähige Software veräußert und auf den Jahrtausendfehler nicht hingewiesen hat, muß mit Schadensersatzforderungen rechnen.

Neben den spezialgesetzlichen Schadensersatzregelungen des Kaufrechts droht dem Softwarelieferanten aber auch noch aus dem allgemeinen Vertragsrecht Gefahr. Das Rechtsinstitut der positiven Forderungsverletzung (PFV) führt dazu, daß der Softwareverkäufer auch noch für die Zerstörung oder Beschädigung anderer Sachen des Käufers und für Personenschäden aufkommen muß. Außerdem kann der Käufer Datenverluste geltend machen oder vergeblichen Arbeits- und Materialaufwand bei der Nutzung des fehlerhaften Softwareprogramms ersetzt verlangen.

Verjährung

Gegen das dargestellte erhebliche Haftungsrisiko des Softwarelieferanten im Zusammenhang mit dem Jahr-2000-Problem wird oft eingewandt, daß die meisten Ansprüche längst verjährt seien, wenn die Softwaremängel in der Praxis bemerkt werden. Dies gilt aber nur sehr eingeschränkt. Es trifft zwar zu, daß viele kaufrechtliche Gewährleistungsansprüche innerhalb von sechs Monaten nach Auslieferung der Software verjähren. Es gibt aber auch zahlreiche Ausnahmetatbestände, die zu längeren Verjährungsfristen führen.

So enthalten EDV-Verträge oft eine Verlängerung der gesetzlichen Gewährleistung. Werden Softwarefehler arglistig verschwiegen, so verjährt der Schadensersatzanspruch sogar erst nach 30 Jahren. Eine Hemmung der Verjährung kommt in Betracht, wenn der Softwarelieferant den Mangel prüft oder beseitigt.

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