Millennium-Problem juristisch betrachtet

14.05.1999

MÜNCHEN: Juristische Spitzfindigkeiten oder ein ernstzunehmendes Problem? Auskünfte über die Jahr-2000-Tauglichkeit der Systeme eines Herstellers können laut Microsoft haftungsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Richtig! Allerdings ist die Verweigerung solcher Auskünfte rechtlich noch viel bedenklicher, wenn sich etwa hinterher herausstellt, daß das jeweilige System den Jahrtausendwechsel nicht mitgemacht hat.Wer bei Microsoft anruft, um zu fragen, ob das jeweilige Betriebssystem auf seinem Rechner Jahr-2000-fähig ist, kann sein blaues Wunder erleben. Denn eine eindeutige Anwort wird er nicht erhalten. Statt dessen verweist der Softwaregigant auf seine Webseiten.

Wie die Wochenzeitung, "Die Zeit" schreibt, sei das keineswegs böser Wille. Vielmehr gebe es, Microsoft-Deutschland-Chef Richard Roy zufolge, juristische Probleme. Denn wer am Telefon eine Auskunft gebe, der müsse haften, falls aufgrund der Auskunft ein Schaden entstehe. Roy fordert daher ein Sondergesetz, das Unternehmen von der Haftung befreien soll, falls ein Anrufer sich aufgrund einer falschen oder unzureichenden Auskunft in Sicherheit wiegt, obwohl sein System, wie sich später herausstellen könnte, ein ersnstes Jahr-2000-Problem hat.

Obwohl zwischen Otto Normalverbraucher und Microsoft - anders als bei Firmenkunden - kein direktes Vertragsverhältnis besteht, könnten nach derzeitiger Rechtslage auch Privatpersonen klagen, wenn sie falsch beraten würden, so Roy.

In Deutschland ist der Zug längst abgefahren

In den Vereinigten Staaten sind die Hard- und Softwarehersteller seit Oktober letzten Jahres fein raus. Denn seitdem gilt dort das "Year 2000 Information and Readiness Disclosure Act", das Unternehmen von Haftungsansprüchen befreit, die aus einer Erklärung zur Jahr-2000-Sicherheit ihrer Systeme abgeleitet werden könnten.

Bei einem Treffen zwischen Microsoft-Chef Bill Gates und Bundeskanzler Gerhard Schröder soll auch dieses Thema zur Sprache gekommen sein. Allerdings gibt es von seiten der Bundesregierung keine Bemühungen, ein solches Notgesetz zu verabschieden. Denn, so Michael Bartsch, Rechtsanwalt aus Karlsruhe:

"Der Zug ist abgefahren." Tatsächlich käme eine solche Gesetzesinitiative ein halbes Jahr vor dem Jahrtausendwechsel viel zu spät, zumal selbst Privatnutzer bis zu sechs Monate Haftungsansprüche stellen könnten.

Außerdem sei der Rechtsanspruch aus der Beratung gar nicht scharf von der ursprünglichen Haftung zu trennen. Denn was ist, wenn ein Kunde erst am Telefon erfährt, daß sein neues Softwareprodukt eigentlich gar nicht Jahr-2000-fähig ist? Bartsch räumt zwar ein, daß die konkrete Beratung schon Haftungsprobleme nach sich ziehen könnte. Viel schwerwiegender sei aber, wenn Microsoft einem Vertragspartner die Auskunft verweigere und daraufhin ein Schaden entstehe. Fragt sich nur noch, seit wann die Hersteller von dem Jahr-2000-Problem gewußt haben mußten: seit 1990 oder 1995? Frank Sempert, Sprecher der Initiative 2000, eines Zusammenschlusses großer Hard- und Softwarehäuser, meint, seit 1995 hätten alle Hersteller spätestens Bescheid wissen müssen. Wer danach noch fehlerhafte Produkte verkauft habe, habe arglistig gehandelt und müsse noch 30 Jahre lang für seine Produkte haften. (kh)

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