Geschichte der IT-Fusionen

Milliardenschwere Debakel

19.02.2008

Im Jahr 2002 fusionierten Hewlett Packard und Compaq unter der Anteilnahme nahezu aller IT-Anbieter. Kaufpreis: rund 25 Milliarden Dollar (17 Milliarden Euro). Der Plan der damaligen Chefin Carly Fiorina war, HP zum größten IT-Unternehmen der Welt zu machen. Doch das margenschwache PC-Geschäft erwies sich nach dem Platzen der Internet-Blase als Milliardengrab. Zehntausende Entlassungen folgten, und Compaq-Sparten wie die ruhmreiche Serverabteilung Alpha wurden eingestellt. Anfang 2005 gab Fiorina auf. Heute aber hat HP sein Ziel reicht: Mit einem Umsatz von 104 Milliarden Dollar hat es Konkurrenten IBM übertrumpft und rangiert an erster Stelle als IT-Anbieter.

1998 übernahm der amerikanische Telekom-Anbieter Worldcom die Telefongesellschaft MCI für 37 Milliarden Dollar (25.Milliarden Euro). Vorübergehend stellte das fusionierte Unternehmen die weltweit drittgrößte Telefongesellschaft dar. Allerdings sorgte die die neue Firma im Jahr 2002 auch für die größte Pleite der amerikanischen Wirtschaftsgeschichte. Bilanzfälschungen im großen Stil lautete der Vorwurf nach der Insolvenz. Der Prozess gegen den Firmengründer Bernard Ebbers folgte, und der damalige Vorstandvorsitzende wurde zu 25 Jahren Haft verurteilt. Allerdings wurde MCI nach eineinhalbjährigem Gläubigerschutz saniert und im Jahr 2006 von Verizon Communications übernommen.

Im Internet-Jahr 2000 kaufte JDS Uniphase, ein amerikanischer Spezialist für Glasfasernetzwerke, den Konkurrenten SDL für nicht weniger als 41 Milliarden Dollar (knapp 28 Milliarden Euro). SDL machte in diesem Jahr gerade 183 Millionen Dollar Gewinn. Für das Finanzjahr 2007 (Ende Juni) bilanzierte das JDS Uniphase bei einem Umsatz von knapp 1,4 Milliarden Dollar einen Verlust von 26 Million Dollar. In den Jahren zuvor sah es nicht weniger bitter für das Unternehmen aus. Zudem kämpft es gegen einen Sammelklage von Aktionären, die dem Unternehmen Verschleuderung des Aktienververmögens vorwerfen.

Im Jahr 2006 legt der amerikanische Telekomprimus AT&T für den Mitbewerber Bell South 67 Milliarden Dollar (45 Millarden Euro) auf den Tisch. Kombiniert bedient man fast 63 Millionen Kunden; das Unternehmen ist damit fast genauso groß wie Verizon. Dass AT&T nach dem Kauf bekannt gab, es werde 10.000 Arbeitsplätze streichen, gehörte ebenso zu den Kosten dieses Mergers wie die Streichorgie des Jahres zuvor. Damals hatte SBC Communications AT&T für 16 Milliarden Dollar (knapp 11 Milliarden Euro) gekauft und als erstes 13.000 Arbeitsplätze gestrichen..

Den zweitgrößten Deal der IT-Geschichte leisteten sich im Jahr 2000 der amerikanische Online-Konzern AOL und der Mediengigant Time Warner. Für die Fusion der beiden Unternehmen zahlte AOL 164 Milliarden Dollar (112 Milliarden Euro). Diese Fusion machte beide nicht glücklich. Im Jahr 2003 strich Time Warner AOL aus seinem Namen. Denn AOL hatte vorallem in Europa nicht Fuß fassen können. Infolge dessen verkaufte Warner im Jahr 2006 das AOL-Geschäft mit Internetzugängen in Deutschland und anderen europäischen Ländern. Hierzulande kaufte die Hansenet-Mutter Telecom Italia das Zugangsgeschäft von AOL Deutschland für 665 Millionen Euro

Dieser Deal wurde nur von der Übernahme übertroffen, die der britischen Telekommunikationskonzern Vodafone beim Kauf von Mannesmann in Szene setzte. Schließlich, nach den zumindest die Werbekundender beider Unternehmen erfreuenden Anzeigenkampagnen, zahlte Vodafone knapp 190 Milliarden Euro für den deutschen Mobilfunker. Der Anfangspreis lag bei 100 Milliarden Euro. Nach der Übernahmenschlacht wurde Mannesmann zerschlagen: in Sparten aufgeteilt, verkauft oder eingegliedert. Es wäre eine eigene Arbeit, nachzuvollziehen, wo all die einzelnen Abteilungen geblieben sind. Die Justiz aber beschäftigte bis zum Jahr 2006 mit den Umständen der Übernahme und den hohen Abfindungen an das Management-Team um Vorstand Klaus Esser.

In diesem Zusammenhang ist eine Studie der amerikanischen Unternehmensberatung Boston Consulting Group erwähnenswert. Ihr zufolge erweisen sich große Fusionen als schwierig, und die Erwartungen an gesteigerte Gewinne durch den Zukauf werden häufig enttäuscht. Gemäß der Studie gingen 58 Prozent der Übernahmen, die zwischen 1992 und 2006 abgeschlossen wurden, auf Kosten der Aktionäre. Die hohe Komplexität der abgeschlossenen Geschäfte werde von den Konzernchefs häufig unterschätzt. (wl)

Zur Startseite