Misere am Speichermarkt

11.12.1998

MÜNCHEN: Eigentlich sollte man meinen, daß es immer genug Nachfrage nach Speicherchips geben wird, denn ohne Ram keine Datenverarbeitung. Dennoch befinden sich die Hersteller von Speicherchips nachhaltig in einer äußerst üblen Lage. Durch Überproduktion der alten und der Ankündigung neuer Chipgenerationen fallen die Preise ohne Aussicht auf ein Ende des Sturzfluges.Noch im Januar dieses Jahres kostete ein 16-Mbit-DRam (Dynamic Random Access Memory) vier Dollar. Sechs Monate später war derselbe Chip nur noch zwei Dollar wert. Den 64-Mbit-Chips ging es nicht anders. Seit Anfang 1997 rutschten diese DRam-Bausteine von 15 auf 8,5 Dollar. Die Nachfrage hat sich 1997 zwar verdoppelt und ist im Laufe dieses Jahres nahezu gleich geblieben, aber der Umsatz der Hersteller wurde im letzten Jahr von Monat zu Monat schmaler. Marktanalysten errechneten für das letzte Jahr einen Preisverfall von 75 Prozent. Für 1998 werden um 40 Prozent niedrigere Preise erwartet.

Hersteller verlassen das sinkende Schiff

Schlecht für die Anbieter: Anfang Juli 1998 deckten die Preise für 16-Mbit-Chips gerade mal 66 Prozent der Produktionskosten. Die Gründe: Es gibt zu viele Chips auf der Welt. 1998 wurden zum Beispiel zwischen sieben und neun Mal (je nach Marktforschungsinstitut) so viele 64-Mbit-Chips produziert wie im Jahr davor. Die Lager der PC Hersteller sind prall gefüllt, und die neue Chipspezifikation für SDRam-Bausteine, PC100 von Intel, hing wie ein Damoklesschwert über den altgedienten 16- und 64-Mbit-DRams.

Seit Mitte dieses Jahres ist klar: Der Markt muß stabilisiert werden, sonst kollabiert er. Das rief die amerikanischen und europäischen Handelsministerien auf den Plan. Sie denken intensiv über Anti-Dumping-Maßnahmen nach. Doch eine Verwirklichung der Ideen ist frühestens Ende dieses Jahres in Sicht.

Der Druck auf die Chip-Hersteller ist indes jetzt schon so groß geworden, daß sie gar nicht mehr umhin können, auf die Misere zu reagieren. Bereits im Juni haben koreanische und taiwanische Unternehmen in Union ihre Produktion wochenweise eingestellt. Diese Intervention hat zumindest zu einer teilweisen Verbesserung des Angebot-Nachfrage-Verhältnisses geführt. Allerdings nicht sehr lange. Inzwischen greifen einige Hersteller zu drastischeren Maßnahmen. Texas Instruments verkauft seine Speicherdivision an Micron. Der wiederum versucht, unabhängiger vom DRam-Markt zu werden und übernimmt Rendition, einen Hersteller von Grafik-Chips. NEC reduziert seine 16-Mbit-Produktion von sechs auf zwei Millionen Einheiten im Monat. Der 64-Mbit-Ausstoß wird von 15 auf zehn Millionen Einheiten im Monat zurückgeschraubt.

Hitachi und Siemens schließen ihre 0,25-Micron-Werke. Fujitsu schließt seine Halbleiterfabrik in England und steigt somit komplett aus dem 4-Mbit- und 16-Mbit-Geschäft aus. Statt dessen konzentriert sich das japanische Unternehmen nach eigenen Angaben auf die Produktion von 64-Mbit-Chips, obwohl auch hier der Markt nichts mehr hergibt. PC-Hersteller Acer steigt komplett aus dem Chip-Geschäft aus und versucht es in Kooperation mit IBM mit der Produktion von integrierten Schaltung, den ICs (Integrated Circuit).

Der Untergang ist noch nicht besiegelt

Wie es mit der Chip-Branche weitergehen soll, darüber scheiden sich im Moment die Geister. Die Meinungen der Marktforschungsinstitute über die Zukunft sind ebenso vielfältig wie ihre Einschätzung der Gegenwart. IDC (International Data Corporation) beispielsweise hat für 1998 einen weltweiten Chip-Umsatz von rund 124 Milliarden Dollar errechnet. Die Seminconductor Industry Association (SIA) beziffert den weltweiten Umsatz der Chiphersteller für dieses Jahr auf rund 135 Milliarden Dollar. Das entspricht einem Rückgang seit 1997 um 1,8 Prozent.

Gewohnt optimistisch sieht die Gartner Group die Situation. Nach Einschätzung der Gartner-Analysten hat der Chip-Markt ein Volumen von etwa 159 Milliarden Dollar für 1998, acht Prozent mehr als im Vorjahr. Laut dem Markforschungsinstitut wuchs der Markt 1996 um 6,3 Prozent und im Jahr darauf um 3,5 Prozent.

Auch die Zukunft sieht Gartner recht rosig. Für 1999 hat die Gruppe gar ein Marktwachstum von 18 Prozent angekündigt. Das Umsatzvolumen soll auf etwa 188 Milliarden Dollar anwachsen, was im Jahr 2000 zu einer DRam-Knappheit führen soll.

Dagegen ist IDC pessimistischer. Eine Entspannung sei frühestens Mitte des nächsten Jahres zu erwarten. Dann werde der Markt von drei Keyplayern dominiert: Samsung, dem derzeitigen unumstrittenen Marktführer, Micron und NEC. Für das Jahr 2003 prognostiziert IDC ein Marktvolumen von 232 Milliarden Dollar. Die vorsichtigste Aussage trifft Dataquest, für die sich die Lage frühestens in zwei Jahren entspannen wird. Erst im Frühjahr 2000, so die Auguren, werden die Preise wieder ansteigen. Eine steigende Nachfrage nach Chips werde mindestens noch drei Jahre auf sich warten lassen. (gn)

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