Mit dem Chef auf "Du und Du"

18.05.2000
"Corporate Identity" heißt das vermeintliche Schlagwort, um das nicht nur junge forsche, dynamische Unternehmen kämpfen. Eine neue Firmenphilosophie macht sich auch in den Führungsetagen breit. Frischer Wind wird dabei vor allen Dingen von ausländischen Unternehmungen in die manchmal steif wirkende Struktur des deutschen Führungsstils hineingetragen.

Diese Brise frischen Windes wollte auch eine schwedische Bekleidungsfirma in ihre deutsche Filiale transportieren und stellte den dienstlichen Umgang der Mitarbeiter, ganz nach schwedischem Vorbild, auf die Anrede mit dem Vornamen und auf "du" um. Der Betriebsrat trug dieses "verordnete Du" mit. Auch die Arbeitnehmer duldeten zunächst alle diese Form der Anrede. Erst gut zwei Jahre nach dieser Einführung der Du-Anrede muckte ein Mitarbeiter auf und wollte wieder in der Sie-Anrede angesprochen werden und wieder die Sie-Anrede gegenüber den Kollegen gebrauchen. Die Firmenleitung sah nun ihre Firmenphilosophie als angekratzt an und blieb bei dem "verordneten Du". Der Mitarbeiter fühlte sich in seiner Persönlichkeit verletzt. Das zwangsweise angeordnete "Du" lehnte er ab und wollte wieder, mit Hilfe des Arbeitsgerichts, den konventionell klassischen Umgangsstil pflegen und partout nicht mehr geduzt werden.

Sowohl das Arbeitsgericht Rheine als auch das Landesarbeitsgericht Hamm (Az.: 14 Sa 1145/98) entschieden gegen ihn und begründeten ihre Entscheidungen folgendermaßen: Führt ein Betrieb die Unternehmensphilosophie ein, dass der dienstliche Umgang der Mitarbeiter auf die Anrede mit dem Vornamen und auf "du" umgestellt wird, so ist diese neue Umgangsform für alle bindend. Voraussetzung ist allerdings, dass der Betriebsrat diese Anrede mitträgt und der Arbeitnehmer die Du-Form duldet. Wünscht ein Arbeitnehmer erst nach gut zweijähriger widerspruchsloser Duldung die Umstellung auf "Sie", so ist dieses Verhalten widersprüchlich. Eine Klage auf Umstellung in die Sie-Form ist nicht begründet, weil das Duzen jetzt betriebsüblich ist und das Persönlichkeitsrecht dadurch nicht verletzt wird. Der neue Verhaltenskodex ist jetzt von der Belegschaft "verinnerlicht" und als neue Umgangsform akzeptiert worden. Aus dieser Betriebspraxis, so die Arbeitsgerichte, kann der Arbeitnehmer nicht mehr alleine ausscheren und muss sich deshalb auch weiterhin duzen lassen.

Ob sich mit diesem Urteilsspruch alle anfreunden können, und ob das zwanglose "Du" tatsächlich das Betriebsklima auflockert und den herbeigerufenen Teamgeist stärkt, ist genauso fraglich wie die Annahme, dass man schwedische Bräuche per Dekret auf deutsche Verhältnisse überträgt.

War das Duzen des Chefs früher noch ein Kündigungsgrund, ist es jetzt umgekehrt: Wer den Chef nicht duzt, liefert selbst einen Grund für die Kündigung.

Erzwungenes Duzen schafft Unsicherheit

Wird aber das Duzen als Rechtspflicht, abgesegnet durch das Arbeitsgericht, verstanden, greift dies in die Selbstdarstellung und in die Persönlichkeit des Betroffenen ein. Auch wenn das Duzen für sich genommen keine Beleidigung ist, wird doch das Element des Persönlichkeitsrechts beim Zwang zum Duzen angetastet und kann als Demütigung verstanden werden. Rechtlich erzwungenes Duzen schafft nämlich alleine keine Vertraulichkeit, sondern Unsicherheit, weil es die Identifikation von Personen erschwert. Die Unterscheidung zwischen fremd und vertraut ist alleine Sache der einzelnen Person und ist dem Recht der Gerichte nicht zugänglich. Dies weder als Selbstbestimmungsrecht des Angeredeten noch als Entscheidung des Betriebsrates oder einer Betriebsversammlung, noch als Weisungsrecht des Arbeitgebers, noch kann es im Arbeitsvertrag bindend festgeschrieben werden. Wer jemandem gegen seinen Willen das Du als Zeichen der Vertrautheit aufdrängt, verletzt diesen ebenso wie derjenige, der dem anderen das Du entzieht und wieder zur Sie-Form übergeht.

Resümee

Will eine Firma tatsächlich Gleichberechtigung einführen und Distanz abschaffen, gibt es hierfür eine wesentlich unkompliziertere und einfachere Möglichkeit: Die Gehälter aller Mitarbeiter einfach anpassen und gleichstellen. Der mit dem Du symbolisierte Gemeinsamkeitsgedanke hätte dann jedenfalls einen hand-, sprich geld-festen Boden. Dies wird nicht gewollt sein. Es bleibt daher dabei: Das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Mitarbeiter muss auch ein Arbeitgeber respektieren. Deshalb kann er das Duzen nicht verlangen. (jlp)

Zur Startseite