Mit einem Auge an der Börse

04.10.2001
Im vorletzten Teil unserer Serie zur privaten Altersvorsorge stellt Werner Staudte* eine weitere Anlageform vor, die sich in jüngster Zeit wachsender Beliebtheit erfreut: die fondsgebundene Lebensversicherung.

Die fondsgebundenen Lebensversicherungen sind auf dem Vormarsch. Zielgruppe für diese Policen, die es als Kapital- wie auch als Rentenversicherungen gibt, sind Menschen mit gutem Einkommen und dem Willen, zugunsten großer Chancen auch ein wenig Risiko einzugehen. Einen besonderen Reiz üben derartige Versicherungen vor allem auf jüngere Jahrgänge aus.

Die Fondspolicen bieten unter einem Dach soliden Versicherungsschutz und Vermögensbildung sowie durch die Anlage eines Teils der Gelder in Investmentfonds die Beteiligung an Kursgewinnen, aber auch Verlusten an der Börse.

Die Victoria Lebensversicherung, die zur Ergo-Gruppe gehört, beschreibt die Zielgruppe für die Fondspolice genauer. Der ideale Kunde

- verfügt bereits über eine Basisversorgung,

- kommt aus einem Haushalt mit einem Nettoeinkommen von mindestens 4.000 DM monatlich,

- kann jährlich deutlich mehr als 5.000 DM auf die hohe Kante legen,

- ist zwischen 30 und 50 Jahren alt, weil in diesem Alter Renditeerwartung und Risikobereitschaft am stärksten ausgeprägt sind,

- verfügt über gute wirtschaftliche Kenntnisse und

- ist von Beruf leitender Angestellter oder Selbständiger.

Wer eine fondsgebundene Lebensversicherung wählt, schaut immer mit einem Auge zur Börse. Von der Kursentwicklung der dort gehandelten Wertpapiere ist die Höhe seines Versicherungsschutzes abhängig. Denn der größte Teil seiner Beiträge wird in Anteile von Investmentfonds inves-tiert, die den so genannten "Anlagestock" darstellen.

In den Versicherungsbedingungen heißt es klar und eindeutig: "Da die Entwicklung des Wertes des Anlagestocks nicht vorauszusehen ist, können wir den Wert der Leistungen - außer im Todesfall - nicht garantieren. Sie haben die Chance, bei Kurssteigerungen der Wertpapiere einen Wertzuwachs zu erzielen; bei Kursrückgängen tragen Sie das Risiko der Wertminderung."

Im vergangenen Jahr ist das Geschäft der Lebensversicherungsunternehmen stark eingebrochen. Nach dem Ausnahmejahr 1999, als es durch dann doch nicht verwirklichte Steuerpläne der Bundesregierung einen Boom im Neugeschäft gab, gingen die Beiträge aus neu eingelösten Verträgen kräftig zurück. Zwar mussten - zusätzlich gefördert von den Kursverlusten an der Börse - auch die Fondspolicen nach dem jahrelangen stürmischen Wachstum einen Rückschlag hinnehmen.

Doch nach einer Studie des Beratungsunternehmens Tillinghast-Towers Perrin, das auf Finanzanlagen und Versicherungen spezialisiert ist, sind die fondsgebundenen Versicherungen im vergangenen Jahr erstmals vor der gemischten Kapitalversicherung auf den Todes- und Erlebensfall und der privaten Rentenversicherung zum meistverkauften Versicherungsprodukt auf dem deutschen Markt geworden. Jede vierte neue Lebensversicherung basiert inzwischen auf der Anlage eines größeren oder kleineren Betrages in Investmentfonds.

Aufwärtstrend war nur kurz unterbrochen

Und der nur kurz unterbrochene Aufwärtstrend setzt sich fort. So hat beispielsweise die Skandia Lebensversicherung AG in Berlin, die ausschließlich Fondspolicen verkauft, im ersten Quartal 2001 das Neugeschäft um 88 Prozent auf 696 Millionen Mark an eingelöster Beitragssumme gesteigert.

Die Marktforscher von Tillinghast-Towers Perrin fanden heraus, dass sich die Zahl der Versicherungsgesellschaften, die sich auf diesem wachstumsträchtigen Markt tummeln, im Jahr 2000 um 24 auf 66 Anbieter erhöht hat. Und es werden laufend mehr. So haben in der jüngeren Vergangenheit unter anderem die Allianz und die Mannheimer Versicherung neue Fondsprodukte angekündigt. Dabei setzt der Marktführer auf eine nach den Riester-Plänen förderfähige Lösung, bei welcher der eine Teil der Prämien zur Absicherung der Beitragsgarantie (bei Ablauf gibt es mindestens die eingezahlten Beiträge zurück) und der andere Teil für die Anlage in Fonds verwendet wird.

Hans Schreiber, Vorstandschef der Mannheimer, kündigt sein Vorhaben so an: "Unsere Kunden werden demnächst Lebensversicherungsprodukte in neuer Weise mit Fondsprodukten kombinieren können. Davon versprechen wir uns Auftrieb bei den kapitalbildenden Lebensprodukten. Kunden können so beides haben: die Sicherheit der klassischen Lebensversicherung und die Chancen, die Investmentfonds bieten."

Die Karriere der fondsgebundenen Policen ist noch jung. Nach den Erinnerungen von Albert Bruer vom BCA Wirtschaftsverband unabhängiger Finanzdienstleister in Oberursel tauchten die ersten FLV-Produkte (fonds-gebundene Lebensversicherungen) zu Beginn der siebziger Jahre auf. Bei dieser ersten Generation war in den Tarif nur ein Investmentfonds integriert. "Der Kunde", so Bruer, "war mit dem Sparanteil seines Beitrags über die gesamte Laufzeit des Vertrages an diesen einen Fonds gebunden." Generation zwei habe sich ebenfalls noch auf einen Fonds beschränkt, "den man aber immerhin schon mal austauschen konnte". Dann kam laut Bruer die dritte Generation: "Sie imitierte den Umbrella-Fonds und bot mehrere Fonds an, in die der Kunde die Sparbeiträge anteilig investieren konnte."

Die vierte FLV-Sippe setzt auf die gemanagten Portfolios. Finanzberater Bruer sieht auch schon die fünfte Generation am Horizont: noch mehr Fonds zur Auswahl, noch bessere Vermögensverwaltung und -vermehrung sowie der Ausbau der fondsgebundenen Lebensversicherungen zu ganzen Versicherungspaketen. Der erste Schritt ist der Verbund mit der Berufsunfähigkeitsversicherung.

Vorsicht: Beispielrechnungen leicht manipulierbar

Die jüngste Rangliste der FLV stammt von der Ratingagentur Franke & Bornberg in Hannover. Dabei wurden sowohl die von Versicherungen gemeinsam mit Fondsgesellschaften unterbreiteten Angebote als auch die umgekehrt von Investmentgesellschaften und Banken gemeinsam mit Versicherungen vorgelegten Offerten geprüft. Dieses Rating hat allerdings eine Schwäche. Die Agentur hat bewusst die Kosten beiseite gelassen, die für die Kunden beim Kauf, bei der Verwaltung und beim Fondswechsel entstehen.

Michael Franke, Geschäftsführender Gesellschafter der Agentur, begründet das damit, dass die Kosten von den Anbietern zu leicht manipuliert werden können. So kalkulieren neue Anbieter die Kosten für ihre Beispielrechnungen häufig zu niedrig und müssen sie später erhöhen. Andere machen die Kosten von der erzielten Rendite abhängig. Deshalb wurden in erster Linie die Performance, die Fondsbasis und die Vertragsbedingungen und zum Teil auch die so genannten Switch-Kosten für den Wechsel der Fonds bewertet.

Gesamtkosten ein Ausschlag gebendes Kriterium

Danach rangieren DB Vita und die Skandia mit dem Prädikat "Hervorragend" auf den ersten Plätzen. Continentale, Diba Professional und Nürnberger Leben wurden mit "Sehr gut" beurteilt. Bezogen auf unterschiedliche Kundentypen ergab sich folgende Rangordnung: Kunden, die ihr Vermögen möglichst selbständig verwalten und häufig zwischen verschiedenen Fonds wechseln wollen, sind bei der Skandia und der Continentale am besten aufgehoben. Den anderen Kunden, die sich um nichts kümmern wollen, werden die Policen der Nürnberger an erster Stelle empfohlen.

Einem Direktversicherer gefällt das Rating von Franke & Bornberg überhaupt nicht: Dietmar Meister, Vorstandschef der Cosmos Lebensversicherungs-AG. Er kritisiert das Vorgehen: "Die Gesamtkosten der Fondspolicen gehören zu den Ausschlag gebenden Kriterien bei der Kaufentscheidung der Verbraucher. Unseres Erachtens gibt es keine plausible Begründung, auf die Darstellung der Gesamtkosten zu verzichten." Meister wirft der Agentur weitere Fehler vor und betont, dass das Ergebnis einer Fondspolice maßgeblich von der Performance der gewählten Investmentfonds und von den davon abgezogenen Kosten abhängt.

Michael Wolf, Chef der Skandia, sieht das ganz anders. Er bezeichnet die Untersuchung von Franke & Bornberg als "richtungsweisend, weil sie viele der relevanten Faktoren berücksichtigt, die zur Beurteilung einer modernen Fondspolice notwendig sind. Das Institut zeigt damit deutlich, dass der einfache Vergleich von Ablaufleistungen bei angenommener Wertentwicklung viel zu kurz greift und überholt ist."

Die Kosten einer FLV sind allerdings schon erheblich. Sie setzen sich aus den Abschlusskosten, den Ausgabeaufschlägen beim Kauf der Fondsanteile, Kosten für den zwischenzeitlichen Wechsel der Fonds (Switch-Gebühr), Ratenzahlungszuschlägen und - bei gemanagten Policen - Kosten für die Vermögensverwaltung zusammen. Dazu kommt der Aufwand für den Risikoschutz, also die garantierte Leistung im Falle eines vorzeitigen Todes des Versicherungsnehmers. Eine Untersuchung bei 17 Anbietern von Fondspolicen ergab eine durchschnittliche Kostenbelastung von 20 Prozent der Beiträge. Besonders dynamisch hat sich nach diesen Beobachtungen in den vergangenen Jahren die fondsgebundene Rentenversicherung entwickelt. Diese Police, ausgestattet mit der zusätzlichen Garantie, am Ende der Vertragslaufzeit zumindest die eingezahlten Beiträge zurückzuerstatten, wird wahrscheinlich eines der wichtigsten Instrumente der Assekuranz für die "Riester-Rente". Dann wird freilich die ursprüngliche Idee der Fondspolice - möglichst viel von den Sparbeiträgen in Wertpapieren und besonders in Aktien anzulegen, um an deren langfristig unschlagbaren Wertentwicklung teilzunehmen - sehr verwässert. Denn ein erheblicher Teil der Beiträge muss ja künftig allein dafür verwendet werden, um den Anforderungen für die staatliche Förderung der privaten Altersvorsorge nachzukommen.

Ein weiteres Handicap bei diesen nach dem Muster der RiesterRente gestrickten Angeboten: Der Kunde muss eine Vertragslaufzeit bis zum 60. Lebensjahr wählen und das Kapitalwahlrecht statt der Rente ausschließen. Derartige Policen, die auf die Zertifizierung und die staatliche Förderung hoffen, heißen bei Cosmos Direkt "Renti Top mit Beitragsgarantie", bei der Volksfürsorge "Best Invest mit Garantieleistung" und bei der Alte Leipziger "Pro-Fund-Rente", bei der nur die Überschüsse in einen Aktienfonds fließen.

Garantierte Rente schon immer ein Streitfaktor

Die garantierte Rente war im Übrigen auch bisher schon ein Streitfaktor unter den verschiedenen Anbietern: Wie hoch oder wie niedrig soll bei einer fondsgebundenen Rentenversicherung der garantierte Rentenfaktor sein, und soll man überhaupt eine solche Garantie anbieten? Und was ist sie wert?

Der Rentenfaktor gibt an, wie viel Rente der Anleger pro 10.000 Mark Fondsguthaben lebenslang nach Ablauf der Versicherung erhält. Also ist es viel wichtiger, wie hoch oder wie niedrig der Anlagestock ist und ob der Anleger selbst oder die Manager seiner Versicherung rechtzeitig daran gedacht haben, die Aktienfonds in sichere Renten- und Immobilienfonds umzutauschen.

Sowohl bei der fondsgebundenen Kapital- als auch bei der Rentenversicherung muss sich der Anleger genau darüber im Klaren sein, was er will. Wer das Risiko scheut, wird sich eine Police suchen, bei der das Fondsguthaben nur zum geringen Teil in Aktien und zum größeren Teil in Rentenwerten und Immobilien gehalten wird. Wer auf eine besonders gute Performance aus ist, wird sich an solche Angebote halten, bei denen sich die Investmentauswahl nicht nur auf die hauseigenen Fonds des Versicherungspartners beschränkt ist, sondern der Versuch gemacht wird, die Wahl der Fonds zu optimieren.

So setzt etwa die Versicherung Neue Leben ausschließlich auf das - allerdings ziemlich umfangreiche - Fondsangebot der Deka. Dagegen tauchen bei der WWK neben Adig Investment, Grundbesitz-Invest und DWS auch international renommierte Fondsgesellschaften wie Fidelity, Gamax und Templeton auf.

Wer gern ein wenig spekuliert und aktiv am Börsengeschehen teilnehmen will, wird sich einen Anbieter suchen, der eine große Auswahl an Fonds hat, zwischen denen der Kunde kostenlos oder zumindest kostengünstig wechseln kann. So kombiniert etwa die Skandia in ihren Fondspolicen mehr als 40 Investmentfonds der besten Gesellschaften, zwischen denen der Anleger völlig kostenlos so oft hin und her springen kann, wie er will. Bei der Nürnberger kann der Kunde immerhin noch zwölfmal im Jahr gebührenfrei switchen, bei anderen Gesellschaften dagegen nur einmal oder überhaupt nicht. Und wer dann trotzdem wechselt, zahlt gleich 50 oder 100 Mark Gebühr.

*Werner Staudte ist freier Wirtschaftsjournalist in Dietzenbach.

Facts & Figures

Vor- und Nachteile der Fondspolicen

Vorteile:

+ Verfügbarkeit, ohne den Vertrag kündigen zu müssen

+ Absicherung der Hinterblie-benen

+ Hohe Renditechancen

+ Policendarlehen

+ Steuerfreie Auszahlung, wenn der Vertrag mindestens zwölf Jahre lang läuft und für wenigstens fünf Jahre Beiträge eingezahlt werden

+ Lebenslange Rente bei fondsgebundener Rentenpolice

+ Keine Gesundheitsprüfung bei fondsgebundener Rentenversicherung.

Nachteile:

- Beiträge sind nicht als Vorsorgeaufwendungen steuerlich absetzbar, auch nicht für Selbständige

- Risiko in schlechten Börsenzeiten. Wer seinen Vertragsablauf gerade in der Baisse erlebt, hat Pech gehabt

- Für Fondspolicen werden oftmals vergleichsweise hohe Gebühren verlangt

- Auswahl der Fonds ist bei vielen Anbietern eingeschränkt

- Möglichkeiten, die Fonds zu wechseln, sind eingeschränkt oder kosten Gebühren.

Quelle: Deutscher Wirtschaftsdienst

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