Mit freundlichen Grüßen ...

11.12.1998

NT plus Riedlbauer GmbHGeschäftsführung

Herrn Reinhold Stratz

Leyer Straße 24

49076 Osnabrück

München, 12.11.1998

Sehr geehrter Herr Stratz,

Deutschlands IT-Fachhändler und Systemhaus-Geschäftsführer haben es wirklich gut. Fast täglich meldet sich irgend ein wohlmeinender Experte und zeigt ihnen ein neues, lukratives Geschäftsfeld auf, mit dem sie sich eine goldene Nase verdienen oder wenigstens die kargen Margen im PC-Geschäft aufbessern können. Kaum ein Tag vergeht, an dem nicht mindestens ein Marktsegment mit der Informationstechnik zusammenwächst: Unterhaltungselektronik, Fotografie, Telekommunikation - alles wächst irgendwie mit der Computerei zusammen. Für die IT-Händler bedeutet diese Konvergenz der Märkte, so das Versprechen, jede Menge "Opportunities", wie es neudeutsch heißt.

Die neueste Quelle für Wohlstand, Ruhm und Glück für die IT-Wiederverkäufer heißt Festnetzvermarktung. Sie selber ermuntern Ihre Fachhandelskunden in Ihrem neuen, 700 Seiten umfassenden und zwei Kilogramm schweren Produktkatalog ja ebenfalls, sich auf dieses Thema zu stürzen. Daß die neuen Telekom-Alternativen wie Otelo, Viag-Interkom und Arcor ein hohes Interesse daran haben, die Zahl ihrer Vermarktungspartner zu erhöhen, ist verständlich. Und daß gerade der PC-Fachhandel und das IT-Systemhaus für die Telekom-Firmen aufgrund ihrer Kundenkontakte interessante Ansprechpartner sind, ist ebenfalls nachvollziehbar. Die wesentliche Frage aber scheint mir zu sein, was PC-Händler und Systemhäuser überhaupt dafür qualifiziert, um als kompetente Berater im Bereich der Festnetzanbieter aufzutreten. Oder braucht man dafür keine besondere Qualifikation?

Festnetzvermarktung, so sagte mir kürzlich ein Mitarbeiter Ihres Hauses, ist für PC-Händler und Systemhäuser, die über kein Know-how im Bereich Telekommunikation verfügen, "witzlos". Schon allein aus dem Grunde, daß sie von Ihren Kunden nicht als Experten auf diesem Gebiet wahrgenommen werden. Der Weg in den Telekommunikationsmarkt geht, so Ihr Mitarbeiter, über die Hardware: über den Verkauf und die Installation kleinerer und mittlerer TK-Anlagen, über Handies im Rahmen mobiler Datenübertragung und solche Dinge. Grundlage dafür ist aber eine strategische Entscheidung, die man nicht zwischen Tagesschau und Wetterkarte treffen sollte, da damit durchaus erhebliche Investitionen verbunden sind.

Vor lauter Begeisterung über die angeblich phantastischen Geschäftsmöglichkeiten, die sich durch die zusammenwachsenden Märkte ergeben sollen, ist ein Begriff ziemlich ins Hintertreffen geraten: die Konzentration auf die Kernkompetenz. Eine durchaus bedenkliche Entwicklung. Denn wer versucht, auf vielen Hochzeiten zu tanzen, läuft Gefahr, sich ziemlich schnell die Beine zu verrenken. Oder anders gesagt: Wer hat mehr Aussicht auf Erfolg - der spezialisierte Violinist, der täglich hart am Instrument arbeitet, um seine Kunst zur Perfektion zu treiben, oder der Allrounder, der mit einer riesigen Pauke auf dem Rücken, Schellen an den Füßen, einem

Akkordeon vor der Brust, einer Mundharmonika zwischen den Lippen, zwei Becken auf dem Kopf und einem Hut vor den Füßen in der Fußgängerzone steht?

Mit freundlichen Grüßen

Damian Sicking

Zur Startseite