Mit freundlichen Grüßen ...

11.05.1998

IBM DeutschlandInformationssysteme GmbH

Herrn Christian Hildebrandt

Hanns-Klemm-Straße 45

71034 Böblingen

Sehr geehrter Herr Hildebrandt,

ein Bild sagt bekanntlich mehr als tausend Worte. Und das Foto, das mir meine Kollegin Gabi Nehls von Ihnen auf den Schreibtisch gelegt hat, macht da keine Ausnahme. IBMs PC-Chef Christian Hildebrandt in Jeans und Polohemd auf einem deutschen Kinderspielplatz, das jüngste Modell der IBM-Notebook-Palette präsentierend.

Die Botschaft ist klar: Bei der IBM weht ein frischer Wind, im Vertrieb werden völlig neue Wege gegangen nach dem biblischen Motto "Wenn der Berg nicht zum Propheten kommt, muß der Prophet zum Berg gehen". Oder konkreter: Wer neue Kunden gewinnen will, muß sie da abholen, wo sie sind.

Das "Kinder-kommt-mal-her-ich-hab-euch-was-Tolles-mitgebracht-Foto" zeigt aber noch mehr: Die IBM und die anderen Marken-Hersteller wollen verstärkt Notebooks unters Volk bringen. Und zwar nicht nur im Segment der Business-Anwender, sondern gerne auch bei den Privatnutzern. Das Potential zur Ausweitung des Notebook-Absatzes in Deutschland ist ja auch riesig. So kommen hierzulande auf 100 verkaufte Tischrechner derzeit lediglich zwölf bis 14 verkaufte Notebooks. In anderen Ländern sieht das Verhältnis anders aus: In den USA liegt der Anteil der Notebooks bei über 30 Prozent, in Japan ist fast jeder zweite verkaufte Rechner ein tragbarer (kein Wunder bei dem Platzproblem).

Der Grund für die Notebook-Offensive der Markenhersteller liegt auf der Hand: weniger Wettbewerber. Vor allem weniger "Schrauber", die den Markenherstellern gerade in Deutschland immer wieder die gute Laune vermiesen. Ist ja auch kein großes Problem, mal schnell einen PC zu montieren. Dementsprechend ist in Deutschland der Marktanteil der "Others" hinter den Top-10 mit 30 Prozent und mehr sehr hoch.

Beim Notebook sieht die Sache dagegen ganz anders aus. Notebooks sind nicht mal schnell zwischen Suppe und Kartoffeln zusammengeschraubt. Die Folge: Der Marktanteil der "Others" hinter den Top-10 beträgt in diesem Segment lediglich rund zwölf Prozent. Wenn es uns nun gelingt, so die Überlegung der Markenhersteller, die Anwender dazu zu motivieren, sich statt eines Desktop- einen Notebook-PC zu kaufen, trocknen wir die Kleinassemblierer langsam, aber sicher aus. Soweit die Theorie.

Und die Praxis? Die sieht so aus, daß ich zum Beispiel aktuell bei Saturn die Wahl habe zwischen einem Siemens Xpert mit Pentium II (400 MHz), 64 MB-RAM, 6,4 GB-Festplatte, USB-Schnittstelle, Multimedia-Ausrüstung und 17-Zoll-Monitor für 2.698 Mark und einem Network-Notebook mit MMX-Prozessor (266 MHz), 4,3 GB-Platte und 13,3-Zoll-TFT-Display für 2.999 Mark. Da müssen Sie mir schon sehr gute Argumente liefern, warum ich für weniger Leistung 300 Mark mehr ausgeben soll. Daß meine Kinder den Rechner mit auf den Spielplatz nehmen (und dort vergessen) können, überzeugt mich jedenfalls noch nicht.

Deshalb, denke ich, müssen Sie einen anderen Ansatz verfolgen: das Notebook als Zweitgerät. Die TV-Industrie hat es vorgemacht. Auf jeden Wohnzimmer-Fernseher verkauft die Branche nach Angaben von Experten zwei weitere portable Geräte. Das Dumme ist nur, daß die tragbaren Fernseher deutlich billiger sind als die großen Flimmerkisten. Dieses kleine Problem müßte die PC-Industrie noch lösen.

Mit freundlichen Grüßen

Damian Sicking

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