Mit freundlichen Grüßen ...

09.03.1998

Deutsche Messe AGVorstand

Herrn Hubert Lang

Messegelände

30521 Hannover

München, 03.09.1998

Sehr geehrter Herr Lange,

Reisen bildet, dachte ich am Mittwoch vergangener Woche und setzte mich in die Frühmaschine nach Hannover. Ziel: die Cebit-home. Daß ich die bayerische Landeshauptstadt bei schönstem Sonnenschein verließ, um in der niedersächsischen Metropole bei einem feinem Nieselregen zu landen, tat meiner grundsätzlich positiv-erregten Gesamtstimmung keinen Abbruch. Gut, der Mega-Event würde es nicht werden, das war mir klar, und viele Firmen glänzten durch Abwesenheit. Dennoch: Ihr Versprechen, davon war ich überzeugt, rechtfertigte diese Betriebsausgabe (allein knapp 900 Mark für den Flug). Eine Fülle neuer Produkte und vor allem: die wichtigsten Trends und Heerscharen von Fachhändlern, für die diese wichtige "OrdermesseË ein Pflichttermin sein sollte.

Um es kurz zu machen: Diese Reise nach Hannover war eine einzige Enttäuschung. Ich bin durch alle Hallen getigert, aber Trends habe ich beim besten Willen keine entdecken können. Sicher, dafür können Sie nichts, aber dann versprechen Sie bitte auch keine. Und Deutschlands Fachhändler? Auf dem Weg zum Messegelände im Stau steckengeblieben? Sicher nicht, denn den gab es nicht. Die Händler hatten offenkundig den Titel "Cebit-homeË zu wörtlich genommen und waren zu Hause geblieben (vielen Dank für diese Formulierung an die Kollegin Gutowski von der Wirtschaftswoche).

Da war zum Beispiel mitten in Halle 4 ein großer Stand mit einem großen Schild "Dealers onlyË. Passender wäre gewesen "Dealers lonely". Da war die totale Ebbe. Im Fachhandelszentrum im TCM war ebenfalls tote Hose. Die Handelskooperationen aus der UE- und Computerbranche, die dort auf viele Kontakte hofften, konnten einem leid tun. Wer sich unterhalten wollte, mußte Selbstgespräche führen. Zur Podiumsdiskussion über den Angriff der Lebensmittelmärkte auf den PC-Fachhandel kamen keine zwanzig Leute zusammen.

Saßen die Händler vielleicht in den Hallen mit Ausstellern zusammen und klamüserten gemeinsame Geschäftsstrategien aus? Sicher nicht. Ging ja gar nicht. Um sich zum Beispiel in der Halle 3 ("SpielhölleË) bei einem Lärmpegel von 148 über normal miteinander verständigen zu können, hätte man über telepathische Fähigkeit verfügen müssen.

Mein Fazit: Die Cebit-home hat ihre Positionierung noch nicht gefunden. Als "kleine IFAË wird sie sicher nicht überleben. Als Spielemesse dagegen hat sie eine gute Chance. Vor allem sollte man auch endlich aufhören, von einer "OrdermesseË für den Handel zu sprechen. Damit macht man sich nur lächerlich. Die Computerbranche ist nicht die Textilbranche, wo man im Herbst die Kollektion für das nächste Frühjahr zusammenstellt. Das einzige, was die wenigen Händler auf der diesjährigen Cebit-home orderten, war die Bockwurst am Stand vor Halle 4.

Reisen bildet. Diese Volksweisheit hat sich einmal mehr bestätigt. Denn nun weiß ich, was ich einem Händler antworte, wenn er mich fragt, ob es sich für ihn lohnt, zur Cebit-home zu fahren.

Mit freundlichen Grüßen

Damian Sicking

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