"Mit freundlichen Grüßen"

18.06.1998

IBM Deutschland GmbHHerrn Hermann-Josef Lamberti

Ernst-Reuter-Platz 2

10587 Berlin

München, 18.06.1998

Sehr geehrter Herr Lamberti,

Sie erinnern sich gewiß: Anfang 1996 läutete Ihr Vorgesetzter Louis Gerstner die Ära des indirekten Vertriebs ein. Vor 3.500 IBM-

Vertriebspartnern und 1.500 IBM-Mitarbeitern blätterte er die "Business Partner Charter" auf und malte die Wende im Partnergeschäft vor den überraschten Zuhörern in den herrlichsten Farben aus: Von nun spielen die IBM-Partner die "führende Rolle", erklärte

Gerstner. Seitdem schallt das Partnerlied von allen Hügeln, auch von denen des Schwabenlandes, und die so angesprochenen Partner

konnten sich sicher sein: Ich sitze mit IBM in einem Boot.

Doch zwei Jahre später machten die PC-Serverumsätze des größten IT-Unternehmens die Runde. Laut dem "Wall Street Journal" nahm Ihr Management kopfschüttelnd die zirka 1,4 Milliarden Dollar Umsatz, die mit den PC-Servern im letzten Jahr umgesetzt wurden,

entgegen. Denn erstens machten Compaq und HP das Servergeschäft unter sich aus, zweitens droht Direktverkäufer Dell an Ihnen vorbei-zuziehen, und drittens zeugen die zirka 20 Prozent Neukunden in einem Bereich, der mit 45 Prozent Wachstum aufwartet, von mangelnden Akquisitionserfolgen. Die nackten Zahlen des letzten Quartals zeigten deutlich: Mit weltweit nur 10,6 Prozent Marktanteil und

beispielsweise in Deutschland einem Umsatzminus von 56 Prozent droht der Abstieg in die Zweitklassigkeit.

Da erinnerte sich das eilends zusammengetretene Krisenmanagement an alte Direktvertriebserfolge; es wußte, viele Direktkämpfer

verspeisen seit zwei Jahren jeden Tag Kreide zum Frühstück, um ihre Stimme für das Partnergeschäft geschmeidig zu machen. Wenn man die alten Kämpfer reaktivieren könnte und aus dem indirekten Vertrieb, der offensichtlich wenig taugt, wieder abzöge, müßten die

Geschäfte wieder anzukurbeln sein. Und so kam es zum Schnellschluß, es müßte doch möglich sein, die PC-Server auch wieder direkt zu verkaufen. Nur bei ausgewählten Top-Kunden, versteht sich... Was alle Ihre Partner sicher sehr beruhigt.

Doch wie, sehr geehrter Herr Lamberti, paßt das nun mit der "Business Partner Charter" zusammen? Gar nicht? Etwas? Sehr gut?

Genau das würde ich gerne von Ihnen wissen. Denn ich frage mich, wie Sie die für das Partnergeschäft grundlegenden Faktoren Vertrauen, Glaubwürdigkeit und Berechenbarkeit realisieren wollen, wenn Sie selbst die grundlegende Regel unter Kaufleuten verletzen:

Was unterschrieben wurde, gilt für beide Parteien!

In Erwartung Ihrer Antwort verbleibe ich mit freundlichen Grüßen

Wolfgang Leierseder

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