"Mit freundlichen Grüßen"

06.04.1998

Manager Magazin Redaktion

Herrn Jochen Rieker

Ost-West-Straße 2

20457 Hamburg

München, 04.06.1998

Sehr geehrter Herr Rieker,

der Kauf des Juni-Heftes des manager magazins hat sich wieder einmal gelohnt. Insbesondere Ihre Geschichte über Siemens und das Feature über Compaq-Boß Eckhard Pfeiffer ("Der Außerirdische") waren für mich eine informative und streckenweise auch erheiternde Lektüre.

Wirklich nett von Ihnen finde ich, daß Sie den in Kürze in die USA umziehenden SNI-Boß Gerhard Schulmeyer so freundlich verabschieden. Schon allein darüber, daß Sie sein Foto mehr als fünfmal so groß aufgezogen haben wie das des Siemens-Chefs von Pierer, wird sich Schulmeyer sicher freuen. Und dann erst die Bildunterzeile: "SNI-Chef Gerhard Schulmeyer hat die Neuausrichtung bei Siemens erst möglich gemachtô"! Da werden manche Siemens-Manager sicherlich schlucken. Überhaupt hat man nach der Lektüre des Artikels den Eindruck, daß bei Siemens der falsche Mann am Hebel sitzt: Nicht Heinrich von Pierer, an dem Sie kaum ein gutes Haar lassen, sondern Gerhard Schulmeyer ist der Mann, der in dem "Ingenieursladen" (Rieker) etwas bewegen könnte. Ich bin mir zwar nicht sicher, ob Schulmeyer wirklich ein so toller Hecht ist, als den Sie ihn beschreiben, aber um das zu erläutern, reicht der Platz auf dieser Seite leider nicht aus.

Noch besser als der Siemens-Artikel gefiel mir Ihr Porträt des Compaq-Chefs Pfeiffer. Ich habe mich köstlich amüsiert. Dabei kam mir spontan ein Statement eines Branchenkenners in den Sinn aus der Zeit, als Pfeiffer noch Europa-Chef von Compaq war. "Wenn Pfeiffer mit seinen Leuten über die Cebit ging, dann war das wie eine Chefarztvisite." Hätte, glaube ich, auch noch ganz gut in Ihren Artikel gepaßt.

Über einen Absatz bin ich aber gestolpert. Auf Seite 120 gehen Sie auf den Erfolg von Dell ein und schreiben in diesem Zusammenhang: "Weil Pfeiffers Firma (!) ihre Geräte noch überwiegend über Fachhändler verkauft, die alle mitverdienen wollen, ist Dell zum Shooting-Star der Branche aufgestiegen." Da kann ich Ihnen beim besten Willen nicht folgen, und das nicht nur aufgrund Ihrer äußerst gewagten Kausalkonstruktion. Warum ist Dell erfolgreich? Wegen des Direktvertriebs, wie Sie behaupten? Das sehe ich anders. Das Wachstum von Dell beruht in erster Linie auf der strikten auftragsbezogenen Fertigung. Aufgrund von Einsparungen bei der Lagerhaltung kann Dell die PCs zu günstigeren Konditionen anbieten als die Konkurrenz. Das ist der Grund, zumindest der wesentliche. Erst jetzt beginnt die große Schar der übrigen Hersteller, mit sogenannten "Channel-Assembly"-Modellen etwas Vergleichbares aufzuziehen.

Wenn Ihre These richtig wäre, daß der Erfolg von Dell im direkten Vertriebsmodell begründet ist, wie erklären Sie sich dann die einsame Spitzenposition von Toshiba im Notebook-Bereich? Denn Toshiba vertreibt ihre Produkte traditionell und sehr erfolgreich ausschließlich über Vertriebspartner, die, wie Sie schreiben, "alle mitverdienen wollen".

Mit freundlichen Grüßen

Damian Sicking

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