...MIT FREUNDLICHEN GRÜSSEN

04.03.1998

Comteam GmbH & Co. Computerfachhandelsgesellschaft

Herrn Karl Ulrich Schönemeyer

Am Wolfsberg 13-15

28865 Lilienthal

München, 03.04.1998

Sehr geehrter Herr Schönemeyer,

vor einiger Zeit bekam ich eine Uhr mit zwei Zifferblättern geschenkt. Das fand ich ungemein praktisch. Denn so kann ich auf einen Blick sehen, wie spät es gerade in München und meinetwegen in Buenos Aires ist. Da ich aber nun eher selten mit Buenos Aires telefoniere, tendiert der Nutzen dieses zweiten Zifferblattes gegen Null. Viel nützlicher würde ich es finden, wenn das zweite Zifferblatt im Rhythmus des Computerhandels ticken würde, so daß ich immer genau wüßte, welche Stunde es gerade für diese Branche geschlagen hat.

Die Frage ist aber: Wie schnell tickt die Uhr im Computerhandel? Eine schwierige Frage. Um eine Zahl in den Raum zu stellen: Ich denke, daß auf eine Zeigerumdrehung einer normalen Uhr etwa vier Umdrehungen der Computerhandelsuhr erfolgen müßte. Oder vor einen größeren Rahmen gestellt: Ein Jahr Weltzeit entspricht drei Monaten Computerhandelszeit.

Mit anderen Worten: Die Veränderungsgeschwindigkeit in unserer Branche ist viermal so hoch wie im normalen Leben. Das wiederum hat Folgen: Langfristige Planungen sind so gut wie unmöglich. Dazu zwei Beispiele: Noch vor einem Jahr schlossen die Geschäftsführer der Systemhäuser m+s und ADA Firmenakquisitionen als Wachstumsoption kategorisch aus. Der wesentliche Grund: Die Gefahr, damit einen Flop zu landen, erschien den Herren zu groß. Statt dessen wollten sie lieber aus eigener Kraft wachsen. Das gehe zwar nicht so schnell, dafür aber sei dieses "organische" Wachstum wesentlich gesünder und besser zur verkraften. Das war gestern. Heute sieht die Lage völlig anders aus. ADA kauft Singhammer, m+s übernimmt DRV Dr. Böhmer, und beide Unternehmen kündigen weitere Akquisitionen an. Begründung in beiden Fällen: Die Zeit läuft uns davon.

Kurzum: Der Druck auf die Unternehmen erhöht sich dramatisch. Niemand kann es sich in unserer Branche heute mehr leisten, trotz guter Fahrt auf der Autobahn von der Überholspur auf den Standstreifen zu wechseln oder gar in der Werkstatt eine Inspektion durchführen zu lassen. Getrieben von der Furcht, von anderen überholt zu werden und den Anschluß zu verpassen, müssen die Unternehmen das Kunststück vollbringen, bei voller Fahrt aufzutanken, die Reifen zu wechseln und sogar noch jede Menge zusätzliche Pferdestärken unter die Motorhaube zu packen.

Das bedeutet auch, daß die Männer hinterm Steuer gezwungen sind, mit ständig steigendem Risiko zu fahren. Denn die Gefahr, daß das Fahrzeug nicht mehr beherrschbar ist oder daß sich eines der zusätzlich eingebauten Teile als instabil erweist, nimmt rapide zu. Ganz davon abgesehen, daß den Passagieren auf der Rückbank bei diesem Tempo ganz schwindelig wird. Doch die im alltäglichen Straßenverkehr geltende Regel "Lieber langsam und sicher ans Ziel als mit Vollgas vor den Baum" gilt in der Computerbranche nicht. Aktion Bleifuß ist hier angesagt. Motto: "Put the pedal on the metal."

Mit freundlichen Grüßen

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