Mit freundlichen Grüßen

15.07.1999

Sony Deutschland GmbHGeschäftsführung

Herrn Karl Pohler

Hugo-Eckener-Str. 20

50829 Köln

München, 12.07.1999

Sehr geehrter Herr Pohler,

was halten Sie eigentlich von Martin Bangemann? Sie wissen schon, jenem unter anderem für die Telekommunikation zuständigen EU-Kommissar, der mit seiner Ankündigung, er werde für ein Jahressalär von zwei Millionen Mark zur spanischen Telefongesellschaft Telefonica wechseln, einen Sturm der Entrüstung entfachte. Tenor: "Typisch Bangemann - nimmt, was er kriegen kann". Naja, mag man denken, wer tut dies nicht? Aber jenseits aller moralischen Empörung stellt sich die Frage, ob sich Bangemann mit seiner frühzeitigen Ankündigung, die Seiten zu wechseln, taktisch geschickt verhalten hat. Mein Eindruck: Hätte Bangemann die Klappe gehalten, hätte sein Wechsel nicht derart hohe Wellen geschlagen.

Die Kunst, im richtigen Moment zu schweigen, zeichnet erfolgreiche Menschen aus. Das wußte bekanntlich schon Albert Einstein, der dafür sogar eine Formel entwickelt hat, nämlich A = X + Y + Z, wobei A für Erfolg, X für Arbeit, Y für Muße und Z für Mundhalten steht. Im Gegensatz zu Bangemann haben Sie, wie mir scheint, Ihren Einstein gelesen. Denn als ich vor rund einem Monat in Ihrem Hause nachfragte, was von den Gerüchten zu halten sei, Sie würden als neuer Europachef von Tech Data/Computer 2000 nach München wechseln, ließen Sie lediglich ausrichten: "Das ist eine Ente. An diesen Gerüchten ist überhaupt nichts dran."

Fragt sich nur, ob dieses Dementi ein Sony oder ein Trick war. Motto: Warum jetzt schon die Hühner aufscheuchen, wenn noch Zeit genug ist? Also genau das Gegenteil dessen, womit sich Bangemann in die Nesseln gesetzt hat. Nun wurde mir berichtet, daß Sie bereits an einem internen Strategiemeeting von Tech Data in den USA teilgenommen haben. Oder handelt es sich bei dieser Information ebenfalls um eine Ente? Ebenso wie bei der Information, daß lediglich die Frage noch offen sei, wann genau Sony Sie aus dem

Vertrag entläßt?

Daß Tech-Data-Chef Steven Raymund Sie gerne an Bord hätte ("Mit Pohler wär mir wohler"), kann ich verstehen. Nicht nur kennen Sie das Distributionsgeschäft als ehemaliger Deutschland-Chef von Computer 2000, sondern sie wissen aus Ihrer Vergangenheit bei Digital Equipment auch, wie amerikanische Unternehmen ticken. Zudem haben Sie durch Ihre erfolgreiche Sanierungsarbeit bei Sony eindrucksvoll demonstriert, daß Sie kein Schönwetterkapitän sind, sondern ein Unternehmen auch bei hohem Seegang wieder auf Kurs bringen können und dafür auch Ballast über Bord kippen. Und für Sie selbst ist der Zeitpunkt, Sony den Rücken zu kehren, sicher günstig. Denn die Japaner schwächeln, und es fragt sich, wie lange die deutsche Organisation die gute Form noch halten kann. Und letztlich ist es am Rhein sicher sehr schön, aber wie man hört, soll sich Ihre Begeisterung, nach den üblichen Überschwemmungen mit dem Eimer das Wasser aus dem Keller Ihrer Villa zu schleppen, in Grenzen halten.

Klar ist: Tech Data/Computer 2000 braucht, nicht zuletzt wegen des Ausscheidens der beiden Deutschland-Geschäftsführer, schnell wieder eine Galionsfigur. Denn das Glück, daß einige Wettbewerber aufgrund interner Probleme derzeit in hohem Maße mit sich selbst beschäftigt sind, wird sicher nicht auf Dauer anhalten. Ein Karl Pohler käme jetzt genau zum richtigen Zeitpunkt.

Mit freundlichen Grüßen

Damian Sicking

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