Mit freundlichen Grüßen

06.10.1999

ce Consumer Electronics AG Vorstandsvorsitz

Herrn Erich J. Lejeune

Denninger Str. 15

81679 München

München, 07.06.1999

Sehr geehrter Herr Lejeune,

das Böse ist bekanntlich immer und überall. Auch in Deutschlands Unternehmen. In vielen Fällen sind es die eigenen Mitarbeiter, die böse sind. Sie klauen zum Beispiel. So läßt sich der polizeilichen Kriminalstatistik und Berechnungen der Hermes Kreditversicherung entnehmen, daß der deutschen Wirtschaft durch Veruntreuung, Betrug und Unterschlagung, verursacht durch Betriebsangehörige, im letzten Jahr ein Schaden von 14,5 Milliarden Mark entstanden ist. Anfang der 90er Jahre lag die Schadensumme noch bei vier Milliarden Mark. Allein für das vergangene Jahr beziffert Hermes die Zahl der Schadensfälle auf 820.000. Tendenz: steigend. Dunkelziffer: hoch. Doch nicht nur die Mitarbeiter, auch die Manager sind böse. Nicht alle, natürlich, aber es gibt sie. Und manchmal werden sie auch geschnappt und wandern dann vorübergehend in den Knast. Jetzt hat der TÜV Mitte in Essen auf diese Situation reagiert und erweitert sein Angebot. Ab dem nächsten Jahr vergibt der Verein an Unternehmen eine Ethik-Prüfplakette. Nach vorheriger eingehender Prüfung, versteht sich. Damit können sich Unternehmen per Brief und Siegel bestätigen lassen, daß Korruption, Mobbing, Diskriminierung und sonstige Verfehlungen bei ihnen keine Chance haben. Ein interessanter Ansatz.

Wenn man all dem Glauben schenken mag, was man so hört, dann haben die Unternehmen in der Computerbranche recht schlechte Karten, ein derartiges Ethik-Siegel des TÜVs zu erhalten. Vielleicht sind die Chancen etwas besser als bei den Firmen in der Rüstungsindustrie, aber nicht viel. Da gibt es zum Beispiel Leute, die behaupten, daß alle Unternehmen in der Computerbranche und also auch im Computerhandel, die heute überhaupt noch aktiv am Markt agieren, ein hohes Maß an krimineller Energie haben, das sie auch in Taten umsetzen. Die Bandbreite reicht hier von der Kategorie "Trickbetrüger" bis zur höchsten Stufe "Kapitalverbrecher" (wobei das Wort "Kapital" durchaus etwas mit Geld zu tun haben kann). Die anderen, die ehrlichen, seien alle schon pleite gegangen. Neulich fragte ein Top-Manager der Branche nach meiner Meinung über einen anderen Top-Manager der Branche. Auf meine Antwort, daß ich ihn für einen absolut integeren und ehrlichen Mann halte, antwortete er mir: "Ach ja, ich dachte, er ist geschäftlich ganz erfolgreich?" Ich vermute, das war scherzhaft gemeint, hat mir aber doch zu denken gegeben.

Das alles ist natürlich völliger Quatsch. Zwar gibt es auch in unserer Branche schwarze Schafe. Aber die Behauptung, wir hätten es nur noch mit Gangstern, Gaunern und Ganoven zu tun, ist ja wohl aberwitzig. Allerdings: Mit einem der zehn Gebote tut sich die Branche aber nach meinen Erfahrungen schon etwas schwer: "Du sollst nicht lügen." Viele Unternehmen haben den Verstoß gegen dieses Gebot sogar kultiviert und dafür eine eigene Abteilung eingerichtet, die nennt sich Marketing. Mit anderen Worten: In unserer Branche hält es sicher die Mehrzahl mit Tagesthemen-Moderator Ulrich Wickert, der behauptet "Die Ehrlichen sind die Dummen". Dagegen haben Sie vor zwei Jahren Ihr Buch mit dem schönen und verheißungsvollen Titel "Lebe ehrlich - werde reich" gestellt. Glauben Sie wirklich, daß dieser Rat im Geschäftsleben praxistauglich ist? Mal ganz ehrlich.

Mit freundlichen Grüßen

Damian Sicking

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