Mit freundlichen Grüßen

22.04.1999

Velodata GmbHHerrn Dieter Koll

Bierweiderstr. 25-27

52222 Stolberg

München, 19.04.1999

Sehr geehrter Herr Koll,

viele PC-Hersteller meinen es mit dem Fachhandel gut, und sie haben zahlreiche wohlmeinende Tips parat, wie die Händler ihr Geschäft besser und erfolgreicher gestalten können. Einer dieser Ratschläge: Der Fachhandel soll das tun, was er am besten kann. Und das ist, meint die Industrie, das Verkaufen. Ein wirklich "hilfreicher" Hinweis, der an Originalität nur noch durch die Empfehlung an einen Fisch zu übertreffen ist, er solle sich aufs Schwimmen konzentrieren. Die viel interessantere und wichtigere Frage lautet: Wenn der Händler sich aufs Verkaufen konzentrieren soll, wessen Produkte soll er denn dann nehmen?

Denn die Situation ist doch so: So gut wie kein Markenhersteller im PC-Bereich fährt eine dezidierte und ausschließliche Fachhandelsstrategie. Ob IBM, Fujitsu, Siemens, Compaq - sie alle verfolgen eine All- oder Mehrkanalvertriebspolitik. Klar, die Industrie steht unter einem erheblichen Mengendruck, und die Fabriken müssen ausgelastet werden. Da ist jeder Absatzmittler herzlich willkommen. Und wenn es, wie ein Hersteller kürzlich witzelte, der Pastor ist, der nach der Sonntagsmesse noch ein paar PCs an seine Schäfchen vertickt.

Das Problem für den Fachhandel aber ist folgendes: Wenn ein Hersteller einen PC bei den Discountern, Retailern und sogar branchenfremden Großflächenvermarktern in die Regale stellt, dann ist dieser Rechner beim Fachhandel so gut wie unverkäuflich. Denn in diesem Fall stehen die Händler im direkten Preisvergleich zu

den Discountern, und diesen Wettbewerb können die Fachhändler nicht gewinnen. "Der Vergleich", hat im letzten Jahrhundert der dänische Philosoph Sören Kierkegaard festgestellt, "ist die Wurzel allen Unglücks." In diesem Fall des Unglücks der Fachhändler.

Muß man sich angesichts dieser Tatsache wundern, daß die Bereitschaft der Fachhändler, sich für einen Marken-PC-Hersteller stark zu machen, nur sehr gering ausgeprägt ist? Ist es nicht nur zu verständlich, daß sie lieber PCs verkaufen, die nicht bei den Discountern zu haben sind? Und das sind am ehesten die Geräte, die sie selber assemblieren, oder die Handelsmarken der Distributoren.

Daß den Markenherstellern die Absatzbasis im Fachhandel wegbricht, haben sie sich selbst zuzuschreiben.

Es ist der Fluch der bösen Tat. Und eine starke Marke läßt sich so sicher nicht aufbauen. Ein Hersteller, dessen Produkte von den Billigheimern verkauft werden, läuft Gefahr, selbst das Image eines Billigheimers zu bekommen.

Daß es auch anders geht, zeigt zum Beispiel die Fahrradbranche, in der Sie sich als Anbieter von kaufmännischen Softwarelösungen ja gut auskennen. Fahrräder von Edelschmieden wie zum Beispiel Steppenwolf, Corratec, Univega oder Bergwerk gibt es eben nur im ausgewählten Fachhandel und nirgends sonst. Kein Bike-Hersteller mit starker Markenstellung wagt es, diese Pfade zu verlassen, weil er mit Recht befürchtet, daß er von seinen Fachhandelspartnern prompt die Quittung (Auslistung) präsentiert bekommt. Auch ein Modell für den

Computerhandel?

Mit freundlichen Grüßen

Damian Sicking

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